Im 13. Kapitel des
Matthäusevangeliums hat der Evangelist sieben
Gleichnisreden Jesu zusammengestellt.
Am 15. Sonntag im Jahreskreis A
wird das erste Gleichnis, das vom Sämann, als Frohe
Botschaft vom Reich Gottes verkündet.
Jesus stellt seinen Zuhörern
damals und uns heute das Bild des Aussäens vor
Augen. Dabei schildert er, was alles geschehen kann,
wenn ein Bauer Saatgut auf seinen Acker trägt und
die Körner ausstreut.
Da kommen die Vögel und fressen
davon. Da liegen Steine herum und verhindern die
Einwurzelung des Samens. Da ersticken Dornen und
Unkraut das Aufblühen des Samens.
Alles Mühen scheint vergeblich,
aller Einsatz umsonst.
Man hat den Eindruck: Alles lohnt
sich nicht, es bringt nichts.
Misserfolg und Scheitern auf der
ganzen Linie.
Aber, fragt Jesu mit seiner
Geschichte von der vielfachen Saat:
Ist das nicht ganz normal? Weiß
das nicht der Bauer und rechnet er nicht damit, dass
vieles daneben und verloren geht, dass so viele
Hindernisse und Widerstände dem Einwurzeln und
Aufgehen, dem Reifen und Wachsen entgegenstehen?
Und doch, bestellt der Bauer
nicht trotzdem seinen Acker?
Ja, denn er weiß auch und hat die
Erfahrung immer wieder gemacht, dass ein Teil der
Saat (im Gleichnis ist es ein Viertel) auf guten
Boden fällt und aufgeht und Frucht bringt. Darauf
vertraut er. Und darum sät er großzügig,
zuversichtlich, vertrauensvoll.
Ein solches Bild des Vertrauens
malte VINCENT VAN GOGH im Jahr 1888 unter dem Titel
DER SÄMANN.
Eine Reihe von Versuchen und
Variationen gingen der endgültigen Fassung voraus.
„Der Sämann“ begleitete van Gogh ein Leben
lang.
Das Bild ist zweigeteilt,
zunächst durch einen Baum, der sich diagonal durch
die Bildmitte zieht und an dessen abgebrochenen oder
abgesägten Aststümpfen neue, rötlich prangende
Triebe zu
sehen
sind.
Das Bild ist aber auch insofern
zweigeteilt, dass oben ein gelb-grüner Himmel mit
einigen violett schimmernden Wolken dargestellt ist
und in der unteren Hälfte die Erde mit verschieden
farbigen Feldern und Äckern und am rechten Bildrand
Bäume, die in den Himmel ragen sowie ein Haus und
Gebüsch am Horizont.
Auf der linken Seite hängt direkt
über dem Horizont – wie eine zitronengelbe Scheibe –
die Sonne. Ein dürrer Zweig des Baumes ragt weit in
die Sonnenscheibe hinein.
Im Vordergrund links ist eine
schwarz gekleidete Gestalt zu sehen, mit einer
ebenfalls schwarzen Kappe bzw. Mütze auf dem Kopf.
Mit der linken Hand hält oder trägt er einen
grünlichen Sack oder Beutel. Mit dem rechten Arm
holt er gerade in weitem Schwung aus und wirft mit
seiner Hand den Samen aus. Eine Bewegung, die sich
beim Säen zig Mal wiederholt.
Der Kopf des Sämanns reicht
hinein in den unteren Rand der Sonne. Es ist diese
augenscheinliche Verbindung von Himmel und Erde, die
dem Bild eine religiöse Aura verleiht.
Der Bauer streut unverdrossen
aus, er sät und sät, denn er rechnet damit und
vertraut darauf, dass der Ertrag bzw. die Ernte, die
Menge der Aussaat um ein Vielfaches übertrifft.
Ist Gott der Sämann, der die
Körner ausstreut? Er hat kein Gesicht. Ist es der,
den keiner je gesehen hat, von dem aber Jesus uns
Kunde gebracht hat?
Von daher dürfen wir im Sämann
auch Jesus selbst sehen, den Verkünder des Wortes.
Er ist ganz aufmerksam, ja geradezu liebevoll dem
Erdreich zugewandt.
Das Erdreich symbolisiert im
Gleichnis das Herz des Menschen.
In einem alten Nachtwächterlied
heißt es: „Vierfach ist das Ackerfeld. Mensch,
wie ist dein Herz bestellt?“
Es kommt darauf an, „guter
Boden“ für das Wort Gottes zu sein und für seine
vielfältigen Impulse, Anstöße und Signale im Alltag.
Es kommt darauf an achtsam
wahrzunehmen, bereitwillig aufzunehmen, darüber
nachzusinnen, zu verstehen versuchen und dann das
Vernommene in die Tat umzusetzen.
Dann kann der Samen wachsen und
reifen und Frucht bringen.
Darum gilt immer neu der Anruf
Jesu: „Wer Ohren hat, der höre!“ (Mt 13, 9).
Und sein Wort im Weinstockgleichnis: „Wer in mir
bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche
Frucht!“ (Joh 15,5)
Van Gogh mag aber im Sämann auch
sich selber gesehen haben.
Er kennt die Mühe, den Schweiß,
die Anstrengung. Er weiß, dass das Leben oft ein
Kampf ist. Er kennt Verlust, Misserfolg und
Scheitern. Er kennt Enttäuschung und Frustration.
Und dass man manchmal resignieren und am liebsten
alles hinschmeißen möchte.
Er weiß aber auch, dass es dran
zu bleiben und weiterzumachen gilt, mutig,
unverdrossen und mit einem langen Atem.
Säen, säen und nochmal säen.
Alles Zurückhalten würde die Frucht im Keim
verderben.
Darum, nicht aufhören
auszustreuen, wegzugeben, sich einzusetzen, auch
wenn es immer wieder Hindernisse gibt, auch wenn
sich Widerstand entgegenstellt und trotz aller
Vergeblichkeiten, trotz der Erfahrungen von
Misslingen und Scheitern.
Es braucht Geduld und Ausdauer,
Mut und Vertrauen.
Tun wir das Unsrige. Gott tut das
Seine. Bei ihm ist nichts umsonst.
Möge Gott uns helfen, im Garten
unseres Herzens der Saat immer wieder Licht und Raum
zu geben!
Gebet:
Gott, ich bin wie ein Acker.
Manches an mir ist hart und
festgetrampelt.
Manches an mir ist steinig. Da
kann nichts wachsen.
Manches an mir ist spitz und
dornig. Da ist kein Platz für dich.
Aber da ist in mir auch gutes
Ackerland und fruchtbarer Boden.
Du, Sämann-Gott,
ich möchte offen sein für das
Gute, das in mir wachsen will.
Ich möchte offen sein für dein
Wort, das in mir Wurzeln schlagen will.
Ich möchte dir in mir Platz und
Zeit und Aufmerksamkeit geben.
Dann kann in meinem Leben viel
aufgehen, zum Guten heranreifen und Frucht bringen,
sogar hundertfach.
Allmächtiger, guter Gott,
hilf mir auch bei scheinbar
vergeblichem Mühen, bei Misslingen, Erfolglosigkeit
und Scheitern nicht zu verzagen und zu verbittern,
sondern auf dich zu hoffen und dir zu vertrauen.
Schenke mir Beharrlichkeit und
Geduld, Zuversicht und frohen Mut!
Denn du kannst alles zum Guten
lenken. Bei dir ist nichts unmöglich.
So mag auch bei mir am Ende eine
Ernte stehen, die jedes Maß übersteigt, wie du es
verheißt, dank deiner Gnade und Güte, dank deines
Erbarmens und deiner Treue.
Amen
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