Das Bild illustriert,
was das Buch Jona im Kapitel 4, Vers 5 berichtet:
„Da verließ Jona die Stadt und setzte sich östlich
vor der Stadt nieder. Er machte sich dort ein
Laubdach und setzte sich in seinen Schatten, um
abzuwarten,
was mit der Stadt geschah.“
Jona
hatte sich zunächst geweigert, nach Ninive zu gehen,
wie Gott es ihm befohlen hatte. Sein Auftrag war:
der in Gottes Augen bösen Stadt das Strafgericht
anzukünden, damit sie – hoffentlich – in sich geht
und sich ändert. Aber was macht Jona? Er flieht. Mit
einem Schiff fährt er Richtung Tarschisch, weit weg.
Die Jona-Geschichte
erzählt dann sehr spannend und anschaulich, wie es
weitergeht mit dem widerspenstigen Prophet und was
alles passiert. Wie Jona von einem großen Fisch
verschluckt wird, der ihn nach drei Tagen und
innigem Gebet an Land speit, und zwar genau da, wo
er auf keinen Fall hin wollte – unweit von Ninive,
der großen heidnischen Stadt, Inbegriff von
Verderbnis, Schlechtigkeit und Sünde.
Und nun bekommt er zum zweiten Mal den Auftrag, die
Niniviten zur Umkehr aufzurufen bzw. die Zerstörung
und den Untergang ihrer Stadt anzusagen. Diesmal
folgt er.
Doch nur ein Stück geht in die Stadt hinein. Und
sagt nur einen Satz: „Noch 40 Tage und Ninive ist
zerstört!“ Lustlos und halbherzig erledigt er
seine Aufgabe.– Aber er hat Erfolg, das Unglaubliche
geschieht, was Jona „befürchtet“ hat, tritt ein:
ganz Ninive tut in Sack und Asche Buße. Die
verdorbene Stadt bekehrt sich.
„Das missfiel Jona.“
(4,1) Er ist stinksauer. Er grollt. Außerhalb der
Stadt bezieht er einen Beobachtungsposten. Dort
wartet er, was weiter geschieht. Seiner Ansicht nach
hat der Sündenpfuhl Ninive nur eines verdient:
Untergang und Verderben. Nach dem Motto: Gott lässt
seiner nicht spotten! Ob Gott vielleicht doch noch
drein schlägt? Ob er vielleicht doch noch Pech und
Schwefel vom Himmel regnen lässt?
Das Bild zeigt es:
Reichlich missmutig und recht trotzig hockt Jona
draußen vor der Stadt am Eingang seiner Hütte und
schaut, ob das Strafgericht Gottes nicht doch noch
auf Ninive herabkommt. Er denkt, dass alles so
kommen wird, wie es kommen muss, wie Jahwe es durch
ihn, seinen Propheten, der Stadt Ninive angedroht
hat. Was gesagt ist, ist gesagt. Gott hält Wort.
Wenn einer zu seinem Wort steht, dann Gott, oder?
Kann er je hinter sein Wort zurück? Kann er den
angedrohten Untergang doch noch verhindern, das
Verderben des Volkes abwenden?
Jona
kann das nicht glauben und er will es nicht glauben.
Jona kennt schließlich seinen Gott. Jedenfalls
glaubt er ihn zu kennen. Schließlich ist er ja sein
Prophet. Schließlich hat sich Jahwe ja ihm
geoffenbart.
Jona in
Wartestellung.
Aber nicht wie einer, der hofft, dass das angesagte
Unheil nicht eintreten möge, sondern in Erwartung
des Gerichts. Verbittert sitzt der Mann Gottes da
und möchte nichts anderes als dass die Stadt, wie es
gesagt ist, untergeht. – Gott aber hat die Androhung
des Unheils ergehen lassen, weil er die Umkehr
des Menschen will. Gott sinnt Gedanken der Rettung,
nicht des Verderbens.
Ganz Ninive
aber – angefangen vom König über alle Einwohner bis
zu den Haustieren – lässt sich von der Umkehrpredigt
des fremden Propheten treffen, bewegen und
erschüttern. Da ist noch ein Funke Hoffnung, dass
Gott – trotz aller Ungerechtigkeit und
Schlechtigkeit der Menschen – doch noch anders
handeln könnte, die Hoffnung, dass auch er, Gott,
„umsinnt“, „umkehrt“, seine Unheilsdrohung
zurücknimmt, Gnade vor Recht walten lässt und
Schonung und Rettung gewährt. „Wer weiß,
vielleicht reut es Gott doch noch und er lässt
ab von seinem glühenden Zorn, so dass wir nicht
zugrunde gehen“ (3,9).
Das „Vielleicht“ ist wie ein Silberstreif am
Horizont. Ein selig-erschütterndes „Vielleicht“,
das die Ahnung, ja die Hoffnung in sich birgt, dass
Gott niemandem von seinem Heil ausschließt, der Reue
zeigt, die Bosheit aufgibt und umkehrt, die
Hoffnung, dass Gott – für alle, die ihre schlimmen
Wege verlassen und sich neu ihm zuwenden – Wege und
Möglichkeiten der Rettung und des Heiles hat.
Nachbemerkungen
1.
Es war schon
immer – und ist nach wie vor – eine Gefahr zu
wissen, wie Gott ist, was er zu machen und wie er zu
handeln hat. Wir – oft auch die Theologen – haben
ein Bild von Gott und meinen: So ist Gott! Oder so
muss er sein, so und nicht anders. Ein Gott, der
unseren Erwartungen entspricht und zu spuren hat,
wie wir es uns wünschen und vorstellen. – Und doch
erfahren wir immer wieder und müssen stets aufs Neue
lernen, dass Gott ganz anders ist, ganz anders wie
wir meinen und glauben, dass er Ungeahntes tut und
zulässt, dass für ihn Unmögliches möglich ist oder
dass er auch auf krummen Zeilen gerade schreibt.
2. Jona
ist und bleibt auch heute noch ein Zeichen, eine
Herausforderung für alle, die meinen über Gott
Bescheid zu wissen, die meinen zu wissen, wie Gott
„funktioniert“, wie es – entsprechend ihrem Bild von
Gott – zu sein, zu „gehen“ und zu „laufen“ hat.
3. Jona
reagiert auf die Güte und das Erbarmen Gottes
gegenüber Ninive mit Verdruss und Zorn. – Wie
reagiere ich, wenn Gott nachsichtig und gut ist
gegenüber anderen? – Ist für mich die Langmut und
Güte Gottes manchmal auch fragwürdig und schwer
verständlich? – Wünsche ich insgeheim gelegentlich
auch die Strafe Gottes auf andere herab?
4. Will
ich, dass Gott sich der Welt – der Ninive-Welt –
erbarmt? Oder gehöre ich eher zu jenen
„Rechtgläubigen“ und „Gottesfürchtigen“, die auch
heute noch lieber sehen, dass über die Sünder
Strafen hereinbrechen, als dass sich Gottes
Barmherzigkeit an ihnen – an uns – erweist?
5. Das
Gottesbild der Jona-Erzählung ist von großer Weite.
Jona erfährt die Großmut Gottes am eigenen Leib.
Wird er sie erwidern? Wird er dahin kommen, selbst
großmütig und weitherzig zu sein, nicht zu
vergelten, sondern zu vergeben? Ob er sehen und
verstehen lernt, dass Gott groß ist im Verzeihen und
dass er das Heil aller Menschen will?
6. Die
Jona-Erzählung hat einen offenen Schluss.
Das Fragezeichen am Ende richtet
sich an uns. Ich bin gefragt. Gottes Liebe ruft
meine Liebe, sein Erbarmen mein Erbarmen. Sein Herz
ruft unser Herz.
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