ERSTE LESUNG
Bahnt
für den Herrn einen Weg!
Lesung
aus dem Buch Jesaja
1Tröstet,
tröstet mein Volk, spricht euer Gott.
2Redet
Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende
geht, dass ihre Schuld beglichen ist; denn sie hat die volle Strafe
erlitten von der Hand des Herrn für all ihre Sünden.
3Eine
Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der
Steppe eine ebene Straße für unseren Gott!
4Jedes
Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist,
soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben.
5Dann
offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie
sehen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.
9Steig
auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit
Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich
nicht! Sag den Städten in Juda: Seht, da ist euer Gott.
10Seht,
Gott der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm. Seht, er
bringt seinen Siegespreis mit: Alle, die er gewonnen hat, gehen vor ihm
her.
11Wie
ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker
Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er
behutsam.
EVANGELIUM
Bereitet dem Herrn den Weg!
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Markus
1Anfang
des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes:
2Es
begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten
vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen.
3Eine
Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die
Straßen!
4So
trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und
Taufe zur Vergebung der Sünden.
5Ganz
Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten
ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen.
6Johannes
trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine
Hüften, und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.
7Er
verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es
nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren.
8Ich
habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen
Geist taufen.
„Wir machen den Weg frei.“ –
Wahrscheinlich kennen Sie diesen Slogan, mit dem eine Bank Werbung
macht.
„Wir machen den Weg frei.“
Das soll
heißen: Wir machen es möglich. Wir räumen die Steine aus dem Weg, wir
machen das Krumme gerade und das Holprige eben. Wir beseitigen alle
Hindernisse. Mit uns und als Kunde von uns gelangen Sie auf einen guten
Weg. Sie kommen schnell voran. Sie erreichen einfach und unkompliziert
ihre Ziele. – Im Grunde genommen verspricht das besagte Kreditinstitut
Leichtigkeit, Zufriedenheit, Wohlstand und Glück.
Natürlich wissen wir
„Geld allein macht nicht glücklich“.
Und freie
Bahn haben und freie Fahrt ist zwar schön, aber im wirklichen Leben doch
eher selten. Die Realität sieht oft anders aus. Die Wege des Lebens und
die Straßen der Welt sind gar nicht immer so gerade, so einfach, gar
nicht so problemlos, sorgenfrei und unbeschwert, wie der Slogan der Bank
das suggeriert und verheißt.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Im
Evangelium haben wir einen Satz gehört, der so ähnlich klingt wie der
Slogan der Bank: „Bereitet dem Herrn den Weg!“
Der Unterschied: Einmal heißt es:
„Wir machen den Weg frei!“
Das ist
eine Ankündigung, ein Versprechen. Wir machen das! Und dazu ist gedacht:
Für dich, für euch. Ihr müsst euch gar nicht selbst mühen und
anstrengen. Wir machen das.
Das andere Mal
sind wir selbst aufgefordert, den Weg frei zu machen, ihn zu bereiten.
Und dann auch nicht für uns selbst, damit wir zügig vorankommen und
schnell das Ziel erreichen, sondern IHM. Dem Herrn sollen wir den Weg
bereiten.
„Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straße!“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Das
Evangelium legt diesen Ruf: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm
die Straße!“ Johannes dem Täufer in den Mund, dem Rufer in der
Wüste, der sich selbst in der Rolle des Wegbereiters sieht. – Doch
ursprünglich ist es ein Wort des Propheten Jesaja. Wir haben es in der
Lesung gehört. Und bei ihm ist es gemünzt auf Israel, das auserwählte
Volk.
Dieses Volk
befindet sich in der Verbannung, im Exil. Es wurde in das ferne,
heidnische Babylon verschleppt. Die heilige Stadt Jerusalem ist
zerstört, der prächtige Tempel liegt in Trümmern.
Ein Ende
der Not und Schmach ist nicht abzusehen, die Lage ganz und gar
hoffnungslos, die Zukunft völlig im Dunkeln.
Viele
hatten auch den Glauben an Gott verloren, den Glauben daran, dass Gott
da ist, dass er alle Wege mitgeht, dass er sein Volk liebt und alles zum
Guten wenden kann.
In dieser Situation
ist die Botschaft des Propheten wie ein Licht in der Nacht: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! – Der
Herr selbst wird kommen und euch retten.“
Er kommt
und führt euch wieder heim. Er hat euch nicht vergessen. Gott ist treu.
Er war und ist immer bei euch.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Jesaja
muss ein sehr gläubiger Mensch gewesen sein, ein unerschütterlich
hoffender und vertrauender Mensch.
Wie hätte
er sonst in dieser ausweglosen Situation solchen Trost und solche
Hoffnung zusprechen können?
Dieses
gläubige Vertrauen hat seinen tiefsten Grund in der Gewissheit, dass
Gott nicht Untergang und Verderben will, sondern Rettung, Zukunft und
Heil.
So wie
Gott einst sein Volk aus der ägyptischen Knechtschaft befreit hat, so
wird er es auch jetzt aus der babylonischen Gefangenschaft in die
geliebte Heimat zurückführen.
Eine Stimme ruft: „Bahnt dem Herrn einen Weg in
der Wüste!“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Diese
Aufforderung des Propheten Jesaja an sein Volk hat Johannes der Täufer
aufgegriffen und angewandt auf sich, auf Jesus, den kommenden Messias
und das Volk Israel damals.
Heute
gilt diese Aufforderung uns, liebe Schwestern und Brüder!
Auch wenn
tausende von Jahren dazwischen liegen, die Worte und Bilder des
Propheten Jesaja und Joh. d. Täufers haben nichts an Aktualität
eingebüßt. – Auch wenn wir nicht „weinend an den Flüssen von Babylon“
sitzen oder in der Schlange der Büßenden am Jordanufer stehen. – Wir
hören sie im Hinblick auf das nahe Kommen Gottes im Geheimnis seiner
Menschwerdung. – Wir wollen und sollen uns in diesen Tagen des Advents
dafür bereiten, IHM den Weg bereiten, den Weg frei machen.
„Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!“
Wie kann
das geschehen? Ein paar Hinweise:
Wir
neigen heute dazu, in einer gewissen Geschäftigkeit und Umtriebigkeit
aufzugehen und verlieren nur allzu leicht uns selbst dabei.
Sich bereiten, kann heißen:
Sich
nicht abhetzten, die kommenden Tage nicht zu voll packen. Bereit
sein in wachsamer, achtsamer Innerlichkeit.
Sich bereiten,
kann heißen:
Im Alltag
Inseln der Ruhe zu schaffen, Momente der Stille, die zur Begegnung mit
uns selbst und zu Gott führen.
Sich bereiten,
kann geschehen:
Mal
innehalten. Sich besinnen. Wo lauf ich hin? Was suche ich? Was treibt
mich um? Wenn nötig, die Richtung ändern. Umkehren, wenn man sich auf
verkehrten Wegen befindet.
Sich bereiten,
kann heißen:
Um-sinnen,
positiv denken. Nicht alles negativ sehen, nicht nur kritisieren,
lamentieren. Mit Lob und Anerkennung nicht geizen. Das Danken nicht
vergessen.
Sich bereiten
kann heißen:
Geduld
haben, friedfertig sein, niemanden kränken, keinem zu leide leben,
verzeihen, sich versöhnen, einander den neuen Anfang schenken.
Sich bereiten,
kann heißen:
Gott
loben, ihn preisen, ihm danken. Also sich Zeit nehmen für Gebet, für
Meditation, für den Gottesdienst.
Sich bereiten,
kann heißen:
ganz
konkret: Die täglichen Gebete, das Morgen- und Abendgebet, als
Angelpunkte des Tages wahrnehmen. Vielleicht das Tischgebet wieder
pflegen. Oder das Gebet des „Engel des Herrn“ sich wieder zu eigen
machen und dabei der Menschwerdung Gottes gedenken.
Sich bereiten,
kann heißen:
Werke der
Liebe üben. Einen Besuch machen, Zeit haben, zuhören, Freude schenken,
ein Segen sein. Die Menschen nicht vergessen, die Hilfe brauchen.
Auf diese
und noch manch andere Weise können wir den Weg frei machen für das
Kommen Gottes.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Das ist
die Botschaft des Advent und dann auch der Weihnacht: „Gott selbst
wird kommen und uns retten.“ – Es liegt ihm an uns. Er vergisst uns
nicht. Gott ist verlässlich und er ist treu.
Und er
ist schon gekommen im Kind von Bethlehem. Und immer neu kommt er zu uns
und schenkt sich uns in hl. Kommunion.
Und
allezeit will er Wohnung nehmen in unserem Herzen.
Halten
wir den Weg frei für ihn! Öffnen wir die Türen dem Erlöser!
„Wäre Christus (nämlich) tausendmal in Bethlehem geboren“,
so ein berühmtes Wort von Angelus Silesius, „und nicht in dir, du
wärst noch ewiglich verloren.“
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