Das
Bild gehört zum Zyklus
der 24 Bildtafeln vom ehemaligen Hochaltar der Dominikanerkirche in
Colmar. Martin Schongauer hat zusammen mit seinen Schülern den Altar
gestaltet.
Die Mitte des Bildes: drei
Hände: die ausgestreckte rechte Hand Jesu und die beiden ausgestreckten
Hände Marias.
Diese kam, den Leichnam zu
salben. Der Salbentopf ist nicht mehr nötig. Maria hat ihn weggestellt.
Er, der Herr, steht vor
ihr - lebendig - gekennzeichnet mit den Wundmalen, gehüllt in den roten
Königsmantel, die Siegesfahne mit dem zweifachen Kreuzeszeichen in der
Hand (auf dem Fahnentuch und als Fahnenspitze). Um das Haupt das Zeichen
des Kreuzes wie eine goldene Dornenkrone. Der Auferstandene ist der
Gekreuzigte, der Gekreuzigte ist der Auferstandene!
Die Liebe Gottes hat den
Tod besiegt, den Toten auferweckt.
Ist es der Augenblick, wo
der Auferstandene Maria beim Namen ruft und sich zu erkennen gibt? -
„Maria!“ Der Zuruf trifft die verzweifelt Suchende, die klagend
Fragende.
Innerlich zutiefst
ergriffen (ehrfürchtig?) kommt Maria dem Auferstandenen nahe, sinkt vor
ihm huldigend, grüßend in die Knie. Der Mantel scheint sie fast zu ihm
hin zu tragen: „Rabbuni - mein Meister!“
Hingezogen zu ihm?
Angezogen von ihm?
Jedenfalls hingeneigt -
voll Liebe - voll Sehnsucht, strahlend vor Glück und Freude.
Ist nicht auch eine
zärtliche Zuneigung in der sanften Biegung des Körpers Jesu? Er dreht
den Kopf ihr zu, wendet sein Gesicht zu ihr. Er schaut sie an und sie
schaut ihn an. Ihre Blicke begegnen sich.
Zwei, die sich in Liebe
verbunden wissen, begegnen sich.
Die Nähe aber strahlt aus.
Maria leuchtet auf - das
Kleid - der sonnenmächtige Heiligenschein - das Gesicht. Keine Spur mehr
von Trauer und Tränen darin. - Schon verklärt von seinem Licht?
Wer dem Auferstandenen
begegnet wird leuchten wie er.
Wer den Gekreuzigten, der
lebt, erkennt, findet zum Leben, findet in der Fülle des Lebens seine
eigenen Lebensmöglichkeiten.
Marias Hände sind
sehnsuchtsvoll ausgestreckt.
Sie möchten den Lebendigen
berühren, ergreifen, den Auferstandenen liebend umfassen, umfangen,
festhalten (wie eine Zange?).
Doch Jesus lässt sich
nicht mehr „fassen“, er-greifen, be-greifen, fest-halten.
Hart trifft die Glückliche sein Wort: „Halt
mich nicht fest!“
Seine Körperhaltung weist
in die andere Richtung, weg von Maria.
Er ist im Vorübergehen,
ein Weggehender,
„zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott“.
Jesus ist auf einem Weg,
unterwegs.
Er ist der Weg.
Er ist der „Anführer
des Lebens“ (Apg 3, 15).
Allen will er beim Vater
einen Platz bereiten.
Zu-wendung und Um-wendung
in einem!
Nähe und Distanz,
Wiedersehen und Abschied, alles in dieser Begegnung:
Und Jesu Hand? - Lässt sie
die Berührung zu? - Entzieht sie sich?
Oder gibt sie bereits den Auftrag: Steh auf!
Geh!
Bezeuge meinen Brüdern, sag ihnen, dass ich lebe!?
Maria wird gehen, gehen
als Glaubende, zurückgehen zu den anderen:
erste Osterzeugin,
Kronzeugin der Auferstehung, Botin des neuen Lebens.
Wie am Anfang Eva dem Adam
„zur Hilfe“ ward, hilft Maria von Magdala den Aposteln zu einer neuen
Christus- und Gottesbeziehung, verhilft zum Osterglauben. Die
ursprüngliche Schöpfung scheint auf.
Schongauer hat die
Begegnung gemäß gotischer Tradition in einem Garten geschehen lassen.
Im Hintergrund ein
geflochtener Zaun. Blumen hängen darüber. Links ein hölzernes Gartentor.
Die Tür ist offen.
Im Garten ein
Granatapfelbaum, auf seinen Zweigen Zugvögel, Blüten und Früchte.
Zeichen der Auferstehung!
Die Natur widerspiegelt
das göttliche Geheimnis und die Stimmung dieser Begegnung. Volles
goldenes Licht spiegelt um die Bäume. Blätter und Früchte leuchten.
Ein neuer Morgen - voll
Sonnenlicht – wie am ersten Schöpfungstag!
Vorbei ist die Nacht der
Verlassenheit,
vorbei die Dunkelheit des
Herzens,
vorbei die Düsternis der
Trauer.
Ein Bild der Liebe und des
Lebens, das aufatmen lässt und Hoffnung weckt.
Ein Windhauch durchzieht
das Bild - Wehen des Geistes! Der Garten mit dem Baum des Lebens steht
offen.
|