Exerzitien mit P. Pius

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Emmaus

(Bildmeditation zur Mitteltafel des Rosenberger Flügelaltars, 1988, Sieger Köder)

Bei dem Emmaus-Bild handelt es sich um ein Gemälde des schwäbischen Priesterkünstlers Sieger Köder. Als Pfarrer von Rosenberg (bei Ellwangen) hat er 1988 dieses Bild als Teil eines Flügelaltars für die Rosenberger Pfarrkirche geschaffen.

 

 

Das Bild zeigt links oben den Hügel von Golgota. Die Sonne ist eigenartig dunkel und schwarz, der Himmel blutig rot. Leere Kreuze stehen auf dem Hügel. Leitern lehnen daran. Der Leichnam Jesu und die Leiber der beiden Schächer sind bereits abgenommen.

 

Darunter sind drei schattenhafte Gestalten zu sehen. Die Mittlere hat einen hellen Schein um den Kopf. Es ist der auferstandene Christus, der sich zu den beiden Wanderern gesellt hat. Diese waren von Jerusalem aufgebrochen, dem Ort der Kreuzigung ihres Herrn. Enttäuscht, überaus traurig und niedergeschlagen gehen sie weg vom Ort der Schmach, der Niederlage und des bitteren Endes.

 

Von den Frauen hatten sie zwar bereits die Osterbotschaft vernommen. Diese fanden das Grab leer und Engel verkündeten ihnen die Auferstehung ihres geliebten Meisters. Doch die Jünger vermochten ihnen nicht zu glauben. (vgl. Lk 24, 22 - 25).

Möglicherweise – als Symbol für den Unglauben der Jünger – malt Sieger Köder die aufgehende Sonne – sonst ja Sinnbild für den auferstandenen Christus – völlig schwarz verfinstert.

Auch die Gesichtslosigkeit der drei schattenhaften Gestalten mag andeuten, dass die beiden Jünger „wie mit Blindheit geschlagen“ waren, so dass sie ihren Herrn in ihrer Mitte „nicht erkannten“ (Lk 24, 16).

 

In der Szene darunter befinden sich die beiden Jünger im Blickkontakt und im Austausch miteinander. Der Jünger links hält eine Bibel aufgeschlagen in seiner Hand, während der andere mit dem Finger auf sie deutet. Nach und nach erschließt sich ihnen das Erlösungsgeheimnis von Tod und Auferstehung, zumal Jesus ihnen unterwegs dargelegt hatte, „ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht“ (Lk 24, 27).

 

In dieser Szene sind die Gesichter der beiden Jünger nun sichtbar. Wirkkraft des Wortes Gottes, das Licht ist in der Dunkelheit und die beiden verblendeten Jünger erleuchtet.

Sie ahnen, deuten und verstehen mehr und mehr, was in Jerusalem geschehen ist. „Musste nicht der Messias all das erleiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lk 24, 26).

 

Diese Frage, die Jesus an die beiden Emmausjünger richtet, findet sich am unteren Bildrand über zwei Seiten auf dem aufgeschlagenen weißen Evangelienbuch geschrieben. Jesus will damit den Jüngern die Augen öffnen, nachdem er sie zuvor schon gefragt hat: „Begreift ihr denn nicht? – Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben?“ (Lk 24, 25).

 

Unter dem Evangelienbuch ist eine Schriftrolle zu sehen. Bei dem Schrifttext handelt es sich um ein Zitat aus dem Propheten Jesaja. Der abgedruckte Vers stammt aus dem vierten Gottesknechts-Lied und weist prophetisch auf den leidenden Messias voraus: „Unserer Sünden wegen wurde er durchbohrt und unserer Vergehen wegen zerschlagen“ (Jes 53, 5).

 

Links neben der alttestamentlichen Schriftrolle und dem darüber liegenden neutestamentlichen Evangelienbuch ist ein Pergamentblatt zu sehen. Darauf steht ein Zitat des griechischen Philosophen Platon, der ungefähr 400 vor Christus in seiner „Politeia“ schrieb:

„Die, welche die Ungerechtigkeit vor der Gerechtigkeit lieben, sagen aber dies, daß der Gerechte gefesselt, gegeißelt, gefoltert, geblendet an beiden Augen werden wird und zuletzt, da er alles mögliche Übel erduldet, wird er noch gekreuzigt werden…“

 

Sieger Köder will wohl andeuten, dass schon die griechische Weisheit die Ablehnung des Gerechten gesehen hat sowie dessen Folter, Schmach und Tod, allerdings ohne dieses Leiden und diesen Tod als heilbringenden Opfertod „für uns“ und „um unseres Heiles willen“ zu deuten. Jedenfalls erkennen die Jünger im österlichen Licht nicht nur den Sinn der Schrift, sondern auch was menschliche Erfahrung außerhalb Israels ahnungsvoll ausspricht.

 

In der Mitte des Bildes sitzen die beiden Emmausjünger rechts und links an einem Tisch, der –wie ein Altar – mit einem weißen Tuch gedeckt ist. Sieger Köder erweitert allerdings den Brotbrechungsritus, der im Evangelium Lk 24, 30 berichtet wird, indem er auch den Wein, die andere eucharistische Gabe, mit ins Bild bringt, entsprechend dem Abendmahlsbericht, bei dem Jesus Brot und Wein genommen, darüber den Segen gesprochen und den Seinen gereicht hat.

 

Der Jünger rechts im roten Gewand und dem Gebetsschal um den Hals hält ein Glas mit Wein in seiner linken Hand, während die Rechte staunend und wie zum Segen erhoben ist. Ein Stück Brot liegt vor ihm auf dem Tisch. Er schaut noch wie gebannt auf die Stelle, wo Jesus seinen Platz am Tisch hatte. Er scheint noch nicht zu ahnen, geschweige denn zu wissen und zu verstehen, dass er den eucharistischen Christus bereits in der Gestalt des Weines in seiner Hand hält. Eigentlich braucht er Jesus gar nicht mit seinen leiblichen Augen zu sehen, weil dieser ihm ja in Brot und Wein ganz nahe und gegenwärtig ist.

 

Der linke und wohl ältere Jünger im blauen Gewand schaut schon nicht mehr zum Platz, an dem Jesu saß. Er hat bereits seinen Gebetsschal über den Kopf gezogen. Er neigt seinen Kopf und schaut wie in sich gekehrt nach unten, auf das eucharistische Brot, das er ehrfürchtig in seinen gekreuzten Händen hält. Es ist als würde er Christus – gegenwärtig im eucharistischen Brot – tief versunken anbeten. Dieser Jünger scheint schon verstanden zu haben, dass er Christus – neben ihm sitzend – gar nicht mehr leibhaft-körperlich sehen muss, da er seinen eucharistischen Leib in Händen hält und Christus auf diese Weise ihm ganz nahe ist, sich ihm schenkt und in sein Innerstes einkehrt.

 

Jesus selbst ist nicht zu sehen. Sieger Köder zeigt den auferstandenen Herrn – hier und auch sonst – bewusst nicht in körperlicher Gestalt. Aber da, wo der Tisch an der Stirnseite mit Brot und Wein für Jesus gedeckt ist, ist im Hintergrund seine Anwesenheit mit einer intensiven, lichtvollen und golden leuchtenden Helligkeit – wie eine große Hostie – ins Bild gebracht.

„Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn. Dann sahen sie ihn nicht mehr“ (Lk 24, 31).

 

Das Emmaus-Bild von Sieger Köder beschreibt einen Glaubensweg. Er fängt oben links mit Golgota an, hat in der Mitte als Kulminationspunkt das Mahl, die Eucharistie, und endet oben rechts im Osterjubel.

 

Hier, rechts oben, sehen wir einen der beiden Jünger mit der brennenden Osterkerze, den anderen mit Mandelzeigen in den Händen. – So tragen sie das brennende Licht des Glaubens und ihre erblühte Hoffnung, die Botschaft des Ostersieges, mit Freude in die Welt: Jesus ist auferstanden. Er lebt. Er ist mitten unter uns.

  • Wo zwei oder drei in seinem, Jesu Namen auf dem Weg und beisammen sind,

  • wo Menschen sich für das Wort Gottes öffnen, es zu verstehen suchen und sich davon berühren lassen,

  • und nicht zuletzt: wo sie miteinander das Brot brechen und den Kelch teilen, da ist ER ganz nahe, da ist er gegenwärtig und schenkt sich den Seinen.

 

Das ist Emmaus:

  • tastend, suchend, fragend auf dem Weg sein,

  • offen für Begegnung, im Gespräch miteinander und mit IHM,

  • offen für Gottes Wort, das erloschene Herzen zu entzünden vermag, Gottes Wort, das Licht und Hoffnung schenkt,

  • offen für das Neue: Christus, gegenwärtig in den Gaben von Brot und Wein.

  • die Osterbotschaft vom Leben aus dem Tod mit Freude weitersagen und weitertragen.

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