Von Jahr zu Jahr, so kommt mir vor, gehen wir
ratloser auf Weihnachten zu. – Fast jeder stöhnt über den gewaltigen Betrieb,
klagt über steigende Arbeitsflut, über das, was er noch alles machen und
erledigen muss: kaufen, schenken, putzen, backen, schreiben. Und eine
Weihnachtsfeier jagt die andere.
Jemand sagte neulich: „Die Adventszeit ist zur
Rennstrecke des Jahres geworden.“ – Und eine Gemeindereferentin meinte:
„Für mich beginnt Weihnachten am 27. Dezember. Bis dorthin ist eine gnadenlose
Zeit.“
– Ob das so sein muss?
Manche versuchen auszubrechen. Den wenigstens
gelingt’s.
Die meisten machen mit, rennen mit, hasten mit,
fast wie verrückt.
In diese nervenaufreibende, atemverschlagende und
stressstrapazierte Zeit tönen die Worte des Rufers in der Wüste:
„Bereitet dem Herrn den Weg!“
Wem dienen unsere Weihnachtsvorbereitungen?
Bereiten wir mit all unserem vorweihnachtlichen
Tun IHM den Weg?
Werden wir an Weihnachten mit dem bereiten
Gabentisch auch ein bereites Herz haben? Wenn die Kerzen am Christbaum brennen,
wird Christus uns auch innerlich erleuchtet finden?
Ist der 24. Dezember Schlusspunkt einer
fruchtbaren inneren Vorbereitung?
Im Tagesgebet der hl. Messe heute heißt es: „Lass nicht zu, dass irdische Aufgaben und Sorgen uns hindern, deinem Sohn
entgegenzugehen!“
BEREITET DEM HERRN DEN WEG!
Wie kann das geschehen? Was sollen wir tun?
Ich möchte ein paar ganz praktische Anregungen geben:
1.
STILLE
Wir müssen versuchen, den letzten Rest der Stille
zu retten, die zum Advent gehört. Das heißt ganz konkret: Lärm vermeiden und
Lärmquellen abschalten!
Wenn wir laut sind, ist
Gott nicht noch lauter. Doch darf die Stille nicht nur äußerlich sein. Wirkliche
Stille bedeutet, dass auch die Gedanken, die Gefühle, das Herz zur Ruhe kommt.
Da brodelt’s ja manchmal in uns, es gärt und wir sind aufgewühlt, angespannt.
Stille muss im Innern
herrschen und immer tiefer in uns hineinsinken. – Stille ist die erste
Voraussetzung für jedes heilige Geschehen und jedes heilige Tun. Echte Stille
ist wach, lauschend und voller Bereitschaft. Stille ist der Nährboden für ein
aufmerksames Hören und eine gesunde Selbstfindung.
Meister Eckhard sagt: „Ich will
sitzen und schweigen und hören, was Gott in mir redet.“
Und Edith Stein: „Wir bedürfen der Stunden in denen wir schweigend lauschen und
das göttliche Wort in uns wirken lassen.“
Ohne Stille, ohne
Schweigen, ohne Sammlung und Ruhe gleichen wir einem Acker, der ständig Frucht
tragen muss, der nie eine Brachzeit bekommt. Über kurz oder lang ist er
erschöpft und ausgelaugt. Also die Stille suchen!
Ja, wir müssen sie
suchen. Wir müssen dafür sorgen, Stille schaffen, wenn wir nicht innerlich
zerrissen und kaputt an Weihnachten ankommen wollen.
Friedrich
Nietzsche hat einmal gesagt: „Die größten
Ereignisse sind nicht die lautesten, sondern unsere stillsten Stunden.“
Ein geistliches Wort
lautet: „Hüte die Stille und die Stille wird dich hüten.“
Die Stille des Herzens
ist der Raum der Gottesbegegnung.
2.
LESEN
Fragen wir uns einmal ganz ehrlich: Was
lese ich alles im Laufe einer Woche? Und wieviel und was schaue ich alles im
Fernsehen? Wieviel Belangloses, Nichtsnutziges? Wieviel davon ist überflüssig,
vielleicht sogar Mist und Schund? Und wieviel Zeit verwende ich für
Wesentliches, für Bücher, die vom Wichtigsten sprechen? – Wieviel Zeit verwende
ich für das Buch der Bücher? Wann habe ich die Heilige Schrift zum letzten Mal
in die Hand genommen? – Wie wär’s, wenn wir z.B. an jedem Tag dieser
Adventswochen einen kleinen Abschnitt aus der Kindheitsgeschichte Jesu im
Lukasevangelium lesen?
Aber nicht so lesen, wie wir es tun, wenn wir in
einer Modezeitschrift oder einem Sportmagazin lesen; nicht nur lesen, um uns zu
informieren, sondern mit offenem Herzen, im Verlangen des Geistes, mit Andacht
und Ehrfurcht vor dem Wort Gottes.
So lesen, dass mir aus den Worten die lebendige
Wirklichkeit entgegenkommen kann. Immer wieder innehalten, das Wort Gottes
nachklingen und einsickern lassen, das göttliche Wort in mir wirken lassen,
verkosten auskosten. Bei dem Wort, bei dem Vers, bei der Szene verweilen, wo
mich etwas berührt, wo ich Betroffenheit spüre. – So lesen, dass Vertrauen
wachsen kann und zum Herrn eine Beziehung entsteht. So lesen, dass ER mir
aufgeht, klar wird, einleuchtet: Sein Wesen, sein Tun, sein Schicksal, seine
Gesinnung, sein Beispiel.
D. Bonhoeffer schrieb im August 1944 von den Nazis inhaftiert: „Wir müssen uns immer wieder sehr lange und sehr ruhig
in das Leben, Sprechen, Handeln, Leiden und Sterben Jesu versenken, um zu
erkennen, was Gott verheißt und erfüllt.“
Von Heinrich Spaemann stammt das Wort: „Was wir vor Augen haben, das prägt uns, dabei werden
wir verwandelt und wir kommen, wohin wir schauen.“
3. BETEN
Der Advent ist ganz
wesentlich eine Zeit des Gebetes. Die Nähe Gottes suchen im Gebet. Gern und oft
in seiner Gegenwart verweilen. Sich IHM öffnen, sich IHM hinhalten und alles zu
IHM hintragen, den Lebensrucksack immer wieder einmal bei ihm abstellen, der
Seele eine Atempause gönnen, ausruhen am Herzen Gottes.
„Kommt alle zu
mir“, sagt Jesus, „die ihr
euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt! Ich will euch Ruhe verschaffen.“
Zum Beten genügen
einfache Worte. Es braucht nicht viel. Es geht nicht darum, etwas zu leisten
oder ein Pensum abzuhaken. Beten ist gar nicht in erster Linie ein Tun und
Machen, sondern ein Geschehen lassen. Wenn wir beten, sollten wir daran denken,
dass wir zwei Ohren haben und einen Mund. Das heißt.: Unser Beten soll mehr ein
Hören sein als ein Sprechen, Hören auf Gott, hören auf die göttliche Stimme in
uns.
Der Pfarrer von Ars beobachtete über
längere Zeit einen Bauer in seiner Kirche. Es fiel ihm auf, dass kein Rosenkranz
durch seine Finger glitt, auch hatte er kein Gebetbuch in seinen Händen.
Eines Tages fragte er ihn, was er da mache. Der
Bauer sagte: „Ich schaue Gott an und Gott schaut mich an.“ Das finde ich
wunderbar. Nichts müssen. Kein Druck. Kein Soll erfüllen. Einfach dasein, still
werden, zur Ruhe kommen, eintauchen in seine Gegenwart, sich IHM anvertrauen,
sich in Gott hineinlegen wie in eine große Hand.
Eine sehr schöne Definition von Gebet findet sich
bei Theresia von Avila:
„Beten ist meiner Meinung
nach nichts anderes als das Verweilen bei einem Freund, mit dem wir gern und oft
zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir wissen, dass er uns liebt.“
4. SICH ERNEUERN
„Metanoeite!“
– „Sinnt um, kehrt um“, ruft uns der Täufer aus der Wüste zu. – „Umkehren“, werden Sie vielleicht denken,
„ich“?
Bin ich nicht recht? Mein
ich’s nicht gut? Übertreibt da der Bußprediger aus der Wüste nicht ganz
gewaltig? Oder meint er vielleicht die anderen?
Franz Alt hat einmal gesagt: „Die eigentliche
Sünde unserer Zeit ist fehlendes Sündenbewusstsein, mangelnde Sensibilität
gegenüber dem Bösen. Viele schmerzt nicht mehr, was sie falsch machen oder
falsch gemacht haben.“
Johannes der Täufer
rief zur Umkehr. Aus ganz Judäa und alle Bewohner von Jerusalem gingen zu ihm
hinaus und bekannten ihre Sünden. – Kehren wir um oder kehren wir nur unter den
Teppich?
Kehren wir auch vor der eigenen Haustür oder
kehren wir immer nur bei den Andern?
Die Adventszeit ist eine besondere Zeit
des Heiles, eine Zeit der Besinnung und Umkehr. Wäre es nicht heilsam und gut,
wenn unser Bemühen einmünden und aufgipfeln würde in einer guten Beichte? –
Wieder einmal reinen Tisch machen, ausräumen.
Alle Not, alle Last, alle Schuld IHM geben, in
seine Hände legen! Und Gottes Hände sind gute Hände, heilende Hände. Alles in
seine Barmherzigkeit geben, seine verzeihende Liebe erfahren.
Von Martin Buber stammt das Wort: „Die große Schuld des Menschen sind nicht die Sünden, die er begeht – die
Versuchung ist mächtig und seine Kraft gering! – Die große Schuld des Menschen
ist, dass er in jedem Augenblick die Umkehr tun kann und nicht tut.“
Johannes Paul II. hat einmal gesagt: „Die Beichte ist der Ort, wo das Elend und die Schwäche des Menschen der
barmherzigen Liebe Gottes begegnet.“
Im Sakrament der Versöhnung spricht Gott das
Wort, das aufrichtet, das tröstet, das befreit. Und er gewährt uns den neuen
Anfang. Das tut gut, das erleichtert. Und es schenkt neue Freude.
5. LIEBE ÜBEN
Weihnachten ist das Fest der Liebe. Die
Adventszeit dient der Vorbereitung auf dieses Fest. In den Wochen des Advent
gehen wir sozusagen einen Übungsweg. Dazu gehört auch: Liebe üben, Geduld haben,
Verzeihung schenken, jeden Tag neu.
„Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“
sagt Jesus.
Liebe üben, nicht bloß in
Worten, sondern in Tat und Wahrheit.
Wir wollen und sollen es zunächst dort tun, wo
wir stehen, den Menschen gegenüber, mit denen wir es zu tun haben.
Vielleicht könnte ich in diesen Tagen jemandem
schreiben oder einen Besuch machen, der nicht damit rechnet, oder sonst eine
Freude machen.
Von diesem nächsten Bereich um uns herum soll
sich die Liebe dann auch zu jenen ausbreiten, die wir nicht persönlich kennen,
von deren Armut und Not wir aber erfahren.
Vielleicht kann sich unsere Solidarität mit ihnen
in einem großzügigen Adveniatopfer zeigen.
Johannes der Täufer ruft uns zu: „Kehrt um! Bereitet dem Herrn den Weg!“ – Beherzigen wir seinen Umkehrruf!
Er ist heute so aktuell wie damals.
Nutzen wir den Advent!
Wie schnell ist er um!
Bitten wir Gott, dass „irdische
Aufgaben und Sorgen uns nicht hindern, Jesus Christus entgegenzugehen“.
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