Ein Boot auf offener
See, Wind und Sturm ausgesetzt,
ringsum hohe Wogen
und Wellen.
Im
Boot eine Anzahl Männer mit ganz unterschiedlichen
Haltungen und Gesten.
Dem
tobenden Sturm und den tosenden Wassern
ausgeliefert.
Eine
lebensbedrohliche Situation, höchste Not, äußerste
Krise.
Hilflosigkeit, Angst,
Verzweiflung, Schrecken.
Ist das ein Bild
unseres Lebens und unserer Zeit? Wer von uns kennt
das nicht?
Und
Jesus?
Er ist nicht zu sehen? Er hat die Seinen allein
vorausgeschickt zur Überfahrt ans andere Ufer.
Es war nach der
Brotvermehrung. Die Menschen waren satt geworden.
Die Jünger hatten große Zeichen gesehen.
Jetzt war es Nacht.
„Um die vierte Nachtwache“, so sagt die
Schrift.
Einer
ist gerade dabei, das Boot zu verlassen. Er riskiert
es, auszusteigen und die scheinbare Sicherheit des
Bootes aufzugeben. Er wagt sich hinaus auf das
gefahrvolle Wasser, hinaus auf die sturmgepeitschte
See.
Petrus steigt aus.
Er ist schon mehr draußen als drinnen.
Nur noch den linken
Fuß hat er hinter dem Bootsrand.
Er lässt die Fregatte
des Zweifels und der angstverblendenden Schreie
hinter sich.
Den rechten Arm hat
er weit nach vorn ausgestreckt.
Die Hand greift mit
gespreizten Fingern ins Nichts, in die Nacht, ins
Dunkel. Die andere Hand hält er hinter das Ohr,
formt sie wie zu einer Muschel, um besser zu hören.
Die Augen hat er weit
geöffnet. Sie schauen wie gebannt, wie fixiert ins
lichte Dunkel, ins Ungewisse. Etwas scheint ihn
links außerhalb des Bildes wie magisch anzuziehen.
Und das tosende
Wasser? Es sieht so aus, als würde es den
Wagemutigen, den Glaubenden tragen.
Einer
der Männer
im Boot versucht den Aussteigenden mit aller Kraft
und Gewalt zurückzuhalten und ihn mit Händen und
Füßen wieder ins Boot zu ziehen. Mit beiden Händen
hält er sein Gewand und zieht aus Leibeskräften, den
linken Fuß am Bootsrand abstützend und unterstützend
zu Hilfe nehmend.
Petrus
ahnt in dunkler Nacht den Meister.
Er
hört trotz tosender See den Zuruf: „Mut! Habt keine Angst! Ich bin es.“
Und Petrus erwidert:
„Herr, wenn du es bist, lass mich auf dem Wasser
zu dir kommen!“
Dann hört er aus dem
Dunkel die Aufforderung: „Komm!“
Petrus hört und
folgt.
Er tut den ersten
Schritt der vertrauten und Mut machenden Stimme des
Herrn entgegen.
Er streckt sich nach
ihm aus und versucht ihn mit seiner rechten Hand zu
ergreifen, ihn, der ihn zuvor ergriffen hat.
Aus Hören und Horchen
wächst Gehorchen.
Ist er nicht schon
einmal auf Jesu Ruf hin „ausgestiegen“, hat
alles verlassen, die Boote, den Fischereibetrieb,
die Familie?
Und
die übrigen im Boot?
Man könnte bei jedem
eine Sprechblase bilden und ihm einen Ausruf oder
einen Aufschrei in den Mund legen.
-
Einer tippt mit dem Finger an seine Stirn und
zeigt mit der anderen Hand auf den Aussteiger:
„Der spinnt, total
verrückt! Der hat sie doch nicht mehr alle!"
-
Der hinter ihm, am Ende des Bootes, hat den Kopf
erhoben, die Augen geschlossen und die Hände zum
Gebet gefaltet. Er schickt einen SOS-Ruf zum
Himmel: „Himmel hilf!“
-
Der vor ihm ist tief erschrocken. Er schaut ganz
entsetzt und hält sich an seinem Vordermann
fest: „Wahnsinn, was da abgeht!“
-
Dieser geht in Deckung und schlägt fassungslos
die Hände überm Kopf zusammen: „Nichts hören und nichts sehen!"
-
Ganz rechts im Bild – am meisten von Petrus
entfernt – sitzt einer den Rücken an die
Bootswand gelehnt, den Kopf nach links zum
dramatischen Geschehen gewendet, die linke Hand
abwehrend erhoben. In seinem Gesicht Bestürzung
und blankes Entsetzen. Oder schaut er – wie
gebannt – auf die schemenhafte gespensterhafte
Erscheinung, die ihnen auf dem Wasser
entgegenkommt? „O mein
Gott! Ach du Schreck!“
„Sie schrien auf vor
Angst, denn sie meinten es sei ein Gespenst.“
Menschen wie du und ich.
Jeder reagiert
anders, jeder auf seine Weise, aber alle voll
innerer Dynamik.
Und ich? Wo finde ich
mich wieder?
Bin ich der eine oder
der andere? Oder kenne ich sie alle?
Leben nicht alle in
mir, heute dieser, morgen jener?
Menschen im Boot
– wir – unterwegs wie die Jünger im Auf und Ab des
Lebens, suchend und fragend, hoffend und bangend, in
Angst und Zweifel, auf der Fahrt ans andere Ufer
durch Nacht und Gefahr.
Und
wo ist Jesus?
Er sitzt nicht mit uns im Boot.
Wir machen die
Erfahrung seiner Ferne, seiner Abwesenheit.
Haben wir nicht alle
manchmal Angst, Gott könnte uns verlassen haben?
Und sehen wir nicht
auch manchmal Gespenster, wo wir glauben und
vertrauen müssten?
„Du
Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“
fragt Jesu den sinkenden Petrus, ihn an der Hand
nehmend und aus dem Wasser ziehend, das ihm schon
bis zum Hals steht.
Die
Kirche als Boot,
„ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ auf der
Fahrt durch das Meer der Zeit.
Stürme bleiben diesem
Schiff nicht erspart. Bedrohungen, Krisen, von außen
und von innen. Immer wieder wird es schwer
geschüttelt.
Unterschiedliche
Interessen, Kritik, Intrigen, Auseinandersetzungen.
Verschiedene Bekenntnisse, Lager und Parteiungen.
All das löst Unruhe aus. Es verunsichert und macht
Angst.
Und
wo ist Jesus?
Hören
wir seine Stimme, die Mut machen und Vertrauen
wecken will: „Nur Mut!
Fürchtet euch nicht! Ich bin es!“
Das
Bild von Ernst Alt
fragt, wie wir auf Gottes Stimme mitten in Sturm und
Bedrängnis reagieren.
Rechnen wir überhaupt
mit Gott im Alltag? Wenn es drunter und drüber geht?
In Lärm und Betriebsamkeit? In Hektik und Angst? Bei
Not und in Gefahr?
Zweifeln wir eher
oder glauben wir, dass sein Wort uns tragen und die
Richtung zeigen kann? Glauben wir, dass auf ihn und
sein Wort Verlass ist? Trauen wir, traue ich, dem
„Komm“?
„Um
die vierte Nachtwache“.
– Ist das ein Hinweis auf Ostern?
Die Begegnung Jesu
mit den Jüngern wird geschildert wie die
Erscheinungen des Auferstandenen.
Zur vierten
Nachtwache sprengte Leben den Felsen des Todes.
Zur vierten
Nachtwache, am frühen Ostermorgen, ruft der Engel
den Frauen zu: „Fürchtet euch nicht! Jesus ist
auferweckt. Er geht euch voran nach Galiläa!“
(Mt 25, 5 - 7)
Auch in den
österlichen Auferstehungserzählungen halten die
Jünger Jesu zunächst für einen Geist, erschrecken
und haben Angst. Sein Wort „Ich bin es“
beruhigt auch dort und schafft Vertrauen.
Dass er, der Herr „bei ihnen“ ist, durchzieht übrigens wie ein
roter Faden das Matthäusevangelium. Das beginnt mit
dem Hinweis auf seinen Namen: „Man wird ihm den
Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: „Gott ist
mit uns“ (1, 23), bis zur Verheißung des
Auferstandenen: „Seid gewiss: Ich bin bei euch
alle Tage bis zum Ende der Welt“ (28, 20).
Die Erzählung will
Mut machen: Wer an Jesus Christus glaubt, wer den
Zweifel und die eigene Kleingläubigkeit überwindet
und ihm vertraut, wird nicht untergehen. Ihm wird es
– wie Petrus – möglich, das bedrohliche Wasser und
mit ihm alles, was für menschliches Leben bedrohlich
erscheint, zu besiegen.
HAB VERTRAUEN!
ICH BIN ES!
FÜRCHTE DICH NICHT!
KOMM!
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