EINFÜHRUNG
Dieses Bild – Öl auf Leinwand, 98x79 cm –
entstand 1669 und befindet sich heute im Nationalmuseum in Stockholm.
Es ist Rembrandts letztes Bild. Der Maler
war 63 Jahre alt.
Er war müde und erschöpft vom Elend und
der Misere seiner letzten Jahre.
Was Glück, aber auch was Leid ist, hat er
bitter erfahren.
1642 starb seine erste und geliebte Frau
Saskia. Das einzige, was ihm blieb, war sein Sohn Titus.
Unverheiratet lebte er danach mit
Hendrickje Stoffels zusammen.
Sie stand ihm lange treu und liebevoll
zur Seite. Doch sie starb 1663, sechs Jahre vor ihm.
Sein ein und alles, sein Sohn Titus,
verstarb 1668 mit 27 Jahren.
Die vierzehnjährige Cornelia, Tochter der
Hendrickje, versorgte ihn leidlich und bewahrte ihn vor dem Verhungern.
Als er starb konnte niemand sein
Begräbnis bezahlen. So wurde er in einem Armengrab beigesetzt.
BILDBETRACHTUNG
Ein ganzes Leben lang hat das Thema
„Simeon und das Christkind“ Rembrandt interessiert und bewegt.
Er hat im Laufe der Zeit sehr
unterschiedliche Skizzen, Radierungen, Pinsel- und Federzeichnungen dazu
geschaffen.
Als Rembrandt starb, stand dieses Bild,
so wie wir es jetzt sehen, fast fertig auf der Staffelei.
Ein
alter Mann trägt ein Kind auf seinen waagrecht nebeneinander
ausgestreckten Unterarmen.
Er trägt es eigenartig frei. Es ist als
würde er das Kind hinhalten, präsentieren.
Wobei auffällt, dass die Hände noch
weiter ausgreifen, wie wenn sie etwas jenseits des Kindes erreichen oder
berühren wollten.
Jedenfalls hält der Mann das Kind nicht
fest, er drückt es auch nicht an sich oder wiegt es in seinen Armen.
Es ist als wolle er das Kind gleich
weitergeben.
Vielleicht will Simeons Hand- und
Armhaltung sagen:
Dieses Kind gehört nicht mir. Es gehört
allen Menschen.
Es ist zu vielen gesandt, zu meinem Volk
und zu allen Völkern.
Oder reicht Simeon das Kind sogar den
Betrachtern entgegen, uns, um es in unsere Arme zu legen, dass wir es
empfangen?
Es ist das Jesus-Kind, das der Greis auf
seinen Armen trägt.
Jesus (Jeschua) heißt übersetzt: Gott
hilft, Gott heilt, Gott rettet.
Was auch auffällt: Nur Simeon, Hanna und
das Kind sind dargestellt. Alles andere ist ausgeblendet. Auch Maria und
Josef sind nicht zu sehen.
Das Bild atmet eine tiefe Stille.
Nichts geschieht, als dass der Greise
Simeon Gott dankt und preist, weil seine Augen das Heil, den Heiland,
schauen dürfen.
Nun ist er bereit, Abschied zu nehmen und
in Frieden aus dieser Welt zu gehen.
Doch ist es wirklich ein Schauen mit
leiblichen Augen?
Es ist als sei der Greis fast blind oder
als habe er die Augen halb geschlossen.
Er ist wie in sich gekehrt. Ist es eher
ein Sehen mit den Augen des Herzens?
Ganz anders der Blick des pausbäckigen
Kindes:
Das Kind schaut geradezu magisch zu dem
alten Mann hinauf.
Der Mund Simeons ist geöffnet. Staunend,
betend, Gott lobend?
Er erkennt in diesem kleinen,
hilfsbedürftigen Kind, das er auf seinen Armen trägt, den ewigen
Gottessohn.
Im dunklen Hintergrund ist die
hochbetagte Prophetin Hanna zu erkennen. Ihr Gesicht ist von viel Leid
und Einsamkeit gezeichnet. Ein Schatten liegt darüber. Man ahnt die
Augen mehr, als dass man sie sieht.
Simeon und Hanna sind einander so nah,
als wären sie eins.
Spiegelt sich Rembrandt nicht nur in dem
alten Mann, dem lobpreisenden Simeon, sondern auch in der alten Frau,
die so viel mitgemacht hat in ihrem Leben und nun schweigend und
nachsinnend dabeisteht und die Szene im Tempel miterlebt?
Hell und Dunkel, Licht und Schatten
prägen das Bild, wie so oft bei Rembrandt.
Woher kommt das Licht? Von oben? Von
unten?
Kommt das Licht von oben aus der Höhe und
trifft Simeons Stirn, sein Gesicht, fällt gleichzeitig auf das Kind und
berührt auch noch Hannas Gesicht, das sonst verschattet bliebe?
Oder geht das Licht von untern, vom Kinde
aus und bescheint Simeons Gesicht und streift auch noch Hanna?
Oder leuchtet das Licht gar nicht aus
dieser Welt? Kommt es von Gott?
Zeigt es diesen beiden Menschen, die ein
Leben lang Ausschau gehalten, gewartet und sich gesehnt haben nach dem
kommenden Messias, zeigt es Simeon und Hanna das Licht, das nun in
diesem Kind zu ihnen gekommen ist?
Beiden kommt die „Erleuchtung“, die
Erkenntnis: Das ist der Heiland, der Erlöser. In diesem Kind kommt Gott
zu uns, begegnet uns, um alle zu retten.
Später wird dieses Kind sagen:
„Ich bin das Licht der Welt. Wer
mir nachfolgt, wird nicht mehr im Finstern tappen, sondern das Licht des
Lebens haben“ (Joh 8).
Jetzt darf Simeon IHN auf den Armen
tragen und IHN schauen, IHN, den lang ersehnten Retter.
Sternstunde, Gnadenstunde!
Er schließt die Augen und dankt. Er
preist Gott für diese große Stunde.
Mehr kann Gott ihm nicht schenken als
dieses Kind, in dem Gott selbst ihm begegnet. Sein Antlitz leuchtet von
dankbarer Ergriffenheit.
Simeon weiß auch, dass sein Leben nun ans
Ziel gelangt ist.
Nun kann er Abschied nehmen und in
Frieden gehen.
Während Simeon von der Kopfhaltung her
eher in die Ferne schaut und sein Blick nach innen gekehrt ist, schaut
Hanna auf das Kind. Ihr Blick hat etwas Achtsames und Nachdenkliches,
etwas Trauriges und Zärtliches.
Es ist nicht einfach Freude, was sie
erfüllt, es ist vielmehr der Glaube, dass da eine große Güte und Treue
über dem Menschenleben liegt, auch wo es von Mühsal, Leid und Einsamkeit
gekennzeichnet ist.
Da ist dann gar nicht mehr wichtig, woher
das Licht kommt.
Wichtig ist nur, wo es ist und dass es da
ist.
Ein Licht, das auch mein und unser Leben,
mein und unser Schicksal erleuchten will und begnaden kann.
GEBET
(von Theo Schmidkonz SJ)
Jesus,
was bringe ich einmal zu dir hin,
wenn du mich endgültig rufst in deine
Ewigkeit?
Ich stehe dann sicher da mit leeren
Händen.
Denn alles, was mir gelingt,
ist deine Gnade, dein Geschenk.
Aber eines bringe ich doch: mein Herz,
gewiss oft voller Fragen und Zweifel,
aber auch voller Sehnsucht
nach dir und deiner Liebe.
Und ich werde meine zitternden Hände
mit Simeon ausstrecken in der Hoffnung,
dass auch ich dich empfangen darf –
als meinen Bruder-Gott in Ewigkeit. |