geistliche Impulse

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Bildmeditation

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Jona in Erwartung

(Bildmeditation zu einer Graphik von Wilhelm Geyer) 

 

Das Bild illustriert, was das Buch Jona im Kapitel 4, Vers 5 berichtet: „Da verließ Jona die Stadt und setzte sich östlich vor der Stadt nieder. Er machte sich dort ein Laubdach und setzte sich in seinen Schatten, um

abzuwarten, was mit der Stadt geschah.“

 

Jona hatte sich zunächst geweigert, nach Ninive zu gehen, wie Gott es ihm befohlen hatte. Sein Auftrag war: der in Gottes Augen bösen Stadt das Strafgericht anzukünden, damit sie – hoffentlich – in sich geht und sich ändert. Aber was macht Jona? Er flieht. Mit einem Schiff fährt er Richtung Tarschisch, weit weg.

 

Die Jona-Geschichte erzählt dann sehr spannend und anschaulich, wie es weitergeht mit dem widerspenstigen Prophet und was alles passiert. Wie Jona von einem großen Fisch verschluckt wird, der ihn nach drei Tagen und innigem Gebet an Land speit, und zwar genau da, wo er auf keinen Fall hin wollte – unweit von Ninive, der großen heidnischen Stadt, Inbegriff von Verderbnis, Schlechtigkeit und Sünde.

 

Und nun bekommt er zum zweiten Mal den Auftrag, die Niniviten zur Umkehr aufzurufen bzw. die Zerstörung und den Untergang ihrer Stadt anzusagen. Diesmal folgt er.

Doch nur ein Stück geht in die Stadt hinein. Und sagt nur einen Satz: „Noch 40 Tage und Ninive ist zerstört!“ Lustlos und halbherzig erledigt er seine Aufgabe.– Aber er hat Erfolg, das Unglaubliche geschieht, was Jona „befürchtet“ hat, tritt ein: ganz Ninive tut in Sack und Asche Buße. Die verdorbene Stadt bekehrt sich.

 

„Das missfiel Jona.“ (4,1) Er ist stinksauer. Er grollt. Außerhalb der Stadt bezieht er einen Beobachtungsposten. Dort wartet er, was weiter geschieht. Seiner Ansicht nach hat der Sündenpfuhl Ninive nur eines verdient: Untergang und Verderben. Nach dem Motto: Gott lässt seiner nicht spotten! Ob Gott vielleicht doch noch drein schlägt? Ob er vielleicht doch noch Pech und Schwefel vom Himmel regnen lässt?

 

Das Bild zeigt es: Reichlich missmutig und recht trotzig hockt Jona draußen vor der Stadt am Eingang seiner Hütte und schaut, ob das Strafgericht Gottes nicht doch noch auf Ninive herabkommt. Er denkt, dass alles so kommen wird, wie es kommen muss, wie Jahwe es durch ihn, seinen Propheten, der Stadt Ninive angedroht hat. Was gesagt ist, ist gesagt. Gott hält Wort. Wenn einer zu seinem Wort steht, dann Gott, oder? Kann er je hinter sein Wort zurück? Kann er den angedrohten Untergang doch noch verhindern, das Verderben des Volkes abwenden?

Jona kann das nicht glauben und er will es nicht glauben. Jona kennt schließlich seinen Gott. Jedenfalls glaubt er ihn zu kennen. Schließlich ist er ja sein Prophet. Schließlich hat sich Jahwe ja ihm geoffenbart.

 

Jona in Wartestellung. Aber nicht wie einer, der hofft, dass das angesagte Unheil nicht eintreten möge, sondern in Erwartung des Gerichts. Verbittert sitzt der Mann Gottes da und möchte nichts anderes als dass die Stadt, wie es gesagt ist, untergeht. – Gott aber hat die Androhung des Unheils ergehen lassen, weil er die Umkehr des Menschen will. Gott sinnt Gedanken der Rettung, nicht des Verderbens.

 

Ganz Ninive aber – angefangen vom König über alle Einwohner bis zu den Haustieren – lässt sich von der Umkehrpredigt des fremden Propheten treffen, bewegen und erschüttern. Da ist noch ein Funke Hoffnung, dass Gott – trotz aller Ungerechtigkeit und Schlechtigkeit der Menschen – doch noch anders handeln könnte, die Hoffnung, dass auch er, Gott, „umsinnt“, „umkehrt“, seine Unheilsdrohung zurücknimmt, Gnade vor Recht walten lässt und Schonung und Rettung gewährt. „Wer weiß, vielleicht reut es Gott doch noch und er lässt ab von seinem glühenden Zorn, so dass wir nicht zugrunde gehen“ (3,9).

 

Das „Vielleicht“ ist wie ein Silberstreif am Horizont. Ein selig-erschütterndes „Vielleicht“, das die Ahnung, ja die Hoffnung in sich birgt, dass Gott niemandem von seinem Heil ausschließt, der Reue zeigt, die Bosheit aufgibt und umkehrt, die Hoffnung, dass Gott – für alle, die ihre schlimmen Wege verlassen und sich neu ihm zuwenden – Wege und Möglichkeiten der Rettung und des Heiles hat.

 

Nachbemerkungen

 

1.    Es war schon immer – und ist nach wie vor – eine Gefahr zu wissen, wie Gott ist, was er zu machen und wie er zu handeln hat. Wir – oft auch die Theologen – haben ein Bild von Gott und meinen: So ist Gott! Oder so muss er sein, so und nicht anders. Ein Gott, der unseren Erwartungen entspricht und zu spuren hat, wie wir es uns wünschen und vorstellen. – Und doch erfahren wir immer wieder und müssen stets aufs Neue lernen, dass Gott ganz anders ist, ganz anders wie wir meinen und glauben, dass er Ungeahntes tut und zulässt, dass für ihn Unmögliches möglich ist oder dass er auch auf krummen Zeilen gerade schreibt.

 

2.     Jona ist und bleibt auch heute noch ein Zeichen, eine Herausforderung für alle, die meinen über Gott Bescheid zu wissen, die meinen zu wissen, wie Gott „funktioniert“, wie es – entsprechend ihrem Bild von Gott – zu sein, zu „gehen“ und zu „laufen“ hat.

 

3.     Jona reagiert auf die Güte und das Erbarmen Gottes gegenüber Ninive mit Verdruss und Zorn. – Wie reagiere ich, wenn Gott nachsichtig und gut ist gegenüber anderen? – Ist für mich die Langmut und Güte Gottes manchmal auch fragwürdig und schwer verständlich? – Wünsche ich insgeheim gelegentlich auch die Strafe Gottes auf andere herab?

 

4.     Will ich, dass Gott sich der Welt – der Ninive-Welt – erbarmt? Oder gehöre ich eher zu jenen „Rechtgläubigen“ und „Gottesfürchtigen“, die auch heute noch lieber sehen, dass über die Sünder Strafen hereinbrechen, als dass sich Gottes Barmherzigkeit an ihnen – an uns – erweist?

 

5.     Das Gottesbild der Jona-Erzählung ist von großer Weite.

Jona erfährt die Großmut Gottes am eigenen Leib. Wird er sie erwidern? Wird er dahin kommen, selbst großmütig und weitherzig zu sein, nicht zu vergelten, sondern zu vergeben? Ob er sehen und verstehen lernt, dass Gott groß ist im Verzeihen und dass er das Heil aller Menschen will?

 

6.     Die Jona-Erzählung hat einen offenen Schluss.

Das Fragezeichen am Ende richtet sich an uns. Ich bin gefragt. Gottes Liebe ruft meine Liebe, sein Erbarmen mein Erbarmen. Sein Herz ruft unser Herz.