Exerzitien mit P. Pius

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Bambusbaum und Weizenkorn

(5. Fastensonntag - Lesejahr B)

 

Ein Märchen aus China erzählt:

 

Es war einmal ein wunderschöner Garten, der lag im Westen des Landes, mitten in einem großen Königreich. Dort pflegte der Herr des Gartens in der Hitze des Tages spazieren zu gehen.

Ein edler Bambusbaum war ihm der schönste und liebste von allen Bäumen, Pflanzen und Gewächsen im Garten. Jahr für Jahr wuchs dieser Bambus und wurde immer anmutiger. Er wusste wohl, dass der Herr ihn liebte und seine Freude an ihm hatte.

Eines Tages näherte sich der Herr nachdenklich seinem geliebten Baum. Und in einem Gefühl großer Verehrung neigte der Baum seinen mächtigen Kopf bis zur Erde. Der Herr sprach zu ihm:

„Lieber Bambus, ich brauche dich.“

Es schien als sei der Tag aller Tage gekommen, der Tag, für den der Baum geschaffen worden war. Der Bambus antwortete leise: „Herr, ich bin bereit, gebrauche mich, wie du willst.“

„Bambus“, – die Stimme des Herrn war ernst, – „um dich zu gebrauchen, muss ich dich beschneiden!“ – „Mich beschneiden? Mich, den du Herr zum schönsten Baum in deinem Garten gemacht hast? Nein, bitte nicht! Verwende mich doch zu deiner Freude, Herr, aber bitte beschneide mich nicht!“ – „Mein geliebter Bambus“, die Stimme des Herrn wurde noch ernster, „wenn ich dich nicht beschneide, kann ich dich nicht gebrauchen.“

Im Garten wurde es ganz still. Der Wind hielt den Atem an. Langsam beugte der Baum seinen herrlichen Kopf. Dann flüsterte er: „Herr, wenn du mich nicht gebrauchen kannst, ohne mich zu beschneiden, dann tu mit mir, wie du willst und beschneide mich.“

„Mein geliebter Bambus, ich muss dir aber auch deine Blätter und Äste abschneiden.“ – „Ach, Herr, davor bewahre mich! Zerstöre meine Schönheit, aber lass mir doch bitte Blätter und Äste!“ „Wenn ich sie dir nicht abhaue, kann ich dich nicht gebrauchen.“

Die Sonne verdeckte ihr Gesicht. Ein Schmetterling flog ängstlich davon. Und der Bambus, zitternd vor Erwartung, sagte ganz leise: „Herr, schlage sie ab!“ – „Mein Bambus, ich muss dir noch mehr antun. Ich muss dich mitten durchschneiden und dein Herz herausnehmen. Wenn ich das nicht tue, kann ich dich nicht gebrauchen.“ – Da neigte sich der Bambus bis zur Erde. „Herr, schneide und teile!“

So beschnitt der Herr des Gartens den Bambus, hieb seine Äste ab, streifte seine Blätter ab, teilte ihn in zwei Teile und schnitt sein Herz heraus. Dann trug er ihn dahin, wo schon aus einer Quelle frisches, sprudelndes Wasser sprang, mitten in die trockenen Felder.

Dort legte der Herr seinen geliebten Bambus vorsichtig auf den Boden. Das eine Ende des abgeschnittenen Stammes verband er mit der Quelle, das andere führte er zu der Wasserrinne im Feld. Die Quelle sang ein Willkommen und das klare, glitzernde Wasser floss freudig durch den zerschlagenen Körper des Bambus in den Kanal. Es floss auf die dürren Felder, die so sehr darauf gewartet hatten.

Dann wurde der Reis gepflanzt. Die Tage vergingen. Die Saat ging auf, wuchs und die Erntezeit kam. So wurde der einst herrliche Baum wirklich zum großen Segen in all seiner Gebrochenheit und Demut. Als er noch groß und schön war, wuchs er nur für sich selbst und freute sich an der eigenen Schönheit. Aber in seiner Zerschlagenheit wurde er zum Kanal, den der Herr gebrauchte, um sein Reich fruchtbar zu machen.

Als der Bambus die reiche Ernte erblickte, sagt er lächelnd: „Es war doch gut, mich meinem Herrn nicht zu verweigern, sondern mich zur Verfügung zu stellen, mich in Dienst nehmen zu lassen und mich hinzugeben. Welch ein Reichtum wurde dadurch möglich, welch ein Segen!“

 

 

Nicht wahr, die Geschichte fängt so richtig schön an. Aber dann entpuppt sie sich als eine ganz grausame Erzählung, in der einer sein Leben verliert.

 

Dem Bambus wird immer deutlicher, was der Herr mit ihm vorhat. Er spürt das Einschneidende, das Wehtuende des Willens seines Herrn. Spontan wehrt er sich dagegen. Er möchte seine Schönheit bewahren. Er möchte sich entfalten, leben. Sogar Wind und Sonne und Schmetterlinge erschrecken angesichts dessen, was der Herr mit dem Baum vorhat.

Der Herr weiht den Bambus langsam, Stück für Stück in seinen Plan ein. Er weiß, dass der Bambus gern leben möchte und er rechnet damit, dass er sich sträubt. Doch mehr und mehr gibt der Bambus den Widerstand auf. Er versteht zwar nicht die Absicht seines Herrn, aber er willigt ein. Er fügt sich. Schließlich stellt er sich ihm ganz zur Verfügung.

 

Überraschend ist der Schluss der Geschichte. Es ist von Segen und einer reichen Ernte die Rede. Sie wurde dadurch möglich, dass der Bambus bereit war, sich hinzugeben, sich als Wasserleitung verwenden zu lassen bzw. Kanal zu werden und so letztlich zum Segen zu werden.

 

Erzählt Jesus im Evangelium (Joh 12, 24ff.) nicht eine ähnliche Geschichte, wenn auch viel knapper und kürzer, das Gleichnis vom Weizenkorn?

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“

Auch in diesem Bildwort ist von „Sterben“ die Rede und von „reicher Frucht“.

Jesus spricht hier von sich selbst. Er selbst ist das Weizenkorn. Doch das Gesetz des Weizenkorns gilt nicht nur für ihn, sondern für jeden, der ihm auf seinem Weg folgt. Es ist das Gesetz des christlichen Lebens. Und so fügt Jesus erklärend hinzu:

„Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.“

 

Es ist paradox und doch wahr:

Da, wo einer an sich selbst festhält, nur sich selbst im Blick hat, allzu ängstlich besorgt ist ums liebe Ich, in sich selbst verliebt, also letzten Endes durch und durch Egoist ist, da verspielt man sein Leben, da wird ein Mensch nie zufrieden und glücklich sein. Denn ein solches Leben ist letztlich nicht erfüllend.

Da aber, wo jemand nicht fixiert ist bloß auf sich, wo jemand über den eigenen Gesichtskreis hinaussieht und auch einmal über den eigenen Schatten springt; wo jemand nicht nur seinen eigenen Vorteil sucht und die eigenen Schäfchen ins Trockene bringen will; wo jemand nicht auf Biegen und Brechen nur auf sein eigenes Fortkommen bedacht ist; wo also jemand nicht immer nur krampfhaft festhält, sondern auch von sich absehen und loslassen kann, da wächst ihm etwas zu, da wird das Leben reicher, erfüllter. Es macht Sinn.

 

Vielleicht haben wir schon einmal die Erfahrung des „Sterbens“ ähnlich dem Bambus gemacht oder die Erfahrung des Weizenkorns. Das muss gar nichts Besonderes und Spektakuläres sein, sondern in ganz alltäglichen Situationen.

Zum Beispiel: wo ich mich einmal nicht in den Mittelpunkt gestellt habe, wo ich den unteren Weg gegangen bin; wo ich das Mühevollere statt des Bequemeren getan habe; oder mich – wie der Bambus – brauchen ließ, statt stur mich selbst zu behaupten und meiner eigenen Selbstverwirklichung nachzugehen.

Vielleicht haben wir da gespürt, dass es das Richtige war. Vielleicht haben wir die Erfahrung gemacht, die der heiligen Franziskus in folgende Worte fasst: „Wer hingibt, der empfängt; wer sich selbst vergisst, findet.“

 

Das Gesetz des Weizenkornes nicht nur theoretisch zu verstehen, sondern auch zu akzeptieren und nachzuvollziehen, ist gewiss nicht leicht. Der Weg dahin kann sehr schwer sein und unter Umständen viel von einem verlangen.

 

Der Blick auf Jesus, der uns vorausgegangen ist, kann uns ermutigen. Jesus starb als Weizenkorn. Er gab sich hin um unsretwillen. Er entäußerte sich bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Sein Tod verwandelte sich in Auferstehung und Leben, Leben für jeden Menschen.

Eine solche Lebenshaltung – wie wir sie bei Jesus sehen – ist beeindruckend, aber sie erschreckt auch. Wer kennt nicht die Angst, sich selbst zu verlieren, die Angst, zu kurz zu kommen, die Angst mit leeren Händen da zu stehen?

 

Doch glauben wir nicht, dass es für Jesus leicht war! Es gibt auch bei ihm die Erschütterung seiner Seele, die Angst vor der Verlassenheit, die schreckliche Angst vor dem Sterben und vor dem Tod: „Meine Seele ist erschüttert... Vater, rette mich aus dieser Stunde!“ Es ist ein Ringen, ein Sich-durch-Ringen – am Ölberg unter Blutschweiß und Schmerzen – zum Ja, zum „Nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ - „Vater, verherrliche deinen Namen.“

 

Ein tröstliches Wort, eine wunderbare Verheißung steht am Ende des heutigen Evangeliumsabschnittes: „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“

 

In diesen Wochen der Passions- und Osterzeit begegnet uns Jesus am Kreuz erhöht. Es ist sein Martyrium und seine Verherrlichung zugleich. Hier erweist er uns seine grenzenlose Liebe. Hier hat er alles gegeben: seinen Henkern die Vergebung, dem Räuber an seiner Seite das Paradies, uns allen seine Mutter, sowie seinen Leib und sein Blut, ja sein ganzes Leben, damit wir leben, damit wir Leben haben und es in Fülle haben.

„Geheimnis des Glaubens: im Tod ist das Leben.“

 

So wollen wir füreinander beten, dass wir in der Nachfolge Jesu und als seine Jünger und Jüngerinnen die Kraft haben, unser Leben einzusetzen wie ein Weizenkorn und reiche Frucht bringen.

 

Wir wollen darum beten, dass wir immer wieder bereit sind, uns in Dienst nehmen zu lassen wie der Bambus und so zum Segen zu werden für unsere Schwestern und Brüder.

 

Und wir wollen Gott danken, wenn wir auf diesem Weg der Hingabe – vielleicht ganz anders als erwartet – jetzt schon Freude und Erfüllung erfahren dürfen und einst die ewige Glückseligkeit erlangen.

Denn je mehr Liebe wir verschenken, umso reicher ist unser eigenes Herz. Und der Himmel Gottes ist in uns, sein Friede lebt in uns, seine Gegenwart erfüllt uns, jetzt und immer.

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