|
||||
Predigt beim Seelenamt für meine Mutter Elisabeth (Else) Kirchgeßner
|
||||
Trauer erfüllt uns angesichts des Todes unserer lieben Mutter. Ihr Tod hat uns zwar am Schluss nicht mehr überrascht - sie selbst wusste darum, und wir wussten darum -, aber doch erschüttert und betroffen gemacht. Es ist nur schwer zu fassen.
Sie wissen: Besonders schwer und hart trifft der Tod immer die nächsten Familienangehörigen. Denn erst dann, wenn wir jemanden geliebt haben, wenn wir jemanden nahestanden, wenn jemand uns in unserem Leben viel bedeutet hat, wenn wir jemanden viel verdanken, ist der Tod eines Menschen schmerzhaft, ja schicksalhaft. Dann spürt man den Verlust und die Lücke. Dann erleben wir, wie radikal, wie endgültig der Tod ist.
Der Mund unserer toten Mutter spricht nicht mehr. Die Hände begrüßen uns nicht mehr. Ihre Augen schauen uns nicht mehr an. Sie kommt nicht mehr durch die Tür herein. Der Tod hat sie entrissen. --- Und vielleicht erschrecken wir, weil uns bewusst wird, wie bedroht und brüchig unser eigenes Leben ist.
Wir wissen zwar, dass Menschen sterben müssen. Wir nehmen das hin und finden uns einigermaßen damit ab. Aber nur solange wie wir selbst nicht unmittelbar betroffen sind. In dem Augenblick, wo wir selbst betroffen sind, wo es uns persönlich angeht, wo es vielleicht der nächste Angehörige ist, wo es ein Mensch ist, den wir gekannt und geliebt haben, da wehren wir uns mit jeder Faser unseres Menschseins, da wollen wir nicht wahrhaben und nicht gelten lassen, dass es diese letzte Grenze gibt.
Wenn wir einen Menschen hergeben müssen, der uns lieb und teuer war, und der nicht mehr unter uns ist, in diesem Augenblick bricht jenes verzweifelte, anklagende Fragen in uns auf: WARUM?
Warum der Tod? Warum muss der Mensch diesen Weg gehen? Wo doch alles in uns nach Leben drängt, nach Freude, nach Miteinander! Ist es vorbei mit Licht und Leben? Ist nur noch Dunkelheit und Schweigen ein Nachruf und ein Kranz?
Wer dürfte und könnte hier ein Wort des Trostes sagen? Klingen nicht alle Worte leer und hohl und nichtssagend? Was kann da helfen? Versagt da nicht alle menschliche Weisheit? Wenn der Arzt zaudert mit seiner Diagnose und wenn es heißt: "unheilbar", spüren wir dann nicht eine letzte Hilflosigkeit, erfahren wir hier nicht unsere tiefste Ohnmacht?
Liebe Schwestern und Brüder!
Jemand, der uns leib und teuer war, unsere Mutter, ist nicht mehr unter uns. Unser Leben ist ärmer und leerer geworden. --- Und unser eigenes Leben, das, was wir Menschen so tun, wie wir so leben tagein, tagaus, was und wichtig ist und wonach wir jagen und streben ist in Frage gestellt. Der Tod stellt uns Fragen. Er stellt uns in Frage.
Was ist mit deinen Plänen und Zielen, mit deinen Hoffnungen und Wünschen, mit deinem Suchen und Fragen? - Was ist mir deiner Sehnsucht nach Freude, nach Gemeinschaft, nach Zusammensein? - Was ist mit deinem Durst nach Leben und Deinem Hunger nach Glück, der hier nie gestillt wird?
Der Tod ist ein grausames, unbegreifliches Rätsel.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn uns dieser Tod betroffen macht und fassungslos und die Trauer einen verstummen lassen möchte, weil einfach die Worte fehlen, so darf uns das nicht taub machen für jene Botschaft, die von Gott kommt und die die Kirche übermittelt, die Kirche, die so heftig immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik steht und an der so viele so viel auszusetzen haben.
In ihren Erinnerungen schildert eine bekannte Schauspielerin (Hildegard Knef) die Begegnung mit einem alten Pfarrer.
Sie habe ihn gefragt, woher er seinen Mut zum Christsein nähme in einer immer atheistischeren und ,mehr und mehr gleichgültigen Umgebung. Die Antwort des Pfarrers lautete: "Ich bin Christ, weil die Welt unheimlich vorlaut und geschwätzig ist. Laut und vorlaut, solange alles glatt läuft und gut geht. Nur wenn jemand stirbt, dann wird sie verlegen, dann weiß sie nichts mehr zu sagen. Genau an dem Punkt, wo die Welt schweigt, richtet die Kirche ihre Botschaft aus. - Ich liebe die Kirche um dieser Botschaft willen. Ich liebe sie, weil sie im Gelächter einer arroganten Welt sagt, dass der Mensch ein Ziel hat, weil sie dort den Mund aufmacht, wo alle andern nur die Achsel zucken."
Der Mensch hat ein Ziel. Das Ziel ist Gott. Der Mensch hat über seinen Tod hinaus Zukunft in Gott. - Hinter unserem Leben steht einer, der weiß um unseren Hunger nach Leben, um unsere Sehnsucht nach Freude, um unser Verlangen nach Glück, und er wird es erfüllen. "Ich bin gekommen", sagt Jesus, "damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben!"
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Satz unseres Glaubensbekenntnisses: "Ich glaube an die Auferstehung der Toten, und an das ewige Leben der kommenden Welt", ist keine Phrase. Er ist vielmehr die letzte, sichere Konsequenz aus allem, was wir Christen glauben. Zugleich ist er die einzige und schönste Hoffnung, die ich auch heute verkünden kann.
Trösten wir uns gegenseitig in dieser Hoffnung, in diesem Glauben vom größeren, vom ewigen Leben.
Unsere Mutter ging glaubend, hoffend und liebend ihren Weg. Sie hat sehr viel Gutes getan. Sie war gut, sie war Güte. Sie hat stark und tapfer in großer Geduld ihre Schmerzen in Krankheit ertragen und ich Geschick gottergeben angenommen. Alles hat sie in christlichem Geist auf sich genommen und ausgehalten.
Eines ihrer häufigsten Worte in den letzten Tagen: "O Jesus, alles dir zulieb! - "Ich bin bereit", hat sie gesagt, "der Herrgott kann mich holen!" Es war ein erfülltes Leben mit viel Arbeit und Gebet.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich bin überzeugt, dass Sie Gott aufnimmt in seine Geborgenheit und dass er ihr Sehnen und Hoffen, ihr Mühen und Beten in reichem Maß erfüllt, dass Gott selber jetzt ihr Lohn ist.
Ich bin überzeugt: das Leben unserer Mutter und Schwester im Glauben, Else Kirchgeßner, ist nicht beendet, sondern vollendet in Gott. Es ist nicht abgebrochen, sondern erneuert in Gott. Ihr Leben ist an jenes Ziel gelangt, dem wir noch entgegengehen, bis wir vereint sind in jener Wirklichkeit, "die kein Auge geschaut hat, kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gedrungen ist, die Gott aber denen bereitet hat, die ihn lieben", ... "wo es keine Tränen und keine Trauer mehr gibt, wo der Tod nicht mehr sein wird und keine Klage und kein Schmerz". - Dann ist nichts mehr schwer, sondern alles leicht. Und alles ist Licht und Gnade. Und alles ist Geborgenheit am Herzen Gottes.
Die Verstorbene fehlt uns jetzt und wir trauern um sie. Aber wir trauern nicht wie solche, die keine Hoffnung haben. Wir trauern, aber verzweifeln nicht, resignieren nicht und klagen nicht an. - Wir trauern, weil der Tod sie uns entrissen hat. Aber hat Gott sie uns nicht zuvor geschenkt? Ja, sie war ein Geschenk und ihr Leben war ein Segen. So wollen wir Gott danken, dass wir sie gehabt haben. Und wir wissen ja: es gibt ein Wiedersehen.
Und jetzt bleibt uns ihr Beispiel. Sehen wir zu, dass auch wir gläubig und vertrauend, in Liebe und Güte unseren Weg gehen, damit auch unser Leben ein Segen wird. |
||||
|