Das ist ein Fasten, wie ich es liebe
Lesung aus dem Buch Jesaja
So spricht Gott, der Herr:
1Rufe
aus voller Kehle, halte dich nicht zurück! Lass deine Stimme ertönen wie
eine Posaune! Halt meinem Volk
seine
Vergehen vor und dem Haus Jakob seine Sünden!
2Sie
suchen mich Tag für Tag; denn sie wollen meine Wege erkennen. Wie ein
Volk, das Gerechtigkeit übt und das vom Recht seines Gottes nicht
ablässt, so fordern sie von mir ein gerechtes Urteil und möchten, dass
Gott ihnen nah ist.
3Warum
fasten wir, und du siehst es nicht? Warum tun wir Buße, und du merkst es
nicht? Seht, an euren Fasttagen macht ihr Geschäfte und treibt alle eure
Arbeiter zur Arbeit an.
4Obwohl
ihr fastet, gibt es Streit und Zank, und ihr schlagt zu mit roher
Gewalt. So wie ihr jetzt fastet, verschafft ihr eurer Stimme droben kein
Gehör.
5Ist
das ein Fasten, wie ich es liebe, ein Tag, an dem man sich der Buße
unterzieht: wenn man den Kopf hängen lässt, so wie eine Binse sich
neigt, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein
Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt?
6Nein,
das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen,
die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes
Joch zu zerbrechen,
7an
die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus
aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich
deinen Verwandten nicht zu entziehen.
8Dann
wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Wunden
werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die
Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.
9aWenn
du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe
schreist, wird er sagen: Hier bin ich.
Das war ein ganz kritischer Text zum
Thema „Fasten“, den wir in der Lesung aus dem Buch des Propheten
Jesaja gehört haben.
Erinnern Sie sich?
Der Prophet weist darauf hin, dass alles
Beten und Fasten und sonstige Frömmigkeitsübungen nichts wert und nicht
wirkungsvoll sind, wenn nicht der Wille zum Guten, die Hilfsbereitschaft
für die Notleidenden und der Einsatz für die ungerecht Behandelten
dahinter steht oder dazu kommt.
Kein religiöser Kult ohne Caritas,
keine Religiosität ohne Solidarität,
kein Credo ohne tätige Nächstenliebe!
Fasten lässt sich nicht trennen von den
Werken der Barmherzigkeit. Wo es davon abgekoppelt wird, da wird es hohl
und leer. Ja, es kann zur Heuchelei werden.
Der Prophet prangert an, dass die Frommen
sich zwar von Speise und Trank enthalten, nicht jedoch von Streit und
Zank.
Er prangert an, dass sie profitsüchtig
sind, sich ausbeuterisch verhalten und sogar zuschlagen mit roher Faust,
um dann mit gesenktem Kopf „einer Binse gleich“ zu beten.
Und diese Frömmigkeitsübungen und
asketischen Verhaltensweisen sehen sie auch noch als Leistung an, die
sie Gott präsentieren.
Sie meinen Ansprüche an Gott stellen zu
können als sei Gott ein Befehlsempfänger.
Sie meinen, wo sie soviel Frommes tun und
sich so mächtig ins Zeug legen,
sich kasteien, sich abquälen mit Fasten,
Beten und Buße tun,
da müsse doch Gott reagieren, da müsse er
sie doch erhören, da müsse doch Gott auf sie eingehen,
da müsse er doch tun wie sie wollen,
als sei Gott ein Automat, wo man oben ein
Geldstück hineinwirft und unten das Gewünschte herauskommt.
Vorwurfsvoll, verwundert und enttäuscht
fragen und klagen sie:
„Warum fasten wir, und du siehst es
nicht?
Warum tun wir Buße und die merkst es
nicht?“
Dann nennt der Prophet Formen des
Fastens, die Gott liebt,
Arten des Fastens, die ein wirkliches
Fasten sind,
ein Fasten, das Gott gefällt.
Dazu gehört oft mehr Selbstüberwindung
als am Freitag auf Fleisch zu verzichten und Fisch zu essen.
Solches Fasten ist mehr als
Kalorienzählen.
Nicht nur Kampf der Ess- und Genusssucht,
sondern Kampf der Ichsucht!
Liebe Schwestern und Brüder!
Sind wir heute sehr viel anders als die
Frommen, zu denen der Prophet spricht?
Stimmen Beten und Tun, Gottesdienst und
Alltag bei uns überein?
Ich meine, der kritische Prophetentext –
und darin spricht letztlich Gott selbst – hat auch nach über zweieinhalb
Jahrtausenden nichts an Aktualität verloren.
Er will auch uns daran erinnern,
dass Fasten eine Haltung ganz
besonders fördern will,
nämlich Liebe, die praktische, tätige,
konkrete Nächstenliebe.
Fasten ohne Liebe wird heuchlerisch und
findet bei Gott kein Gefallen.
Fasten aber, das uns aufschließt für Gott
und den Nächsten,
ist ein gutes, ein rechtes Fasten in den
Augen Gottes.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Hinweise und Forderungen, die der
Prophet als Handlungsimpulse und Schritte dann (Lesung vom Samstag nach
Aschermittwoch, Jes 58, 9b und 10a) nennt, sind ganz konkret und praktisch:
Der Unterdrückung ein Ende machen;
auf niemanden mit dem Finger zeigen,
niemanden verleugnen,
das Brot mit dem Hungernden teilen
und den Darbenden satt machen.
Es fällt auf, dass diese konkreten
Handlungsimpulse ganz stark den Kriterien ähneln, die Jesus in der
Gerichtsrede (Mt 25) aufstellt
und nach denen wir einst von Gott gefragt
und beurteilt werden.
Auch dort ist es die Liebe, auf die es
kommt und die letzten Endes zählt.
Was wir dann einem der Geringsten unserer
Schwestern und Brüder getan haben, das haben wir IHM getan.
Christsein, liebe Schwestern und Brüder,
kann sich also nicht auf Gebet und Gottesdienst, Pilgern und religiöse
Feiertage beschränken.
Es muss sich auswirken auf den Alltag,
auf den Umgang miteinander,
auf das Leben in Beruf und Familie und
soll sich dort bewähren.
Fasten, das den Mitmenschen aus dem Blick
verliert, ist vor Gott nicht viel wert, es bleibt unfruchtbar.
Das sagt der Prophet damals seinen
Zuhörern und das sagt er auch uns heute.
Eigentlich gehören die Lesungsabschnitte
von heute und morgen zusammen. Sie bilden eine Einheit.
In den Vers 10b und 11 bringt der Prophet
herrliche Bilder, Hoffnungsbilder, Bilder des Friedens und des Glücks.
Sie wollen zeigen, was geschieht, wo
Menschen fasten wie Gott es liebt.
Da geschieht nämlich Wunderbares:
„Dann geht im Dunkeln dein Licht auf,
und deine Finsternis wird hell wie der
Mittag.
Der Herr wird dich immer führen,
auch im dürren Land macht er dich satt
und stärkt deine Glieder.
Du gleichst einem bewässerten Garten,
einer Quelle, deren Wasser niemals
versiegt.“
Leid und Sorge, Krankheit und Not
relativieren sich, sie werden erträglich, wo jemand nicht nur sich
selbst im Blick hat und um sich selber kreist, sondern über den eigenen
Tellerrand hinausblickt, wo jemand den puren Egoismus hinter sich lässt
und sich öffnet für den Menschen neben sich, wo er Zeit und Ohr für ihn
hat und versucht, ihm in seiner Not, wo immer möglich, beizustehen und
zu helfen.
Hier bewahrheitet sich, was der heilige
Franziskus so ins Wort fasst:
„Wer hingibt, der empfängt und wer sich
selbst vergisst, der findet.“
Und ein Sprichwort lautet:
„Freude, die wir anderen schenken, kehrt
ins eigene Herz zurück.“
Und
da – das ist das Schönste, das Beste, das Tröstlichste – da spricht Gott
(es sind die letzten drei Worte des heutigen Lesungsabschnittes): „Hier
bin ich!“
Ubi Caritas et amor, deus ibi est.
Wo Güte und Liebe, da ist Gott. |