Eine
dramatische Erzählung: die Glaubensprobe Abrahams bzw. die Opferung
seines Sohnes Isaak.
Nicht nur
dramatisch, auch anstößig und abschreckend, irritierend und
provozierend.
Kann Gott
Menschenopfer fordern?
Was für
ein Gott ist das, der so was tut?
Kann Gott
so grausam sein?
Außerdem:
welch ein Konflikt für Abraham, eine wahre Zerreißprobe. Auf der einen
Seite der Gehorsam gegenüber Gott und auf der andern Seite die Liebe des
Vaters zu seinem Sohn, dem einzigen, dazu noch Sohn der Verheißung.
Man muss
bedenken:
Isaak ist
der, auf den Abraham so lange und zunächst vergeblich gewartet hat.
Er ist
der Erbe, der alles weiterführen soll. An ihm hängt die Zukunft.
Warum
fordert Gott dieses Kind zurück?
Steht
Gott nicht mehr zu seinem Wort?
Sind all
seine Verheißungen hinfällig?
Nicht
wahr, liebe Schwestern und Brüder, die Lesung aus dem Buch Genesis mutet
uns viel zu. Vielleicht empfinden wir sie sogar als abstoßend und
unerträglich.
Noch
unerträglicher wird die Erzählung, wenn man die Verse, die den langen
Weg Abrahams mit Isaak zur Opferstätte beschreiben, nicht wegkürzt und
damit die Geschichte entschärft und entstellt, wie es die heutige
Sonntagslesung tut, sondern wenn man den Text ganz nimmt, wie es in der
Osternacht der Fall ist.
In der
Osternacht wird Genesis 22 im Blick auf Jesus gelesen und zu Gehör
gebracht.
Schon im
frühen Christentum sah man in Isaak, dem einzigen und geliebten Sohn
Abrahams, ein Vorausbild für Jesus.
Jesus war
bereit, sich nicht nur beinahe opfern zu lassen, sondern er, der einzige
und geliebte Sohn des Vaters, wurde wirklich „nicht verschont“,
wie es auch die zweite Lesung aus dem Römerbrief zum Ausdruck bringt: „Er (Gott) hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns
alle hingegeben.“ Aber er hat ihn aus dem Tod, wie wir wissen und
glauben, errettet.
Auch
Isaaks Bezeichnung als „geliebter Sohn“ weist auf Jesus hin, der
im heutigen Evangelium von der Verklärung durch die Stimme des Vaters –
wie schon bei der Taufe im Jordan – als der „geliebte Sohn“
geoffenbart wird.
Bemerkenswert ist auch, dass man bei dieser Erzählung – schon in
frühchristlicher Zeit – auch den Glauben Abrahams an die Auferstehung
heraushörte.
Im
Hebräerbrief heißt es: „Er (Abraham) verließ sich darauf, das Gott
sogar die Macht hat, Tote zum Leben zu erwecken. Darum erhielt er Isaak
zurück“ (11, 19).
Nun, wir
kennen alle diese Geschichte. Vielleicht kommen uns auch Bilder aus
unserer Kinder- oder Schulbibel in den Sinn.
Die
Geschichte geht ja – buchstäblich in letzter Sekunde – noch einmal gut
aus.
Umso mehr
stellt sich die Frage:
Was soll
sie? Was hat sie für einen Sinn?
Und was
kann sie uns heute sagen?
Zunächst
fällt auf: Abraham tut, was Gott von ihm fordert ohne Widerrede. Er
diskutiert nicht, protestiert nicht, revoltiert nicht. Kein Aufbegehren,
keine Fragen, keine Klagen.
Ist das
zu verstehen? Ist das denkbar in einer solchen Situation?
Soll
Glaube ein blinder, stumpfer Gehorsam gegenüber Gott sein?
Ich kenne
das anders, von mir selbst, von Menschen in meiner Umgebung, aber auch
von den Propheten, von Jeremia z. B., von Hiob und den Psalmenbetern.
Die
streiten auch mal mit Gott. Sie hadern und klagen. Da gibt es Notschreie
und Hilferufe. Selbst Jesus fragt und ruft in seiner Verlassenheit am
Kreuz „warum“.
Liebe
Schwestern und Brüder,
auch wenn
die Bibel nicht berichtet, dass Abraham mit Gott ringt, dass er
verzweifelt fragt oder klagt, ich bin überzeugt: die inneren Kämpfe sind
auch ihm nicht erspart geblieben.
Man kann
das daran sehen, dass Abraham sich viel Zeit lässt, den Befehl Gottes
auszuführen. In aller Genauigkeit, ja Umständlichkeit bereitet er das
Opfer vor. Fast in Zeitlupentempo kann man Abraham bei seinen
Vorbereitungen zuschauen.
Diese
Erzählung ist eine Weggeschichte.
Drei Tage
brauchen Abraham und Isaak bis ins Land Morija und auf den Berg.
Drei Tage
sind eine lange Zeit. Da kann sich viel ereignen.
Was mag
sich in Abraham – und auch in Isaak – in diesen drei Tagen abgespielt
haben?
Ich
denke, wir können uns gut in Abraham hineinversetzen.
Kennen
wir nicht auch Situationen, wo wir – ob wir wollen oder nicht - Liebes
hergeben, loslassen müssen und schmerzliche Verluste erleiden?
Kennen
wir nicht auch Unglücksfälle, Schicksalsschläge, tragische Ereignisse?
Leidvolle Erfahrungen sind wohl keinem von uns fremd, erschütternde
Erfahrungen, die einem den Boden unter den Füßen wegziehen, wo alle
Sicherheiten zerbrechen, wo man nicht mehr weitersieht, wo alles aus zu
sein scheint und sich bedrängend die Frage stellt: Warum und was nun?
Werde ich
da an Gottes Treue irre oder vertraue ich ihm auch dann noch und trotz
allem?
Das ist
die Probe, in die Abraham gestellt ist, eine Glaubensprobe.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Die
Erfahrung dunkler Nächte, die verzweifelte Suche nach Sinn, die
Erschütterung bis ins Tiefste, all das sind Erfahrungen, die Glaubende
aller Zeiten gemacht haben und aushalten und durchleiden mussten.
Und Sie
wissen so gut wie ich, wie lange der Weg sein kann, wie mühsam, und wie
schwer die Last!
Und oft
braucht es viel Zeit, mit allem fertig zu werden und alles zu
verkraften.
Es kann
z. B. sehr lange dauern, sich mit dem Tod eines geliebten Menschen
abzufinden.
Im Buch
Hiob heißt es (1, 21):
„Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen…“
Wann
werden wir in einer solchen Situation fortfahren können: „Der Name
des Herrn sei gepriesen!“
Wird das
überhaupt je gelingen?
Liebe
Mitchristen!
Abraham
ist das Urbild des Glaubens. Auf Gottes Geheiß hin verließ er Haus und
Heimat, zog in ein fernes Land, einer ungewissen Zukunft entgegen.
Und
jetzt, in auswegloser Situation, hört er erneut auf Gott und vertraut
ihm ohne Vorbehalt. Abrahams Glaube ist unbedingt.
Und
diesen Glauben enttäuscht Gott nicht.
Er ist
kein Sadist, der Freude am Leid und der Hilflosigkeit der Menschen
hätte.
Er ist
kein finsterer Götze, der nach Unterdrückung und Unterwerfung giert.
Er selbst
sorgt für Befreiung aus Trübsal, Angst und Not.
Er fällt
Abraham in den Arm, schickt den Widder und rettet Isaak.
Gott will
nicht das Opfer des Sohnes, sondern dass Abraham sich allein an ihn
bindet, sich allein auf ihn verlässt. Nichts soll in seinem Leben
wichtiger und größer sein als Gott. Darum geht es in dieser Erzählung.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Gott ist
manchmal so unbegreiflich, seine Wege so geheimnisvoll.
Auch dem,
der glaubt (siehe Abraham!) – erspart er nicht Unglück und Leid. Es gibt
Hindernisse, es gibt Durststrecken, es gibt Auseinandersetzungen, es
gibt Zweifel und Unsicherheiten.
Es ist
wahr: Gott bewahrt nicht vor allem Leid, aber in allem
Leid.
Er ist
da. Für ihn ist nichts unmöglich. Und nichts kann uns von seiner Liebe
trennen.
Und so
hoffen und glauben wir, dass selbst unser letzter Weg nicht im Untergang
endet und ins Verderben mündet, sondern dass selbst der Tod noch
Durchgang ist ins Licht, Tor zum Leben, seliges Hinübergehen und
Heimfinden in die Geborgenheit bei Gott.
Liebe
Mitchristen!
Die
Erzählung, die wir heute als Lesung gehört haben, ist schrecklich und
tröstlich zugleich.
Jeder von
uns kann in eine ähnlich Situation geraten wie Abraham, ähnlich bitter,
ähnlich aussichtslos, ähnlich fragwürdig.
Das Leben
kann einem übel mitspielen. Es kann hart und grausam sein. Es kostet so
manchen Verzicht. Es geht nicht ohne Opfer. Immer wieder ist Loslassen
angesagt.
Wie
schwer ist das oft! Wie sehr sträuben wir uns immer wieder dagegen?
Mit
dieser Erzählung sind meines Erachtens zwei Fragenkreise verbunden:
Erstens
die Prioritätsfrage:
Was ist
das Wichtigste in meinem Leben? Woran hänge ich? Wovon erwarte ich
Zukunft und Sinn?
Gibt es
irgendetwas, irgendwen, der mir wichtiger ist als Gott? Was hindert
mich, von Gott alles zu erwarten und auf ihn bedingungslos zu vertrauen?
Zweitens
die Vertrauensfrage:
Glaube
ich an Gottes Treue – wie Abraham und wie Isaak? Glaube ich, dass Gott
Wege der Rettung weiß, wo Menschen keine mehr wissen?
Glaube
ich an Gottes Nähe auch in Dunkelheit?
Glaube
ich an seine Liebe auch in Unglück, Leid und Not?
Glaube
ich, dass es – selbst im Tod – noch Licht und Leben gibt, Leben in der
Vollendung bei Gott? |