Evangelium
Dein Vater, der das
Verborgene sieht, wird es dir vergelten
+
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit sprach
Jesus zu seinen Jüngern:
1Hütet
euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zu tun, um von ihnen gesehen
zu werden; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu
erwarten.
2Wenn
du Almosen gibst, posaune es nicht vor dir her, wie es die Heuchler in
den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu
werden! Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.
3Wenn
du Almosen gibst, soll deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte
tut,
4damit
dein Almosen im Verborgenen bleibt; und dein Vater, der auch das
Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
5Wenn
ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler! Sie stellen sich beim Gebet
gern in die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten
gesehen werden. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits
erhalten.
6Du
aber, wenn du betest, geh in deine Kammer, schließ die Tür zu; dann bete
zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das
Verborgene sieht, wird es dir vergelten.
16Wenn
ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler! Sie geben
sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten.
Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten.
17Du
aber, wenn du fastest, salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht,
18damit
die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der im
Verborgenen ist; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir
vergelten.
Die Asche gibt diesem Tag den Namen, die Asche, Zeichen
der Vergänglichkeit und der Buße. Mit diesem Tag beginnt die österliche
Bußzeit.
„Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum
Staub zurückkehren wirst!“ – Dieses ernste Wort wird dem
zugesprochen, der die geweihte Asche auf sein Haupt empfängt. Es
erinnert an das Gotteswort bei der Austreibung aus dem Paradies (Gen 3,
19). – Beim Bestreuen der Asche in Kreuzesform kann auch alternativ der
Bußruf Jesu gesprochen werden: „Bekehrt euch und glaubt an das
Evangelium" (Mk 1, 15).
Dieses eindrucksvolle Zeichen entstammt einem Ritus, der
schon in sehr früher Zeit bei den öffentlichen Sündern angewandt wurde.
Zu Beginn der Vierzig Tage erhielten sie ein Bußgewandt, wurden mit
Asche bestreut und – bis zum Ende der Bußzeit – aus der Eucharistiefeier
ausgeschlossen.
Diese öffentliche Buße war verpflichtend bei bestimmten
schweren Verfehlungen. Jedoch waren die Büßer nicht einfach der Schande
preisgegeben. Denn an dem, der den Ruf zur Umkehr gehört hatte und Buße
tat, wurde ja schon Gottes Barmherzigkeit offenbar.
Als am Ende des ersten Jahrtausends diese Art der
öffentlichen Buße erlosch, hat man den Ritus der Bestreuung mit Asche an
allen Gläubigen vorgenommen. Gerade in diesen heiligen Vierzig Tagen ist
jeder zu Umkehr und Buße gerufen.
Das Fasten – heute noch am Aschermittwoch und Karfreitag
verpflichtend – verbunden mit Gebet und Werken der Nächstenliebe, ist
ein bleibendes Merkmal der österlichen Bußzeit. Darum zeigt das
Evangelium vom Aschermittwoch mit so großem Ernst, dass Almosengeben,
Beten und Fasten im Geiste Christi von jedem Christen getan werden
sollen.
Christliches Fasten unterscheidet sich im Beweggrund und
Sinn wesentlich vom heute modernen Gesundheitsfasten und erst recht von
Schlankheitskuren.
Das Fasten des Leibes und das In-Zucht-Nehmen der Sinne
und des Herzens, wie die christliche Lebenslehre es nahelegt, hält die
Sünde nieder, befreit den Menschen und macht ihn empfänglich für das
Heil. Solche Entsagung mindert in uns die Selbstsucht und öffnet unser
Herz für die Armen. – Darum hat Gott schon im Alten Bund sein Volk
ermahnt: „Das ist ein Fasten wie ich es liebe: an die Hungrigen dein
Brot austeilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufnehmen, wenn du einen
Nackten siehst, ihn bekleiden und dich deinen Verwandten nicht
entziehen.“ (Jes 58, 6 - 7)
Ein anderes Kennzeichen der österlichen Bußzeit ist das –
oft vergessene – bewusste Leben aus der Gnade der Taufe. Wohl noch
ursprünglicher mit den Vierzig Tagen verbunden als die öffentliche Buße
ist die Vorbereitung auf die Taufe in der Osternacht. Das Zweite
Vatikanische Konzil sah für die Erneuerung der Liturgie gerade dieses
Grundanliegen: das christliche Leben als Frucht der Taufe neu bewusst zu
machen.
Christliches Leben ist ja nicht Gesetzlichkeit, sondern
Freiheit der Liebe, die aus der Gotteskindschaft erwächst und in der
Kraft des Heiligen Geistes Frucht bringt. Nur wer von der Taufe her
lebendig verbunden ist mit Christus, wie der Rebzweig mit dem Weinstock,
vermag so zu leben.
In der Liturgie der Fastenzeit führen viele Texte hin zum
Sakrament der Taufe. Ihre Auswahl geschah in den ersten Jahrhunderten,
als die Taufbewerber vor allem in diesen Vierzig Tagen auf die Taufe
vorbereitet wurden. Zu dieser Mitte des Glaubens führt auch heute die
österliche Bußzeit: zur Taufe, zur Erneuerung des Taufversprechens in
der Osternachtfeier.
Gott, du mahnst uns in dieser Zeit der Buße zum Gebet und
zu Werken der Liebe. Du rufst uns zur Feier der Geheimnisse, die in uns
die Gnade der Kindschaft erneuern.
Amen
|