EVANGELIUM
Der Zöllner kehrte als Gerechter nach Hause
zurück, der Pharisäer nicht
+ Aus dem heiligen Evangelium nach
Lukas
In jener Zeit
9erzählte
Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und
die anderen verachteten, dieses Beispiel:
10Zwei
Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein
Pharisäer, der andere ein Zöllner.
11Der
Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet: Gott, ich
danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber,
Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.
12Ich
faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines
ganzen Einkommens.
13Der
Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine
Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und
betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
14Ich
sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere
nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber
selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Haben Sie
es schon bemerkt, liebe Schwestern und Brüder?
Die
Hälfte der Fastenzeit ist bereits vorüber. „Wie, schon?“, denk
ich mir, „dabei wollte ich doch…“ – Ja, ich hatte mir einiges
vorgenommen, aber… Eine Reihe guter Vorsätze. Und wieder einmal bin ich
dahinter zurückgeblieben.
Falls
es Ihnen auch so geht, kann ich Sie und mich trösten. Wir haben ja noch
drei Wochen Zeit, uns auf Ostern vorzubereiten. Drei Wochen sind uns
noch geschenkt, die Fastenzeit bewusst zu gestalten. – Und da
kommt unser Evangelium von heute grade recht. Denn es zeigt uns meines
Erachtens sehr gut, was Fastenzeit bedeutet und welche Haltung es
einzuüben gilt.
Der eine Mann
im Evangelium – der könnte nämlich jetzt beten: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht so wie die Leute
bin, die die Fastenzeit verstreichen lassen, ohne sich auf Ostern
vorzubereiten. Ich hab alles geschafft, was ich mir vorgenommen habe,
weit mehr als gefordert: Verzichte, Gebete, tägliche Schriftlesung,
Bußandacht besucht, Osterbeichte schon hinter mich gebracht.
Sonntaggottesdienst. Keine Frage, selbstverständlich, zusätzlich noch am
Werktag. Außerdem schon eine Spende an Misereor überwiesen. Die
kann sich sehen lassen. Da lass ich mich nicht lumpen.
Auch sonst
– Gott sei Dank – alles im grünen Bereich. Familie intakt, Engagement in
der Pfarrgemeinde, mehrere Ehrenämter, zahle brav und pünktlich meine
Kirchensteuer. Immer korrekt, anständig, pflichtbewusst. Alles in bester
Ordnung."
Diesem Mann
stellt Jesus einen „Zöllner“ gegenüber:
Zweimal
geschieden, in der Kirche taucht er nur einmal im Jahr auf, an
Heiligabend. Wie er sein Geld macht sei auch nicht ganz sauber, wie man
hört. Im Pfarreileben glänzt er durch Abwesenheit.
Auch er
ist da vor Gott. Und empfindet tiefe Reue. Zerknirscht und mit gesenktem
Kopf spricht er nur einen einzigen Satz: „Gott, sei mir Sünder
gnädig!“ – Er fühlt sich als Sünder, als einen, der am Leben
vorbeigelebt und seinen Weg verfehlt hat.
Liebe Mitchristen!
Was
unterscheidet die beiden Männer?
Der erste
hat schließlich nichts Böses gemacht. Im Gegenteil: Seine Taten sind
alle recht und gut. – Aber er brüstet sich damit. Er stellt sie ins
Schaufenster. Er ist stolz auf sich und auf das, was er zustande
gebracht, gemacht und geschafft hat.
Er dankt
zwar Gott, kreist aber um sich selbst und beweihräuchert sich selbst.
Zudem schaut er mit Verachtung auf andere. Vor allem aber: Dieser Mann
erwartet alles von sich selbst, er erwartet alles von seinem Tun und
Leisten, aber nichts von Gott.
Ich muss zugeben,
liebe Schwestern und Brüder, ich kenne den Pharisäer ganz gut. Er steckt
auch in mir. Gleich ich ihm nicht öfter als ich denke? Meine ich
nicht auch oft: Mach ich’s nicht recht? Bin ich nicht gut? Und wie
schnell stelle ich mich über andere und dünk mich besser! Wie schnell
bin ich überheblich und schau auf andere herab, urteile und verurteile?
Liebe Wallfahrer und Wallfahrerinnen!
Jesus erzählt dieses Gleichnis Leuten – so heißt es ausdrücklich –
„die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt
waren und die anderen verachteten.“
Aber gerechtfertigt,
das heißt, von Gott angenommen, geht nicht der nach Hause, der Gott viel
vorzuweisen hat, sondern derjenige, der vor Gott mit leeren Händen
steht. Nicht derjenige, der sein Vertrauen auf sich selbst setzt,
auf sein eigenes Tun und Machen und Leisten, sondern der, der um seine
Fehlerhaftigkeit und sein Versagen weiß – und es ehrlich eingesteht.
Derjenige, dem seine Armseligkeit und Erlösungsbedürftigkeit bewusst ist
und Gnade und Erbarmen allein von Gott erwartet. Und aus dem es
flehentlich herausbricht – wie ein tiefer Schrei: „Gott, sei mir
Sünder gnädig!“
Liebe Schwestern und Brüder!
Als Jesus
das Gleichnis vom verlorenen Schaf erzählt, sagt er am Schluss
(Lk 15, 7): „Im Himmel herrscht mehr Freude über einen einzigen
Sünder, der umkehrt als über 99 Gerechte, die meinen, sie bräuchten
keine Umkehr.“ – Und an einer anderen Stelle: „Ich bin
nicht gekommen die Gerechten zu berufen, sondern die Sünder.“ Denn:
„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die
Kranken.“
Wenn wir ehrlich sind:
Wer kommt schon ohne Wunden, ohne Scherben und ohne Schuld durchs Leben?
„Gott, sei mir Sünder gnädig!“
Liebe Mitchristen,
in der Fastenzeit geht es um diese Haltung. Wir sind eingeladen, uns zu
öffnen für die Geschenke Gottes. Nicht von unseren Leistungen und
Erfolgen hängt das Gelingen der Fastenzeit ab, nicht von unseren eigenen
Anstrengungen und Klimmzügen, sondern von unserer Haltung: Offen zu sein
für Gott, offen und empfänglich für das, was ER geben will.
Denn
Gott schaut nicht auf den Menschen, der ihm seine Leistungen und Erfolge
vorrechnet, sondern auf den, der vor ihm mit leeren Händen steht, auf
den, der ihm seine Armut und Blöße bringt. Gott liebt das reumütige Herz,
das stolze verwirft er.
Ja, ich bin überzeugt:
Gott liebt unsere Armut mehr als unseren Glanz, unsere Sehnsucht mehr
als unsere Erfolge.
Von der heiligen Gertrud von Helfta ist das Gebet überliefert:
„Gott, ich stehe vor dir mit der leeren Schale meiner Sehnsucht.“
Und sie hofft,
dass ihr Leersein IHN anzieht, dass ihre Bedürftigkeit IHN spenden
lässt und dass ihre Armut SEIN Erbarmen weckt. – Gesegnete Leere,
die ER füllt mit SEINEM Licht, mit SEINER Kraft, mit SEINER Freude und
SEINEM Frieden.
Liebe Wallfahrer und Wallfahrerinnen, Schwestern und Brüder!
Wir haben
noch drei Wochen Zeit und darüber hinaus noch einige Jahre unseres
Lebens.
„Gott sei mir Sünder gnädig!“ Es geht
um die Einübung dieser Haltung. Brechen wir erneut auf – zu diesem Ziel
der Fastenzeit!
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