„Ein Mensch begegnet
einem zweiten.
Sie wechseln Förmlich-
und Herzlichkeiten,
sie zeigen
Wiedersehensglück
und gehen zusammen gar
ein Stück.
Und während sie die
Stadt durchwandern,
sucht einer heimlich
von dem andern
mit ungeheurer
Hinterlist
herauszubringen, wer
er ist.
Dass sie sich kennen,
das steht fest,
doch äußerst dunkel
bleibt der Rest.
Das Wo und Wann, das
Wie und Wer,
das wissen alle zwei
nicht mehr,
doch sind sie, als sie
sich nun trennen,
zu feig, die Wahrheit
zu bekennen.
Sie freun sich, dass
sie sich getroffen;
jedoch im Herzen beide
hoffen -
indes sie ihren
Abschied segnen -,
einander nie mehr zu
begegnen.“
Eugen Roth
Unerfreuliche
Begegnungen, mühsame, störende, lästige...
Wer kennt sie nicht? Man
macht gute Mine zum bösen Spiel.
Man schaut auf die Uhr
und hat beim Abschied keine große Lust auf ein Wiedersehen.
Gott sei Dank, gibt es
nicht nur die negativen Begegnungen, sonder auch die positiven.
Vermutlich sind sie sogar in der Überzahl.
Begegnungen, die uns gut
tun, Begegnungen, die befreiend sind, Begegnungen, die ermutigen und
froh machen.
Wie gut tun uns
Begegnungen, wo uns Wertschätzung entgegenkommt,
Begegnungen, die von Güte
und Vertrauen geprägt sind,
Begegnungen, wo
Herzlichkeit und Wärme zu spüren ist!
Eine wunderschöne
Begegnung, eine wirklich gelungene, eine ganz herzliche, schildert uns
das heutige Evangelium:
Die Begegnung von Maria und Elisabeth.
Unfassliches ist
geschehen an Elisabeth.
Sie, die als unfruchtbar
galt, sie, die längst über die Jahre hinaus ist und eigentlich gar kein
Kind mehr erwarten kann, sie ist schwanger mit Johannes.
Noch Unglaublicheres
ist geschehen an Maria.
Was ihr zuteil wurde, ist
ganz und gar einmalig, unvergleichlich.
Es ist jenseits aller
Vorstellung und Erwartung.
Elisabeth spürt das
Besondere an Maria, das Geheimnisvolle ihrer Schwangerschaft und bringt
es ins Wort:
„Gesegnet bist du mehr
als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.“
Und sie begrüßt Maria
freudig als „die Mutter meines Herrn“.
Elisabeth erkennt nicht
nur, dass Maria schwanger ist wie sie selbst, viel mehr noch: sie
erfasst im heiligen Geist, wer zu ihr gekommen ist und vor ihr steht:
die Mutter des Herrn, die Gottesmutter.
Später wird eine Frau bei
der Predigt Jesu ganz spontan und voll Freude ausrufen: „Selig der
Leib, der dich getragen und die Brust, die dich genährt hat!“
Maria trägt das
Gotteskind unter ihrem Herzen,
den langersehnten Retter,
den „Immanuel“, den „Gott mit uns“.
Gott kommt in die Welt.
Gott schenkt uns einen Sohn.
Maria ist die Mutter des
Erlösers. Sie ist die Gottesgebärerin.
In der Begegnung mit
Elisabeth bestätigt sich für Maria, was ihr der Engel gesagt hatte:
„Für Gott ist nichts unmöglich.“
Aber nicht nur Maria
begegnet Elisabeth,
nicht nur zwei werdende
Mütter begegnen sich,
auch die Kinder begegnen
sich:
Johannes begegnet Jesus,
der Vorläufer dem kommenden Messias.
Der Erlöser begegnet
seinem Wegbereiter.
Auf alten Bildern sind
die kleinen Kinder manchmal mit dargestellt.
Süß und fast witzig sind
sie gemalt, embryonenhaft im Leib ihrer Mütter.
Und sie zeigen
Reaktionen. Aktiv nehmen sie teil an der Begegnung.
Johannes hüpfte vor
Freude im Schoß seiner Mutter.
Elisabeth spürt den
Freudensprung – und versteht.
Heute wissen wir, wie
viel ungeborene Kinder mitbekommen und was sie schon alles aufnehmen.
Viel mehr als wir denken.
Und so zündet es nicht
nur zwischen den beiden Frauen bei dieser Begegnung voll Seligkeit und
Freude, voll Einklang und tiefem Einverständnis. Es zündet auch bei den
Kindern im Mutterleib. Schon hier weist Johannes auf Jesus hin.
Und alles geschieht im
Heiligen Geist.
Alles geschieht sozusagen
im Wirkbereich und Energiefeld des lebendigen Gottes.
Elisabeth aber feiert –
vom Geist durchbebt – die junge Mirjam.
Sie rühmt ihren Glauben
und preist sie selig:
„Selig ist die, die
geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.“
Maria ihrerseits gibt
Antwort.
Ihr Herz ist voll Freude,
voll Freude über Gott. Die Freude sucht Ausdruck.
Wovon das Herz voll
ist, davon läuft der Mund bekanntlich über.
Maria ruft ihre Freude
hinaus. Sie jubelt und singt.
Sie singt ein Lied, ein
Danklied, ein Loblied.
Sie bezeugt Gott als
Retter. Sie preist seine Größe und Macht.
Sie preist sein großes
Erbarmen und seine unerschöpflichen Treue.
„Gott hat sein Volk
besucht und ihm Erlösung geschaffen.“
Wirkliche Begegnung, gute Begegnungen, wohltuende,
befreiende geschehen dort, wo ein guter Geist herrscht, heiliger Geist.
Dann genügt ein Blick, ein Gruß, eine Umarmung, ein gutes
Wort und Vertrauen ist da,
tiefes Verstehen, Einklang, Wertschätzung, liebevolles
Anteilnehmen.
Dann springt die Freude über und das Herz singt – wie bei
Elisabeth und Maria.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Beide Frauen, sowohl Elisabeth als auch Maria, sind offen
für Gottes Absichten und Pläne.
Sie sind offen für Gottes Anruf und Ankunft.
Beide geben ihm Raum in ihrem Leben.
Sie lassen sich von ihm in Dienst nehmen.
Sie nehmen ihn bei sich auf.
Beide glauben und vertrauen.
An Weihnachten, liebe Schwestern und Brüder, sucht Gott
die Begegnung mit jedem von uns.
Gott will ankommen, auch bei uns, bei Ihnen und bei mir.
Er will auch in uns Mensch werden.
Wie werde ich ihn empfangen, wie ihm begegnen?
Ob mit dem bereiten Gabentisch auch mein Herz bereit ist?
Ob Gott Raum findet bei mir?
Will ich ihn wirklich hereinlassen, aufnehmen und ihn bei
mir wohnen lassen?
Bin ich bereit – wie Maria und Elisabeth – mein Leben
nach ihm auszurichten?
Auf ihn zu hören, seinem Wort zu folgen, seinem Willen
Vorfahrt zu geben?
Wie werde ich ihn empfangen? Wie ihm begegnen?
Die Begegnung mit Gott wird da gut gelingen, wo ich die
Begegnung mit dem Mitmenschen in Freundlichkeit und Liebe wage, das
heißt wenn ich auch auf andere offen und bereit zugehe.
Die Begegnung mit Gott wird da gut gelingen,
wo einer sich um den anderen annimmt – wie Maria und
Elisabeth,
wo einer für den anderen da ist, wo wir im Alltag Geduld
haben, verzeihen, die Liebe üben.
Jetzt aber, in dieser Stunde, lb. Schwestern und Brüder,
begegnet Jesus uns in seinem Wort.
Selig sind wir, wenn wir – wie Maria – glauben können,
was der Herr uns sagt!
Und Jesus begegnet uns in dieser Stunde unter den
Gestalten von Bot und Wein.
Er kommt zu uns im Mahl der Liebe.
Er schenkt sich uns in heiliger Kommunion.
Welche Freude, welches Glück gehen da von ihm aus!
„Ach zieh mit deiner Gnade ein!“
„Wohne in mir, mache mich eins nun mit dir, der mich
zum Leben erkoren!“