Zweite Lesung
Der Herr ist nahe
Lesung
aus dem Brief des Apostels Paulus
an die Gemeinde in Philíppi
Schwestern und Brüder!
4Freut
euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!
5Eure
Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe.
6Sorgt
euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit
Dank vor Gott!
7Und
der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure
Gedanken in Christus Jesus bewahren.
„Freut euch im Herrn zu jeder
Zeit!“
Gleich zweimal begegnet uns diese
Aufforderung des Apostels Paulus am dritten Adventssonntag: im Eröffnungsvers
der heiligen Messe und in der Lesung aus dem Brief an die Gemeinde in Philippi.
Keine Frage: Ein Leben ganz ohne
Freude ist nur schwer zu ertragen. Die Frage ist jedoch: Kann man Freude
befehlen, wie es Paulus hier tut? Und noch grundsätzlicher stellt sich die
Frage: Haben wir überhaupt Grund zur Freude?
Wenn wir in unsere Welt und Zeit
blicken, dann scheint es eher, dass es viele Gründe zum Weinen gibt. Die große
weltpolitische Lage, die Situation in manchen Ländern … Dazu Naturkatastrophen,
Armut, Hunger … Auch bei uns ist nicht alles eitel Sonnenschein. Vieles gibt
Anlass zu Sorgen und Angst. Dazu kommen die leidvollen Erfahrungen in unserem
eigenen Leben, vielleicht drohende Arbeitslosigkeit, Krankheit, ein plötzlicher
Todesfall, andere Schicksalsschläge.
Hat Paulus davor die Augen
verschlossen? Ganz und gar nicht! Wir wissen, dass er die Aufforderung zur
Freude nicht aus einer Hochstimmung heraus geschrieben hat, sondern aus einem
elenden und langweiligen Gefängnis in Rom.
Der Apostel weiß um das Böse in
der Welt. Er kennt die Trauer und die Klage der Menschen. Wieviel hat er selbst
erlitten und mitgemacht! – Aber er kennt auch die Verheißung des Jesaja: „Der
Herr hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle
heile, deren Herz zerbrochen ist“ (Jes 61, 1). – Bei seinem Apell zur Freude
geht es also nicht um die Heiterkeit sonniger Gemüter oder gar um organisierte
und gekaufte Fröhlichkeit. Gemeint ist vielmehr die Freude, die in der
göttlichen Zusage gründet: „Der Herr ist nahe.“ – Was immer euch Angst
macht, denkt daran, dass euer Leben in einem umfassenden Sinn eingebunden ist in
die Liebe Gottes.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir sollten das Leid und die tiefe
Not ganz ernst nehmen und uns hüten, zu schnell und billig mit tröstenden Worten
anzukommen. Das hat auch Jesus nicht getan. Er ist nicht gekommen, um den
Menschen billigen Trost zu geben. Es war ihm ernst mit der Verkündigung der
Botschaft von Gott, die befreien soll, die Mut machen will und Hoffnung auf eine
Zukunft eröffnen, eine Botschaft, die alle Ängste und Sorgen übersteigt, auch
unseren eigenen Tod.
Jesus ermutigt uns, dass wir uns –
so wie ein Kind sich in Vertrauen und Liebe in die Arme seines Vaters bzw.
seiner Mutter flüchtet und dort Geborgenheit und Verständnis findet – dass wir
uns so Gott anvertrauen, dem Gott, der zu uns, zu jedem einzelnen, wie ein guter
Vater und eine liebende Mutter ist
Wir kennen das Zeugnis vieler
Christen, denen Leid und Not nicht erspart geblieben sind und die dennoch –
inmitten mancherlei Prüfungen, denen sie ausgesetzt waren – die Erfahrung der
stärkenden und bergenden Nähe Gottes gemacht haben.
Pater Alfred Delp SJ z. B. können
wir es abnehmen, wenn er „im Angesicht des Todes“ schreibt: „Wenn wir allein
sind, wenn wir zweifeln und keinen Sinn mehr sehen, so wissen wir doch, dass all
dies nicht das Letzte ist, sondern dass wir gehalten sind von Gottes Güte und
Liebe.“
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt gewiss Ereignisse in
unserem Leben, vor denen wir hilflos stehen und es gibt Bedürfnisse, die nicht
befriedigt werden. Aber es gibt nichts und niemanden, der uns von der Liebe
Gottes trennen kann. Diese Liebe ist der wahre Grund aller Freude, zu der uns
die Gebete und Texte dieses dritten Adventsonntages ermutigen und einladen.
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