Wenn wir
einem Menschen zum ersten Mal gegenübertreten, haben wir gleich einen
Eindruck von ihm.
Vom
Äußeren her, von seinem Aussehen und seiner Gestalt her machen wir uns
ein Bild.
Wir
schätzen ihn ein und wir ordnen ihn ein. Wir bilden uns ein erstes
Urteil.
Und je
nach dem finden wir jemanden sympathisch oder nicht, trauen ihm etwas zu
oder nicht.
Beim
ersten Begegnen ist es vor allem die körperliche Erscheinung, seine
Statur, seine Haltung und das Outfit, (Kleidung, Haarfarbe, Brille
usw.), die uns auf den ersten Blick sagen oder verraten oder zumindesten
vermuten lassen, was wir für einen Menschen vor uns haben.
Aus dem,
was wir sehen und wahrnehmen, versuchen wir den Charakter zu
erschließen. Und fühlen uns schon im ersten Moment angezogen oder
abgestoßen.
Dem
anderen geht’s natürlich mit uns genauso.
Wir
selber werden schon im ersten Augenblick taxiert, eingeschätzt,
eingeordnet.
Bei einem
Vorstellungsgespräch sind nicht nur gute Zeugnisse und Referenzen
wichtig. Es kommt auch darauf an, was für einen Eindruck jemand macht,
wie er sich zeigt und gibt.
Allein
schon das Äußere ist aufschlussreich: die Kleidung, das Aussehen, die
Frisur, die Figur. Man nennt dies den Marketingcharakter einer Person.
Jemand,
der sich gut darzustellen weiß, hat gleich bessere Chancen. So tun viele
alles, um nur gut auszusehen und einen guten Eindruck zu machen.
Sorgfältig achten sie auf das Äußere.
Das kann
im Alltag aber auch dazu führen, dass man sich vom äußeren
Erscheinungsbild blenden lässt, dass man dem Vordergründigen auf den
Leim geht, oder sich von Ruf und Titel und sonstigem Imponiergehabe
beeindrucken und beeinflussen lässt.
Die
Lesung, die wir gehört haben, erzählt von einer solchen Situation. Der
Prophet Samuel hat von Gott den Auftrag, einen der acht Söhne Isais zum
König über Israel zu salben.
Schon
beim ersten, der ihm vorgestellt wird – es ist Eliab, der älteste der
Söhne – er hat eine stattliche Statur und macht eine gute Figur, ein
Mann, der wirklich etwas vorstellt und darstellt – schon da denkt er: „gewiss ist er der Auserwählte des Herrn“.
Für Isai,
den Vater, lag’s wohl ebenfalls auf der Hand:
wenn
einer in Frage kommt, dann doch der Erstgeborene, der Erfahrenste.
Und Eliab
selbst hat sich wohl auch als geeignet, gut und tüchtig eingeschätzt.
Aber es
kommt ganz anders. Gott sagt zu Samuel:
„Schau
nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt.
Ich
habe ihn nicht erwählt. Denn ich schaue nicht auf das Äußere.
Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.“
Gott
lässt sich nicht vom Äußeren blenden. Er lässt sich nicht vom
vordergründigen Erscheinen und Aussehen beeindrucken und beeinflussen.
Gott
schaut tiefer. Gott schaut in das Innere des Menschen.
Er weiß,
was jemand wirklich ist und nicht nur, was er nach außen zu sein
scheint.
Und so
geht es den anderen Söhnen Isais.
Allesamt
stattliche Kerle! Jeder auf seine Weise tüchtig und verdienstvoll!
Aber
keiner kommt zum Zug, einer nach dem anderen fällt durch.
David
war, menschlich gesehen, alles andere als erste Wahl.
Er war
der Jüngste, der „Kleine“. An ihn hat kein Mensch gedacht.
Er musste
extra vom Feld beim Viehhüten geholt werden. Das sagt alles.
Und doch
wird er ein ganz großer, ruhmreicher und mächtiger König werden,
nicht
ohne Konflikte, nicht ohne Fehler und zum Teil auch schwere Schuld,
aber doch
ein guter König, der sein Volk wirkungsvoll führt und ihm hochherzig
dient.
Wie kommt
David zu dieser Aufgabe? Warum wird er erwählt? Warum ausgerechnet
David?
Das eine
ist:
Samuel
hört in dieser Entscheidungssituation auf seine innere Stimme hört, auf
die Stimme des Herrn.
Und er
gibt sich nicht mit der Auswahl und Vorführung der anwesenden Söhne
Isais zufrieden, sondern fragt auch nach dem Kleinen und
Nicht-Sichtbaren, nach dem Verborgenen.
Das
andere ist:
David
sieht auch gut aus. Er ist blond und schön.
Aber das
Äußere ist nicht alles, es ist nicht ausschlaggebend.
David hat
auch die entscheidenden Qualitäten des Herzens.
„Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht
das Herz.“
Für mich ist dieser Satz der Allerwichtigste in dieser Erzählung.
Wenn Gott tiefer schaut, wenn er das Herz
sieht, dann tut er das aber nicht als Polizist oder als Staatsanwalt.
Gott ist nicht der große Aufpasser und
gnadenlose Verurteiler. Gott ist nicht wie ein Personalchef,
dem nichts entgeht, der alles registriert
und irgendwann dann knallhart die Rechnung präsentiert.
Gott sieht vielmehr das Herz als einer
der für mich Interesse hat, dem es um mich geht, dem ich wichtig bin.
Gott sieht das Herz mit Augen der Güte.
Voll Liebe schaut er auf mich.
Bei ihm bin ich angesehen. Sein Blick in
mein Inneres macht mich wertvoll,
ganz gleich wie es um mein Äußeres
bestellt ist, egal ob es mir gut geht oder schlecht,
ob ich arm bin oder reich, gesund oder
krank, angesehen und geehrt bei den Menschen oder nicht.
„Der Herr sieht das Herz.“
Gott
schaut tiefer. Er schaut hinter Masken und Fassaden.
Er
durchschaut jedes Imponiergehabe. Bei ihm gibt es keine Anbiederung und
Liebdienerrei.
Ihm kann
man nichts vormachen und braucht es auch nicht.
Gott
kennt meine Ängste und Sorgen, aber auch mein Vertrauenwollen.
Er kennt
meine Fragen und Zweifel, aber auch mein Bemühen um Glauben.
Gott
kennt mein Versagen und meine Schuld, aber auch meinen Willen zum Guten
und meine immer wieder neue Bereitschaft.
Er kennt
meinen Egoismus, aber auch mein Bestreben, gut zu sein und für andere da
zu sein.
Er kennt
meine Neid- und Eifersuchtsgefühle, er weiß um mein Klammern und
Festhalten-Wollen.
Aber er
sieht auch, wie ich immer wieder versuche, meine Hände zu öffnen,
loszulassen, mich zu überlassen, mich ihm anheimzustellen und mich ihm
anzuvertrauen.
Wer ich
auch bin, wie ich auch bin, Gott kennt mich, er weißt um mich.
Aber er
lässt mich nicht fallen. Bei ihm bin ich geborgen.
Bei ihm
finde ich Trost und Schutz und Halt.
„Der Herr sieht das Herz.“
Das heißt
für mich auch, dass ich es nicht kann, zumindest nicht auf den
ersten Blick.
Und das
sagt mir: Hüte dich vor schnellen Schlüssen und voreiligem Urteilen!
Steck
niemanden in eine Schublade!
Sei
vorsichtig mit dem Urteilen.
Pass noch
mehr auf mit dem Verurteilen.
Übe dich
im Blick des Guten. Sprich keinem guten Willen ab!
Sei auf
die Liebe bedacht! Sei barmherzig!
Denn, so
sagt Jesus in der Bergpredigt:
„mit
dem Maß mit dem ihr messt, wird auch euch zugeteilt und gemessen
werden.“
Einem
Menschen können wir ins Herz sehen, uns selber!
Und genau
das sollten wir tun.
Das
heißt: ehrlich sein vor uns selber, sich selber nichts vormachen.
Das
Fehlerhafte und Bruchstückhafte sehen, zu den eigenen Schwächen stehen.
Aber auch
die Stärken sehen, die guten Seiten.
Wir
brauchen uns nicht schlechter zu machen als wir sind.
Auch das
Positive sehen.
Sich
freuen über das Schöne und Gute und Gelungene, ohne überheblich zu
werden.
„Der Mensch sieht, was vor Augen ist – der Herr aber
sieht ins Herz.“
Ist das nicht eine tröstliche Botschaft?
Für mich
ist das eine sehr ermutigende Botschaft.
Ich
hoffe, für sie auch! |