Wir müssen und können entscheiden, wofür
wir unsere Zeit einsetzen. Sie ist begrenzt und kostbar. Weil viele
Leute dauernd zuwenig Zeit haben, muss alles immer schneller gehen. Wir
hetzen und lassen uns hetzen. Wir setzen alles daran, ja keine Zeit zu
verlieren, denn Zeit ist Geld.
Je schneller, desto besser. In wenigen
Stunden sind wir in einem anderen Erdteil. Während die einen zu Fuß
einkaufen gehen, fliegen die anderen nach London zu einem
Einkaufsbummel. Informationen werden per Fax übermittelt, damit das
Geschäft rasch abgewickelt werden kann.
Wirtschaftsleute fordern, dass in immer
weniger Zeit immer mehr produziert wird, um der Konkurrenz standhalten
zu können.
Von den Angestellten wird immer mehr
verlangt.
Manche müssen auch zu Hause arbeiten, zum
Leidwesen des Partners oder der Partnerin und der Kinder, die sich so
sehr auf die Zeit mit ihrem Vater oder ihrer Mutter gefreut haben.
Wenn genügend Druck besteht, hält die
Firma der Konkurrenz eine Zeitlang stand; doch die Angestellten halten
es nicht aus. Wer nicht mehr mag oder kann, wird ersetzt; neue, jüngere
Arbeitskräfte stehen bereit.
Die Hektik am Arbeitsplatz pflanzt sich
in die Freizeit fort. Wir kommen nicht zur Ruhe, die Freizeit wird zum
Stress.
Wir müssen scheinbar so viele Dinge tun,
um dazuzugehören.
Und wenn wir fernsehen schalten wir von
einem Kanal zum anderen, um ja nichts zu verpassen. So übersehen wir uns
selbst.
Zu spät merken wir, dass dies keine
Erholung ist.
Ich verschlinge mein Essen,
überfliege meine Arbeit,
kann nur wenige Minuten bleiben
und nur einen Augenblick zuhören.
Ich eile zur nächsten Besprechung,
fordere Knappheit und Kürze,
verabschiede mich schnell,
eile nach Hause,
erledige einige Telefonate,
plane, während ich zuhöre,
und verliere mich selbst.
Was mache ich nun
mit der gewonnen Zeit?
Viele merken nicht, dass sie sich zuviel
zumuten, dass sie „zu schnell leben“. Erst wenn der Körper
versagt, wenn sie ruhen müssen, wird ihnen bewusst, dass sie
nicht wirklich gelebt, sondern lediglich funktioniert haben.
Jetzt verstehen sie, was Max Frisch mit
„verdünnter Zeit“ meint.
Jetzt gelingt es ihnen vielleicht von
neuem, wirklich zu erleben, statt nur hastig tätig zu sein.
Jetzt wird vielleicht bewusst, dass
Erfahrungen, die allzu schnell gemacht werden, oberflächliche
Erfahrungen sind und fehlerhaftes Verhalten fördern.
Es lohnt sich, dies immer wieder zu üben:
Dann und wann
das Tempo verlangsamen,
anhalten,
ruhig wahrnehmen, was um uns ist,
was uns schützt, bedroht, erfreut,
fordert, fördert;
uns neu einstellen und ausrichten.
Dann und wann
das Tempo verlangsamen,
anhalten,
sich hinsetzen und setzen lassen,
was sich in uns bewegt.
Dann und wann
das Tempo verlangsamen,
anhalten,
aus unserer Tiefe Bilder aufsteigen
lassen,
dankbar sein und sehen,
was sie uns zeigen wollen,
wohin sie uns weisen.
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