So spricht Gott, der Herr:
Das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die
Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die
Versklavten freizulassen, jedes Joch zu brechen, an die Hungrigen dein
Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du
einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht
zu entziehen. -
Wenn du dann rufst, wird der Herr Antwort
geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich. Wenn
du der Unterdrückung bei dir ein Ende machst, auf keinen mit dem Finger
zeigst und niemand verleumdest, dem Hungrigen dein Brot reichst und den
Darbenden satt machst, dann geht im Dunkel ein Licht auf, und deine
Finsternis wird hell wie der Mittag. - Der Herr wird dich immer führen,
auch im dürren Land macht er dich satt und stärkt deine Glieder. Du
gleichst einem bewässerten Garten, einer Quelle deren Wasser niemals
versiegt. (Jes 58, 6 - 11)
Erinnern Sie sich noch
an die Lesung, die wir vorhin gehört haben? Es war ein Abschnitt aus dem
Propheten Jesaja?
Wissen Sie auch noch, was das Thema war? Es ging um das Fasten. Die
zentrale Frage lautete: Was ist ein Fasten, das
Gott gefällt, ein Fasten, wie Gott es will, wie er es liebt?
Gewiss
gehören zum Fasten auch in der Heiligen Schrift die Mäßigung im Essen
und Trinken und die Enthaltsamkeit in jeder Art von Genuss.
Für uns heute
gehört häufig auch dazu der Verzicht auf Süßigkeiten, Alkohol, Rauchen,
der Verzicht auf Tanzveranstaltungen und ähnliche Vergnügungen, ebenso
die Einschränkung im Gebrauch der Medien: Fernseh-Fasten, Handy-Fasten,
Internet-Fasten, vielleicht auch Auto-Fasten und ähnliches.
Eines ist gewiss:
Biblisches Fasten ist keine Pfunds-Kur. Es geht nicht ums Abnehmen. Es
geht nicht um Fitness. Das ist allenfalls ein willkommener Nebeneffekt.
Beim biblischen Fasten
geht es – jedenfalls bei den Propheten – ganz zentral um unser soziales
Verhalten, um unser Verhältnis zu den Mitmenschen.
Der Prophet Jesaja
weist darauf hin, dass alles Beten und Fasten und sonstige
Frömmigkeitsübungen nicht viel wert sind, wenn nicht der Wille zum
Guten, die Hilfsbereitschaft für die Notleidenden und der Einsatz für
die ungerecht Behandelten dahinter steht oder dazu kommt.
Kein
religiöser Kult ohne Caritas, keine Religiosität ohne Solidarität, kein
Glaubensbekenntnis ohne tätige Nächstenliebe!
Sehen Sie, liebe Mitchristen!
Biblisches Fasten ist untrennbar mit den Werken der Barmherzigkeit
verbunden. Wo es davon losgelöst wird, da wird es hohl und leer. Ja, es
kann sogar zur Heuchelei werden.
Und so prangert der Prophet Jesaja an,
dass die Frommen sich zwar von Speise und Trank enthalten, nicht jedoch
von Streit und Zank. – Er prangert an, dass sie profitsüchtig
sind, sich ausbeuterisch verhalten und sogar zuschlagen mit roher Faust,
um dann mit gesenktem Kopf „einer Binse gleich“ zu beten.
Was noch dazu kommt: Ihre Frömmigkeitsübungen und asketischen
Verhaltensweisen sehen sie auch noch als Leistung an, die sie Gott
präsentieren. Sie meinen Ansprüche an Gott stellen zu können als sei
Gott ein Befehlsempfänger. Sie meinen, wo sie so viel Frommes tun und
sich so mächtig ins Zeug legen, sich kasteien, Fasten, Beten u. Buße
tun, da müsse doch Gott reagieren, da müsse er sie doch erhören, da
müsse doch Gott auf sie eingehen, da müsse er doch tun wie sie wollen.
Vorwurfsvoll,
verwundert und enttäuscht fragen und klagen sie:
„Warum
fasten wir, und du siehst es nicht?
Warum
tun wir Buße und du merkst es nicht?“
Dann
nennt der Prophet Formen des Fastens, die Gott liebt, Arten des Fastens,
die ein wirkliches Fasten sind, ein Fasten, das Gott gefällt. Und die
Hinweise, die er gibt, die Handlungsimpulse, die er nennt, sind ganz
konkret und praktisch: Zum Beispiel: Der Unterdrückung ein Ende
machen; auf niemanden mit dem Finger zeigen, niemanden verleumden, sich
den Verwandten nicht entziehen, das Brot mit dem Hungernden teilen, den
Nackten bekleiden und den, der kein Obdach hat, ins Haus aufnehmen.
Mir fällt auf,
dass diese Handlungsimpulse ganz stark den Kriterien ähneln, die Jesus
in der Gerichtsrede (Mt 25) aufstellt und nach denen wir einst von Gott
gefragt und beurteilt werden.
Auch dort
ist es die Liebe, auf die es kommt und die letzten Endes zählt. Was wir
dann einem der Geringsten unserer Schwestern und Brüder getan haben, das
haben wir IHM getan.
Christsein, liebe Schwestern und Brüder,
das will und kann uns der kritische Prophetentext sagen, Christsein darf
sich nicht auf Gebet und Gottesdienst, Wallfahren und religiöse
Feiertage beschränken. Es muss sich auswirken auf den Alltag, auf den
Umgang miteinander, auf das Leben in Beruf und Familie und soll sich
dort bewähren.
Sehen Sie, liebe Mitchristen,
es geht nicht um Ungerechtigkeit und Unterdrückung in China, im Irak,
nicht durch irgendwelche Diktatoren in Lateinamerika oder Afrika.
Ungerechtigkeit und Unterdrückung bei uns und durch uns in unserem
alltägl. Leben.
Zum Beispiel:
Dem anderen das Leben schwer machen, ihn missachten, ihn an den Rand
drängen, klein halten, ihm keinen Erfolg lassen, ihn nicht zu Wort
kommen lassen, ihm keine Chance geben. Das – und manches andere mehr –
sind ganz infame und subtile Formen der Unterdrückung.
Und darauf verzichten,
liebe Mitchristen, dazu gehört oft mehr Selbstüberwindung als am Freitag
kein Fleisch und stattdessen Fisch zu essen. Solches Fasten ist mehr als
Kalorienzählen.
Also
nicht nur Kampf der Esssucht, sondern auch und zuerst Kampf der
Ichsucht!
Liebe
Schwestern und Brüder!
Was der
Prophet vor 2.500 Jahren den Frommen gesagt hat, das hat nichts an
Aktualität eingebüßt. Es ist auch heute noch gültig.
Jesaja will auch uns daran erinnern,
dass Fasten eine Haltung ganz besonders fördern will, nämlich
Liebe, die praktische, tätige, konkrete Nächstenliebe. Fasten
ohne Liebe wird heuchlerisch und findet bei Gott kein Gefallen. Fasten, das den Mitmenschen aus dem Blick verliert, ist vor Gott
nicht viel wert, es bleibt unfruchtbar. Fasten aber, das uns
aufschließt für Gott und den Nächsten, ist ein rechtes Fasten in
den Augen Gottes, ein Fasten, das Gott gefällt
Am Schluss der Lesung
bringt der Prophet herrliche Bilder, Hoffnungsbilder, Bilder des
Friedens und des Glücks. Sie wollen zeigen, was geschieht, wo Menschen
fasten wie Gott es liebt.
Da
geschieht nämlich Wunderbares:
„Dann
geht im Dunkeln dein Licht auf, und deine Finsternis wird hell wie der
Mittag. – Der Herr wird dich immer führen, auch im dürren Land macht er
dich satt u. stärkt deine Glieder. – Du gleichst einem bewässerten
Garten, einer Quelle, deren Wasser niemals versiegt.“
Leid und Sorge,
Krankheit und Not relativieren sich, sie werden erträglich, wo jemand
nicht nur sich selbst im Blick hat und um sich selber kreist, sondern
über den eigenen Tellerrand hinausblickt, wo jemand den puren Egoismus
hinter sich lässt und sich öffnet für den Menschen neben sich, wo jemand
Zeit und Ohr und eine helfende Hand für den Mitmenschen hat.
Und da
– das ist das Schönste, das ist tröstlich – da, so der Prophet Jesaja,
da ist Gott gegenwärtig, da spricht Gott: „Hier bin ich!“
– Und so bewahrheitet sich: „Ubi Caritas et amor, deus ibi est.“ Wo Güte und Liebe, da ist Gott. |