Johannes der Täufer mit dem ausgestreckten überlangen Zeigefinger: Wer
kennt nicht das Bild von Matthias Grünewald auf dem weltberühmten
Isenheimer Altar?
Doch
wer ist er, der mit überlangem Finger auf Jesus am Kreuz zeigt?
Seinen Charakter und
seine Sendung schildert der Evangelist Johannes folgendermaßen: „Ein Mensch
trat auf, von Gott gesandt, sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um
Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben
kommen.“
Und er fügt hinzu: „Er selbst war
nicht das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.“
Um sich für seinen Auftrag vorzubereiten, ging Johannes
in die Wüste. “Ich bin die Stimme, die in der Wüste ruft. Ebnet den Weg für den
Herrn!“
Als die Leute ihn fragen:
„Bist du
der Messias?“
da gibt er zur Antwort: „Nein, ich bin es nicht.
Aber nach mir kommt einer, der größer ist als ich. Ich bin nicht wert,
ihm die Schuhriemen zu lösen.“
Johannes
war voll durchdrungen vom Bewusstsein, Wegbereiter des Messias zu sein.
Seine ganze Kraft, all sein Reden und Tun lenkte er in
diese Richtung.
Und um Jesus, dem lang
ersehnten Retter, den Weg zu bereiten, ruft er zur Umkehr auf und
spendet die Bußtaufe.
Unerschrocken und
unbestechlich sagt er mit aller Klarheit und Eindeutigkeit, was Sache
ist, was die Stunde geschlagen hat. Dabei macht er keinen Unterschied
zwischen arm und reich, hoch und niedrig. Er redet niemandem nach dem
Mund. Er verkündet keine Nettigkeiten. Seine Predigt klingt hart in den
Ohren.
Obwohl dieser Mann nicht
bequem war und sein Fähnchen nicht in den Wind hängte, kamen die
Menschen in Scharen zu ihm an den Jordan und ließen sich taufen. Sie
wussten: Das ist kein Schwärmer, kein voreiliger Schwätzer. Er kommt aus
der Wüste. Seine Worte, noch so mahnend, noch so aufrüttelnd, noch so
eindringlich, sind durch seine Taten und sein Leben gedeckt.
Bei Johannes
merkten die Menschen: Es geht ihm nicht um Ankommen, um Applaus. Es geht
ihm nicht um sich. Umso mehr leiht er dem Freund die Stimme, dem, der
nach ihm kommt und der doch ewig ist. „Er muss
wachsen, ich aber kleiner werden.“
Später wird Jesus selbst
einmal seine Jünger fragen:
„Was seid ihr in die
Wüste hinausgegangen? Was wolltet ihr sehen? Einen Mann in weichlichen
Kleidern? Seht, die weichliche Kleider tragen sitzen in den Palästen und
in den Häusern der Könige.
Oder was seid ihr
hinausgegangen? Was wolltet ihr sehen? Ein Schilfrohr, das der Wind hin
und her weht?“
Und dann kommt ein Wort,
das aus dem Mund Jesu einmalig ist: „Unter den von einer Frau
geborenen ist keiner größer als Johannes der Täufer.“
Selbst vor den König des
Landes tritt er, als er hört, dass dieser seine Frau verstoßen hat und
mit der Frau seines Bruders zusammenlebt. Er tritt vor ihn hin und hält
ihm sein ehebrecherisches Verhalten vor. Er tadelt ihn ins Gesicht: „Das ist dir nicht erlaubt!“ Er redet dem König ins Gewissen und
riskiert dabei Kopf und Kragen. Und wir wissen: dieser Freimut hat dem
unbequemen Mahner tatsächlich den Kopf gekostet.
Johannes, der letzte
Prophet vor Christus, blieb seiner Sendung und seinem Auftrag treu. Er
legte Zeugnis ab von Gott und seinem Willen bis das Schwert des Henkers
seinen Mund zum Verstummen brachte.
Ob dieser mannhafte Zeuge Christi uns etwas zu sagen hat,
uns Christen einer ganz anderen Zeit, die wir oft den leichteren Weg
gehen, die wir so oft lustlos in unseren Glauben sind und träg und
gleichgültig, uns, denen es so schwer fällt, auch öffentlich für den
Glauben einzustehen, uns zu Christus zu bekennen, Mut zu haben, nicht zu
tun was „man“ tut und was alle tun? Mit einem Wort: Kontrast zu
sein, unterscheidend christlich zu leben?
Das muss nichts
Spektakuläres sein, nichts Aufsehen erregendes. Dazu braucht man auch
nicht gelehrt zu sein oder Theologie studiert haben.
Missionarisch sein, Farbe
bekennen, Flagge zeigen im Alltag, das ist jeder Manns und jeder Frau
Sache.
Es ist etwas vom
Wichtigsten in einer Zeit zunehmender Entchristlichung der Gesellschaft,
in einer Zeit wachsenden Neuheidentums, der Gottferne und
Gottvergessenheit und auch wachsender Feindseligkeit gegenüber der
Kirche.
Dass auch wir Zeugnis
ablegen vom Licht, das in diese Welt gekommen ist, dass wir es tun im
Bekenntnis und durch die Art wie wir leben, dass wir – wie Johannes –
der auf Jesus zeigt, Hinweis werden für andere, Christus sichtbar machen
und Menschen zu ihm führen, wie Johannes seine Jünger, das ist unser
Auftrag.
Sagen Sie es selbst,
liebe Schwestern und Brüder:
Wie soll das Christentum
anders Sauerteig sein? Wie soll es hineinstrahlen und hineinwirken in
die Welt, wenn nicht jeder einzelne Getaufte seinen Glauben wirklich
ernst nimmt und versucht, ihn glaubwürdig zu leben?
Dazu gehört mehr als bloß
religiöse Pflichterfüllung, sozusagen Dienst nach Vorschrift.
Dazu gehört, dass Gott
wirklich die Mitte meines Lebens ist.
Dazu gehört, dass noch so
etwas wie Leidenschaft für Gott in meinem Herzen ist.
Dazu gehört, dass mein
ganzes Leben auf Gott ausgerichtet ist, auch in den alltäglichen Dingen.
Merken Sie: Johannes der
Täufer wühlt auf. Er stellt Fragen.
Und er stellt in Frage.
Er macht unruhig, heilsam unruhig.
Man kann natürlich sagen,
was geht das uns an? Das ist 2000 Jahre her. Aber dann schieben wir das
Evangelium elegant beiseite, anstatt uns davon anrühren und betreffen zu
lassen.
Es geht darum, dass wir
immer mehr werden, was wir sein sollen: Salz der Erde, Licht der Welt
und Stadt auf dem Berge.