geistliche Impulse

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von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Der Heilige Christophorus

(Legende, um 250 nach Christus)

 

Im Heiligen Land, in Kanaan, lebte Ophorus, ein sehr starker und recht großer Mann. Eines Tages sprach zu sich: „Ich will in die Fremde gehen und nach dem mächtigsten Herrn fragen, dem will ich dann dienen.“ Andere Reisende wiesen ihn zu einem König, der über ein großes Land mit vielen Leute herrschte. Der König empfing ihn und nahm den kräftigen Ophorus gern in seinen Dienst auf. Nach einiger Zeit horchte er auf, als des Königs Spielmann ein Lied vom Teufel sang. Während dessen schlug der König ein Kreuzzeichen vor sich, denn er war ein Christ. Ophorus wunderte sich darüber und fragte den König: „Herr, was meinst du damit, dass du ein Kreuz schlägst?“ Der König beantwortete die Frage jedoch nicht. Daher sprach Ophorus: „Herr, ich bleibe nicht länger bei dir.“ Da antwortete der König doch noch: „Du sollst die Wahrheit wissen. Ich segne mich mit dem Kreuz, wenn man vor mir den Teufel nennt. Mit dem Kreuz kann er mir nichts anhaben.“ Darauf sprach Ophorus: „Du fürchtest dich vor ihm, daher ist des Teufels Macht wohl so groß, dass er dir schaden mag. Deshalb habe ich dir genug gedient. Ich will den Teufel suchen und wenn ich ihn finde, will ihm dienen, weil er offenbar gewaltiger ist als du.“ Also machte er sich auf und suchte den Teufel überall. Wen er auch danach fragte, niemand konnte ihm den Weg zeigen.

Eines Tages kam Ophorus zunächst in eine große Wildnis und dann auf eine weite Ebene. Er sah eine Gruppe von Rittern, ihre Helme und Rüstungen glänzten im Sonnenschein. Einer von denen war schwarz gekleidet und ganz gruselich anzusehen. Dieser kam nun in scharfem Ritt direkt auf Ophorus zu und sprach ihn an: „Was willst du hier, wen suchst du?“ So angesprochen antwortete er: „Ich suche den Teufel, denn ich wäre gern sein Knecht.“ Die Antwort des Ritters „Ich bin der Teufel.“ überraschte Ophorus. Doch da er schon seinen Dienst angeboten hatte, nahm ihn der Teufel mit.

Irgendwann kamen sie einen Weg entlang, neben dem ein Kreuz stand. Als der Teufel das Kreuz sah, zuckte er zusammen und bog vom Weg ab. Ophorus wunderte sich darüber und sprach zu ihm: „Herr, sage mir, warum biegst du vom Weg ab?“ Der Teufel hätte es ihm gern verschwiegen, aber Ophorus ließ nicht nach: „Du sollst mir die Wahrheit sagen, oder aber ich diene dir keinen Tag länger!“ Da zögern sprach der Teufel: „Ein Kreuz, dort an dem Weg. - Das Kreuz, an das Christus geschlagen wurde! Das Kreuz fürchte ich sehr und muss immer vor ihm fliehen.“ Darauf sprach Ophorus: „Wenn du vor dem Kreuz, dem Christus-Zeichen, fliehen musst, so steht Christus offenbar über dir. Daher habe ich dir vergeblich gedient. Leb wohl. Ich muss nun Christus suchen, den mächtigen Herrn.“ So vom Teufel weggegangen, suchte er nach Christus. Wen er auch überall fragte, niemand konnte ihm den Weg weisen.

Endlich kam Ophorus zu einem Einsiedler und erzählte, dass er Christus suche und ihm dienen wolle. Der Einsiedler, offenbar ein Christ, äußerte: „Christus ist groß und mächtig, wie ein König - ein Herr über alle Dinge. Er will, dass du rein und tugendlich lebst, nicht in Sünde. Darum sollst du fasten und wachen.“ Ophorus antwortete: „Ich mag weder wachen noch fasten.“ Der Einsiedler gab einen weiteren Hinweis: „Christus, dein Herr, wünscht, dass du viel betest.“ Ophorus antwortete darauf: „Das kann ich nicht. Weise mich etwas anderes, damit ich ihm dienen kann.“ Der Einsiedler hatte auch darauf eine Antwort: „Nicht weit von hier kommst du an einen Fluss, dort gibt es weder Brücke noch Steg. - Willst du die Menschen da hinüber tragen, um Gotteslohn, so wirst du deinem Herrn mit dem Dienst wohl gefallen. Du bist groß und stark und kannst den Dienst gut tun.“ Ophorus versprach: „Das will ich tun. Er baute sich eine Hütte am Fluss. Viele Menschen kamen zu ihm, sie trug er alle, für Gotteslohn, durch das Wasser. Dabei hatte er immer eine große Stange in seiner Hand, um sich darauf abzustützen.

In einer Nachts war Ophorus müde, legte sich nieder und schlief ein. Als er ein Kind seinen Namen rufen hörte, wurde er wach, stand auf, und suchte das Kind. Da er niemand am Wasser fand, legte er sich erneut schlafen. Doch wieder hörte er das Kind rufen, und lief wieder hinaus und fand es wieder nicht. Abermals legte er sich schlafen. Zum dritten Mal hörte er das Kind rufen. Er ging hinaus. Das Kind stand dort und sprach: „Trag mich hinüber.“ Ophorus nahm das Kind auf seine Schulter, ergriff seinen Stab und ging in das Wasser. Aber das Wasser wuchs, und das Kind war so schwer wie Blei, und es wurde ihm immer schwerer und schwerer. Auch das Wasser wurde so tief, dass er fürchtete, er müsse ertrinken. Als er die Mitte des Wassers erreicht hatte, sprach Ophorus zu dem Kind auf seinen Schultern: „Kind, Kind, wie schwer du bist. Mir ist, als ob die ganze Welt auf meinen Schultern lastet.“ Das Kind hatte bislang geschwiegen, sagt aber nun: „Du trägst nicht allein die ganze Welt. Du trägst den, der Himmel und Erde geschaffen hat.“ Dann drückte das Kind den starken, großen Ophorus unter Wasser und sprach: „Ich bin Jesus Christus, dein König und dein Gott, dem du gedient hast. Ich taufe dich in meinem Vater und in mir, seinem Sohn, und in dem heiligen Geist. Bis jetzt hattest du Ophorus als Namen, nun sollst du ‚Christ-Ophorus‘ heißen nach mir, deinem Herrn. Und zum Zeichen, dass ich wahr rede, nimm deine Stange und stecke sie in die Erde, so wird sie morgen blühen und auch Früchte tragen.“ Nach diesen Worten verschwand das Kind. -

Christophorus, so hieß er nun, war froh und dankte Gott für die Gnade, die er ihm erwiesen hatte. Er pflanzte den dürren Stab in die Erde. Daraus wurde in einer Nacht ein Baum, der blühte und Früchte brachte. Als Christophorus das Wunder sah, entwickelte sich in ihm eine große Liebe und Treue zu Gott. Seinen Dienst am Fluss verließ er nun, um noch Besseres zu tun.

Der gute Geist führte ihn in eine Stadt, wo die Christen viel unter ihrem Glauben zu leiden hatten. Christophorus ging auf den Gerichtsplatz, wo man sie marterte und tötete. Er tröstete sie und bat, dass sie geduldig leiden - für das ewige Leben,. Das erzürnte die Heiden und einer wurde so kühn, dass er herankam und auf ihn einschlug. Christophorus sprach dennoch: „Glaubst du nicht, dass ich stark genug wäre, dich mit meinen Füßen zu treten? Wenn ich es nicht um Gottes Willen lassen würde?“ Christophorus steckte seinen Stab in die Erde und bat Gott, dass er das Wunder tue. Und in der Tat, der Stab brachte Blätter und Frucht, und viele Heiden wurden durch das Zeichen bekehrt.

Als der König davon hörte, schickte er zweihundert Krieger aus, um Christophorus zu fangen: Sie fanden ihn ins Gebet vertieft, daher wagte es keiner, ihn anzurühren. Da sandte der König nochmals zweihundert Krieger, die fielen ebenfalls die Knie, da sie ihn beten sahen. Christophorus erhob sich und sprach: „Wenn es mir gefällt, so komme ich mit euch. Will ich aber nicht, so könnt ihr mich weder frei noch gefesselt mitnehmen.“ Da erschraken sie alle und sprachen: „Wenn du nicht mit uns gehen willst, so gehe, wohin du willst. Wir werden dem König sagen, dass wir dich nirgends gefunden haben.“ Christophorus entgegnete: „Das liegt mir fern. Ich will gern mit euch kommen. Bindet mir die Hände auf den Rücken, ich will es erleiden um Gottes Willen.“

Auf dem weiten Weg erzählte Christophorus den Kriegern so viel vom Christenglauben, dass viele von ihnen bekehrt wurden. - Gefesselt führten ihn die Krieger zum König. Als er Christophorus erblickte, erschrak er so sehr, dass er von seinem Thron fiel, und seine Diener mussten ihn wieder aufheben. Dann befahl der König, dass man Christophorus in den Kerker führte; und ließ zwei schöne Jungfrauen zu ihm bringen, die sollten ihn zur Sünde verleiten. Christophorus aber wandte sich ab und vertiefte sich ins Gebet. Die Frauen traten zu ihm und wollten ihn umarmen, er aber stand auf und sprach: „Was wollt ihr und warum seid ihr hierher gekommen?' Da erschreckten sie sich sehr vor der Klarheit seines Blickes. Sie fielen ihm zu Füßen und riefen: „Erbarme dich unser, du Heiliger des Herrn, und mache, dass auch wir an deinen Gott glauben.“ Als das der König hörte, ließ er sie sich vorführen und sprach: „Ich schwöre euch bei allen Göttern, opfert ihr unseren Göttern nicht, so müsst ihr eines jämmerlichen Todes sterben.“ Da gingen die Jungfrauen in den Tempel, lösten ihre Gürtel, legten sie um den Hals der Götzenbilder und rissen sie so herab, dass sie zerbrachen. Daraufhin ließ der König die Frauen töten.

Für Christophorus jedoch wurde ein eiserner Thron errichtet. Er musste sich darauf setzen und auf seinen Kopf bekam er einen feurigen Eisenhelm. Unter dem Thron wurde ein großes Feuer angezündet, aber wie weiches Wachs fiel der zusammen, Christophorus stand unversehrt da. Nun banden sie ihn an eine Säule und schossen mit Pfeilen auf ihn. Aber die Pfeile blieben alle in der Luft stehen und trafen ihn nicht. Der König meinte, die Pfeile hätten getroffen und Christophorus würde sterben. Daher sprach er spottend zu ihm: „Du verlierst nun dein Leben und deinen Glauben.“ Da sauste ein Pfeil dem König ins Auge, so dass er erblindete. Christophorus aber sprach: „Morgen, o König, bin ich tot, dann nimm von meinem Blut und bestreiche damit dein Auge, dann wirst du wieder sehen können.“ Am anderen Tag wurde Christophorus enthauptet. Der König nahm von dem Blut, bestrich sein Auge damit und konnte wieder sehen. Da wurde auch er gläubig und ließ sich taufen.