Evangelium
Eure Erlösung ist nahe
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Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit sprach Jesus zu
seinen Jüngern:
25Es
werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde
werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des
Meeres.
26Die
Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den
Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
27Dann
wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und
Herrlichkeit.
28Wenn
dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung
ist nahe.
34Nehmt
euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz
nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht
35wie
eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen.
36Wacht
und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen
und vor den Menschensohn hintreten
könnt!
Vor drei Tagen war ich in der
Innenstadt von München. Weihnachtsmärkte laden ein zum Verweilen und zum Kaufen.
Lichterketten schmücken die Straßen und die Häuser. Die Schaufenster sind
festlich dekoriert. Hier und da klingt schon „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“
aus den Lautsprechern der großen Kaufhäuser. Der Advent hat begonnen. Und es
geht mit schnellen Schritten Weihnachten entgegen.
Ganz anders klingt es heute im
Evangelium. Da heißt es z.B.: „Die Menschen werden vor Angst vergehen in der
Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels
werden erschüttert werden.“
In diesen Worten ist nichts zu
spüren von Adventsromantik, von Plätzchenduft oder Lichterglanz. Von wegen
Vorfreude auf Weihnachten. Im Gegenteil; Wir hören von Weltuntergangsstimmung
und Angst. Wir hören den mahnenden Ruf Jesu, wachsam zu sein, damit wir nicht im
Getriebe der Welt zerrieben werden. Wir werden ermahnt, uns nicht so sehr in den
Sorgen und Mühen des Alltags zu verstricken, damit uns der Tag der Erlösung
nicht unvorbereitet antrifft.
Aber ehrlich gesagt: Ist unser
Leben nicht doch manchmal wirklich so, wie es im Evangelium geschildert wird?
Ja, unsere Welt wird erschüttert, immer wieder – im Großen und im Kleinen.
Naturkatastrophen, Kriege … Aber auch die vielen kleinen persönlichen
Erschütterungen unseres Lebens. Wir merken immer wieder: wir können nicht alles
machen. Und oft sind wir den Ereignissen hilflos ausgeliefert.
Menschen, die ihr Vermögen in
scheinbar sicheren Aktien angelegt haben, verlieren buchstäblich über Nacht
einen Großteil ihres Vermögens. Menschen, die scheinbar in sicheren
Arbeitsverhältnissen stehen, werden von heute auf morgen entlassen, stehen mit
ihren Familien vor dem Nichts. Menschen befinden sich im Ski-Urlaub und werden
von einer Lawine verschüttet. Andere sterben durch Terroranschläge oder werden
als Geiseln genommen. Ein Mensch, der eben noch mit uns geredet und gelacht hat,
wird uns durch einen plötzlichen Tod entrissen. Jeder von uns, wenn er
aufmerksam auf das Leben ist, weiß und erlebt, dass wir nicht alles selbst
machen können, dass wir im Letzten nicht die Kontrolle über unser Leben haben.
Advent heißt Ankunft. Die Zeit des
Advents, das ist die Zeit des Wartens auf die Ankunft Gottes in unsere Welt, in
unserem Leben in dreifacher Hinsicht:
Zuerst die Ankunft des Messias,
die wir Christen vor 2000 Jahren in Betlehem geschehen glauben. – Dann die
Erwartung des Kommen Gottes am Ende der Zeit. Und schließlich aber auch das
Rechnen damit, dass Gott auf mich zukommt, immer wieder, in meinem alltäglichen
Leben.
Die Frage ist: Rechnen wir mit dem
Kommen Gottes in unserem Leben? Hier und heute in diesem Gottesdienst, zu Hause,
in der Familie, in der Schule, bei der Arbeit? Spielt Gott in unserem Leben
überhaupt eine Rolle?
Für viele Zeitgenossen hat Gott
kaum noch oder gar keine Bedeutung. Sie kommen, so meinen sie, auch ohne Gott
zurecht? Man braucht nichts mehr von Gott zu erwarten, da man ja alles von sich
selbst erwartet.
Advent, das ist die Zeit, die uns
helfen soll, wieder neu aufmerksam zu werden auf unser Leben und auf Gott in
unserem Leben. Es ist die Zeit, die uns helfen soll, die Barrieren, die das
Kommen Gottes in unserem Leben verhindern, wegzuräumen.
Wer so mit Gottes Ankunft rechnet,
der braucht sich nicht von Angst und Verzweiflung niederdrücken lassen. Jesus
sagt: Einer, der noch mit Gott rechnet, in dessen Leben Gott eine Rolle spielt,
der kann sich aufrichten, denn er weiß, auch wenn alles in seinem Leben drunter
und drüber geht: die Erlösung ist nahe. – In diesem Sinne wünsche ich uns allen
eine besinnliche, aber auch nüchterne und wachsame Adventszeit.
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