geistliche Impulse

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von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Vom Ochsen und Esel in der Krippe

 

Vom Ochsen und vom Esel hat die Schrift durchaus nichts zu vermelden. Ich weiß nicht mehr, wo ich die Geschichte von diesem ungleichen Paar zuerst hörte, wahrscheinlich hat sie wohl meine Mutter erfunden, um den lästigen Frager loszuwerden, der auf dem Kinderschemel zu ihren Füßen saß. Demnach war es aber so, dass der Erzengel, während Josef und Maria nach Bethlehem wanderten, die Tiere in der Gegend heimlich zusammenrief, um eines oder das andere auszuwählen, das der Heiligen Familie im Stall mit Anstand aufwarten konnte.

 

Als erster meldete sich natürlich der Löwe. Nur jemand von königlichem Geblüte sei würdig, brülle er, dem Herrn der Welt zu dienen. Er werde sich mit all seiner Stärke vor die Tür setzen und jeden zerreißen, der sich in die Nähe des Kindes wagte.

„Du bist mir zu grimmig“, sagte der Engel.

 

Darauf schlich der Fuchs heran und erwies in aller Unschuld eines Gaudiebes seine Referenz mit der Rute. König hin oder her, meinte er, vor allem sei doch für das leibliche Wohl zu sorgen. Deshalb mache er sich erbötig, süßesten Honig für das Gotteskind zu stehlen und jeden Morgen auch ein Huhn in den Topf für die junge Mutter.

„Du bist mir zu liederlich“, sagte der Engel.

 

Nun stelzte der Pfau in den Kreis. Das Sonnenlicht glänzte in seinem Gefieder, rauschend entfaltete er sein Rad. So wolle er auch hinter der Krippe aufschlagen, erklärte er, und damit den armseligen Schafsstall köstlicher schmücken als Salomon seinen Tempel.

„Du bist mir zu eitel“, sagte der Engel.

 

Hinterher kamen noch viele der Reihe nach, Hund und Katze, die kluge Eule und die süß flötende Nachtigall, jeder pries seine Künste an, aber vergeblich.

Zuletzt blickte der strenge Cherub noch einmal um sich und sah Ochs und Esel draußen auf dem Felde stehen, beide im Geschirr, denn sie dienten einem Bauern und mussten Tag für Tag am Wassergöpel im Kreise laufen. Der Engel rief auch sie herbei, „ihr beiden, was habt ihr anzubieten?“

„Nichts, euer Gnaden“, sagte der Esel und klappte traurig seine Ohren herunter. „Wir haben nichts gelernt, außer Demut und Geduld. Denn in unserem Leben hat uns alles andere immer nur noch mehr Prügel eingetragen.“

„Aber“, warf der Ochse schüchtern ein, „aber vielleicht könnten wir dann und wann ein wenig mit den Schwänzen wedeln und die Fliegen verscheuchen!“

„Ihr seid die Rechten!“ sagte der Engel. Und die beiden durften zu der Heiligen Familie in den Stall.

 

Karl Heinrich Waggerl