geistliche Impulse

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Bildmeditation

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Die barmherzige Dreieinigkeit

(Bildmeditation zu einem Keramik-Relief von Sr. Caritas Müller, OP) 

 

Dieses Keramik-Relief von Sr. Caritas Müller, einer Dominikanerin von Cazis in der Schweiz, gehört zu meinen liebsten Darstellungen der Heiligen Dreifaltigkeit. Das Original ist 45 x 40 cm groß.

Ich finde das Bild einfach schön und es rührt mich immer wieder neu an.

 

Drei helle Ringe bzw. Bögen sammeln sich um einen vierten dunkleren Ring (Bogen) in der Mitte.

Im Mittelpunkt ist ein Mensch zu sehen, dunkel, in der Färbung des Erdbodens – Adam, der Mensch (hebräisch Adamah = von der Erde, „Erdling“).

 

Der Mensch ist aber nicht stark, dynamisch, autonom, nicht kräftig und gesund, sondern schwach, gebrechlich, erbärmlich, ohnmächtig, völlig entkräftet, ganz und gar erschöpft. Er ist wie in sich zusammengesunken, zusammengebrochen? ganz unten, am Boden zerstört? Er kommt einem fast wie leblos vor. Ein Häuflein Elend, ein armer „Wurm“, eine Jammergestalt. Sogar die Rippen sind zu erkennen und zu zählen, wie bei Menschen, die am Verhungern sind. Wir kennen solche Bilder aus der „Dritten Welt“.

 

Das Eigenartige und Einzigartige: Der Mensch in seiner Erbärmlichkeit und Ohnmacht ist umschlossen, umfangen von der Barmherzigkeit Gottes. Von allen Seiten umgibt er ihn. „Du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich“ heißt es im Psalm 139.

 

Von dem großen rechten Ring her umfängt Gott, der Vater, den armseligen Menschen. Liebevoll neigt er sich ihm zu, greift ihm von hinten unter die Arme, hebt ihn auf, trägt ihn, hält ihn.

Wie wenig ist der Mensch – bin ich – aus eigener Kraft!

Doch Gottes tragende Kraft hilft auf, hilft zum Leben.

Es fällt auf: Gottes Gesicht ist ganz nah am Gesicht des Menschen.

Es ist wie wenn dieser den Kopf etwas hinüber neigt.

Gottes Atem ist zu spüren, Gottes Hauch, Gottes Kuss?

Aufgenommen- Angenommensein, Sich-getragen-Fühlen, Stütze und Trost erfahren, Rettung und Hilfe, Heil und Geborgenheit, wer sehnt sich nicht danach?

„Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ (Psalm 8)

 

Vom linken Ring her umfasst und hält Jesus Christus, Gottessohn und Menschensohn, zärtlich die Füße des hilflosen Menschen und küsst sie.

Jesus beugt sich und bückt sich ganz tief – wie bei der Fußwaschung.

„Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen.“ (Mk 10, 45)

Jesus ist ganz heruntergekommen. Er hat sich auf die Ebene des Menschen begeben. Gott am Tiefpunkt des Menschen in seiner Armseligkeit.

„Er hielt nicht daran fest wie Gott zu sein, sondern entäußerte sich und wurde wie ein Sklave…Er erniedrigte sich…“ (vgl. Phil 2, 7.8)

Jesu Leben war Proexistenz, Dasein für andere. Das kleine Wörtchen „für“ ist in seinem Leben ein Hauptwort.

 

Vom oberen Ring her kommt der Heilige Geist – als Taube und Feuerflamme zugleich – zum Menschen hernieder, die Kraft aus der Höhe, der Beistand und Tröster, um den armseligen Menschen mit neuem Leben zu erfüllen.

Gottes Geist schafft Shalom, Aufatmen. Er will den Daniederliegenden, Notleidenden durchdringen, beleben und beseelen. Der Kuss des Heiligen Geistes will entzünden, glühend und brennend machen, neue Lebenskraft entfachen.

 

Der Mensch im Mittelpunkt der Zuwendung Gottes, im Mittelpunkt der göttlichen Liebe, die sich hingibt, eines Gottes, der Zuneigung ist, buchstäblich von Kopf bis Fuß, Begegnung und Liebe.

 

Manchmal gibt es Situationen oder Augenblicke im Leben, da kann ich mich in dem Menschen in der Mitte des Bildes wiederfinden: arm, schwach, hilflos, angewiesen…

Wie gut ist es dann, menschliche Hilfe zu erfahren und an einen Gott glauben zu können, der so liebevoll und barmherzig ist und einen nicht fallen lässt.

 

Gottes Zuwendung und Liebe, sein Erbarmen und sein Trost sind für mich aber auch Aufruf und Aufforderung, es ihm gleich zu tun und so die Botschaft der Erlösung hinzubuchstabieren in meine Umgebung, hier und heute. Denn Gottes guter Geist ist dann lebendig und am Wirken, wo Menschen barmherzig, versöhnlich und friedfertig miteinander umgehen.

 

Impulsfragen

 

Möchte ich – und kann ich mich in diese Bildmitte hineinlegen?

 

Kann ich mich so fallen lassen in meiner Bedürftigkeit, Angst, Ohnmacht, Unvollkommenheit…?

 

Vermag ich an die Liebe der „barmherzigen Dreifaltigkeit“ zu glauben? Vermag ich sie anzunehmen?

 

Oder meine ich, nie schwach sein zu dürfen, stets Haltung wahren, immer stark sein und glänzen zu müssen?

Immer alles im Griff, alles im grünen Bereich? Eine Fassade des Erfolgs und der Stärke nach außen, obwohl es in Wirklichkeit ganz anders aussieht?

 

Es gibt so viele Menschen, die der barmherzigen Liebe bedürfen.

Wen möchte ich in die barmherzige Liebe des dreifaltigen Gottes hineinlegen?

Vielleicht kann mein Herzensgebet heute einmal sein:

„O Gott, komm ihm/ihr zu Hilfe! Herr, eile ihm/ihr zu helfen!

 

Wem kann ich durch meine Nähe die Nähe Gottes, durch mein Erbarmen das Erbarmen Gottes, durch meinen Trost den Trost Gottes, durch meine Liebe die Liebe Gottes, und durch mein Mitgehen und Mittragen (auch im Gebet) das Getragen- und Gehaltensein von Gott erfahrbar machen und verspüren lassen?

 

 

Gebet

 

Du, Gott Vater,

du richtest auf.

Du, Gott Sohn, Jesus Christus,

du trägst in der Tiefe.

Du, Gott, Heiliger Geist,

du Kraft von oben.

Heiliger, dreifaltiger Gott,

in dir leben wir, bewegen wir uns und sind wir.

Du barmherzige Dreieinigkeit,

dir vertrauen wir uns an,

bei dir bergen wir uns

heute, alle Tage,

in der Stunde unseres Todes

und in Ewigkeit. Amen