Gaudete! Freut euch! Wie
kein anderer Sonntag vor Weihnachten wird der dritte Adventsonntag von
der Freude bestimmt. „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich euch: Freut
euch! Denn der Herr ist nahe“, so
lautet der Eröffnungsvers der hl. Messe. „Gaudete“ heißt deshalb
von alters her dieser Sonntag.
Vor einigen Tagen habe ich ein Email an
jemanden geschickt und am Schluss einen schönen „Gaudete – Freut euch
– Sonntag“ gewünscht.
Vorgestern kam die Antwort zurück:
„Bei mir ist alles andere als
‚Freut euch – Sonntag’. Ich bin so unvorstellbar down wie schon seit
zehn Jahren nicht mehr.“ – Dann führt diejenige eine ganze Reihe
Punkte auf, die ihr das Leben verleiden und schwer machen. Schließlich
schreibt sie: „Ich bin total am Boden.“
Kann man Freude befehlen? Wenn’s einem
ganz dreckig geht, wenn einem das Leben übel mitspielt, wenn’
knüppeldick kommt, wenn man kein Licht mehr sieht im Tunnel, wenn einem
alles stinkt und zuwider ist, dann kann der Aufruf zur Freude geradezu
wie ein Schlag ins Gesicht wirken.
Viele haben wenig Grund zur Freude.
Bei der Frau, die mir geschrieben hat,
waren es massive Probleme am Arbeitsplatz, Frust und Ärger im Geschäft
und das schon seit Wochen und Monaten. Sich hintergangen fühlen,
übergangen, ausgenützt, ungerecht behandelt, unterdrückt, zur Seite
geschoben, benachteiligt. Machtkämpfe, Gerangel um Posten,
Rücksichtslosigkeit, mangelnde Anerkennung, Undankbarkeit, Ablehnung.
Mit einem Wort: Mobbing am Arbeitsplatz. Jeder ist sich selbst der
Nächste. Das Ego feiert Triumphe.
Wenn dann noch Krankheit dazu kommt,
dauernde Schmerzen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Erschöpfung, Burnout…
Oder familiäre Probleme, eine Ehekrise –
ein Unglück kommt ja selten allein – und dann auch noch
Minderwertigkeitsgefühle, Selbstablehnung, Angst, Resignation,
Depression…
Wo ist in all den Spannungen und
Belastungen, in all den Konflikten und Widerwärtigkeiten noch Platz für
Freude?
Ja es gibt das Dunkel. Es gibt
Schicksalsschläge. Es gibt die Dinge, die kolossal zusetzen, ganz arg
weh tun, entsetzlich zu schaffen machen. Manchen trifft es ganz heftig.
Wir brauchen all das nicht verharmlosen, verdrängen oder gar leugnen.
Oft ist es ja so, dass Menschen sich selber – und erst recht anderen –
nicht eingestehen, wie mühsam sie sich durchs Leben schleppen. Wie viele
Fassaden werden oft mit letzter Kraft aufrecht erhalten, gute Mine zum
bösen Spiel gemacht.
Vor
Gott zumindest müssen nicht immer gut drauf sein, stark sein, strahlen,
glänzen. „Gott liebt unsere Armut, nicht
unseren Glanz, unsere Sehnsucht, nicht unsere Erfolge.“
Die Frau, die gerade eine so schwere Zeit
durchmacht, weil ihr im Geschäft so übel mitgespielt wird, schreibt in
ihrem Email: „Als ich gestern heimkam, ging ich in die Abendmesse und in die
anschließende Anbetung. Doch als in der Abendmesse der Text kam: ‚Kommt
alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid’, da war es aus. Mir
liefen nur noch die Tränen.“
„Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und
beladen seid!“ Die Frau, der bei diesen Worten die
Tränen liefen, hat wohl etwas gespürt von der Trostkraft der Worte Jesu
und vom Aufatmen in seiner Nähe. Bei ihm sein dürfen, so wie ich bin,
verstanden werden, sich angenommen fühlen, sich geliebt wissen. „Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in
deinen großen Frieden“,
heißt es in der Schlussstrophe von einem Lied, in dem auch Klagen und
Fragen, Zweifel und Ohnmacht ihren Platz haben.
Wir dürfen mit allem und so wie wir sind
zu Jesus kommen, mit unserer Last, mit unserer Angst, mit unseren
Sorgen, mit unserem Frust und Ärger, mit unseren Wunden und
Enttäuschungen, mit unseren Klagen und mit unseren Fragen, mit unserer
Trauer und mit unserer Wut, mit unserem ganzen Kreuz und allem Elend.
„Ich werde euch Ruhe verschaffen“,
verheißt Jesus. Fridolin Stier übersetzt: „Ich werde
euch aufatmen lassen!“
Jesus verspricht kein Allheilmittel,
nicht die Lösung aller Probleme, nicht das Ende aller Sorgen, aber Ruhe,
Aufatmen, jenen inneren Frieden, den wir nur in Gott finden können und
den die hebräische Bibel „schalom“ nennt.
Der letzte Satz im Email der Frau,
lautet:
„Wenn möglich, denk an mich im Gebet.“
Ja, auch das ist Trost und Kraft und
Hoffnung, zu wissen, dass da einer ist, der an mich denkt und für mich
betet.
Übrigens, liebe Schwestern und Brüder,
der Aufruf zur Freude heute am Gaudete-Sonntag lautet nicht einfach nur
„Freut euch!“, sondern „Freut euch im Herrn!“ „Gaudete in
domino!“
Und warum? „Der Herr ist nahe!“
Ein kleiner Satz, aber er sagt viel.
„Der Herr ist nahe!“ Nur vier Worte, aber die sind entscheidend. Der
Grund der Freude: die Nähe des Herrn, seine Gegenwart. „In ihm leben
wir, bewegen wir uns und sind wir." (Apg 17, 28)
Und
dann wünscht der Apostel noch von der Gemeinde, an die er schreibt:
„Eure Güte werde allen Menschen bekannt.“
Gott kommt durch Menschen zu Menschen.
Gott hat keine anderen Hände und keine anderen Füße als die unsrigen.
Es ist gut, wenn es Menschen gibt, bei
denen wir uns nicht verstellen müssen, Menschen, wo wir schwach,
hilflos, traurig sein dürfen, Menschen, denen wir uns anvertrauen
können, Menschen, die Zeit und ein Ohr haben für unsere Nöte, Sorgen und
Ängste, Menschen, die uns so annehmen wie wir sind; Menschen, die uns
zur Seite stehen und uns mittragen, und sei es einfach, dass sie an uns
denken und für uns beten.
In gut einer Woche feiern wir die Geburt
Jesu,
des „Immanuel“, des
„Gott mit
uns“.
Eine konkrete Möglichkeit, sich darauf
vorzubereiten, könnte es sein, sich einmal zu fragen:
Wo
sind die Menschen und wie heißen sie, denen ich durch meine Nähe die
Nähe Gottes, durch meinen Trost den Trost Gottes, durch mein Erbarmen
das Erbarmen Gottes erfahrbar machen könnte? Gottes Liebe ruft unsere Liebe!
Es braucht oft gar nicht viel. Manchmal
genügt schon ein freundlicher Gruß, ein Telefonanruf, ein Händedruck,
ein kurzer Besuch, ein geduldiges Zuhören, eine Blume, eine SMS oder ein
Email.
„Eure Güte werde allen Menschen bekannt.“
Wenn unsere Güte die Menschen erreicht,
wenn ein paar Strahlen jenes Lichtes und jener Liebe, die in Jesus
Mensch geworden ist, durch uns in das Dunkel und das Leid der Menschen
dringt, dann mögen selbst Zweifelnde und Verzweifelte das Motto des 3.
Adventsonntags nicht als Schlag ins Gesicht erfahren, sondern als
tragend und gültig und damit als „frohe Botschaft“ auch für ihr
Leben erahnen: „Gaudete in domino!“ – „Freut euch im Herrn!“
Nicht einfach „eitel Sonnenschein“,
„Friede, Freude, Eierkuchen“ und schon gar nicht gemachte „Lustigkeit“,
„Comedy-Fröhlichkeit“ oder oberflächliche „Bierdeckelseligkeit“, sondern „Freude im Herrn“. Freude, Hoffnung, Trost, weil Gott da ist als
unser Licht und unser Heil, Freude über Gott, der mich kennt und um mich
weiß, der zu mir steht und alle Wege mit mir geht, auch und gerade die
leidvollen und schweren, Gott, der uns liebt und uns die Schuld vergibt.
Christliche Freude, liebe Schwestern und
Brüder, blendet die Wirklichkeit nicht aus. Sie ist Freude über das
Kommen Gottes im Angesicht dessen, was bedrückt und bedrängt.
Der Kommunionvers der hl. Messe vom 3.
Adventsonntag fasst es noch einmal gut zusammen und bringt es auf den
Punkt.
„Sagt den Verzagten: Habt Mut! Fürchtet euch nicht! Seht hier ist euer
Gott! Er selbst wird kommen und euch erretten.“
Das ist Grund zur Freude:
„Seht, hier
ist euer Gott!“ Und darum: „Habt Mut! Fürchtet euch nicht!“
Das heißt: Glaubt, vertraut! „Freut euch im Herrn!“ „Denn der Herr ist
nahe!“
„Wir können dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben,
sondern weil Gott es mit uns lebt!“
(Alfred Delp, SJ)
|