Ist Ihnen
auch schon aufgefallen, dass es im Advent viele Lieder gibt, in denen
von Türen und Toren die Rede ist?
Und dass
es dabei immer um das Öffnen geht?
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“
singen wir in einem Lied.
Und
weiter: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzenstür dir offen
ist.“
In einem
anderen Lied heißt es: „Reiß ab vom Himmel Tor und Tür“.
Dieses
Bild kommt auch im Kehrvers von Psalm 24 vor:
„Hebt euch, ihr Tore, unser König kommt.“
Sie alle
wissen: Es gibt verschlossene Türen, verriegelte Türen.
Es gibt
zugeschlagene Türen. Es gibt Türen, da ist der „Zutritt verboten“.
Es gibt
aber auch offene Türen und einladende Türen.
Manchmal hängt ein Stück unseres Lebens
vom Durchgang durch eine Tür ab:
In der Sprechstunde des Arztes zum
Beispiel oder im Wartesaal des Arbeitsamtes.
Das Bild
von der Tür lässt sich auch auf Maria übertragen.
In der
Lauretanischen Litanei heißt eine Anrufung: „Du Pforte des Himmels!“
Und in
dem Marienlied „Wunderschönprächtige“ singen wir:
„Selige Pforte warst du dem Worte, als es vom Throne der ewigen Macht
Gnade und Rettung den Menschen gebracht.“
Maria ist die Tür, durch die Gott in
diese Welt kommt.
Der Engel sagt ihr an, dass sie Mutter
werden soll.
Diese Ankündigung kommt total
überraschend. Maria erschrickt.
Sie, ein junges, unverheiratetes Mädchen,
soll einen Sohn empfangen. Das allein ist schon eine Zumutung und eine
Riesenherausforderung.
Und dann kündet der Engel weiter: „Er
wird groß sein und Sohn des Höchsten heißen!“
Maria ist berufen „Gottes Sohn“,
ja, Gott selbst zur Welt zu bringen. Eine umwerfende Botschaft!
Maria
reagiert ganz menschlich.
Sie sinnt
nach, sie überlegt, was das zu bedeuten hat.
Und sie
fragt nach: „Wie soll das geschehen?“
Die
Antwort des Engels: „Für Gott ist nichts unmöglich!“
Da gibt
Maria die Antwort: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
Sie
willigt ein. Sie sagt JA. Sie stellt sich Gott zur Verfügung.
„Mir geschehe nach deinem Wort.“
Maria ist
offen und bereit, für das, was Gott mit ihr vorhat.
Mit ihrem
Ja-Wort ermöglicht sie das Kommen Gottes in unsere Welt.
Sie wird
gleichsam zum Einfallstor für den Gott aus der Höhe, der herunterkommen
will, um uns Menschen auf Augenhöhe zu begegnen.
Maria
wird zur offenen Tür für den, der „für uns und um unseres Heiles
willen“ Mensch werden will, einer von uns, unser Bruder.
Der Name, den das Kind erhalten soll,
umreißt seine heilsgeschichtliche Aufgabe. Dieser Name ist ein Programm.
Er drückt das innerste Wesen Gottes aus. Denn „Jesus“ heißt: „Gott
rettet“ oder: „Gott ist Heil“. Man kann auch übersetzen: „In Gott ist Heil“.
Wo suchen
wir Rettung und Heil?
Im
Fortschritt, im Besitz, im Geld, im Streben nach Macht, im Erfolg, im
Konsum, im Genuss um jeden Preis?
„In Gott ist Heil“.
In ihm allein.
In Jesus
Christus tritt Gott in unsere Welt als Erlöser und Heiland.
Später
wird Jesus seine Sendung selbst so zusammenfassen:
„Ich
bin gekommen um zu suchen, was verloren war und zu heilen, was verwundet
ist.“
Maria, „selige Pforte dem Worte, als es vom Throne der ewigen Macht Gnade und
Rettung den Menschen gebracht:“
Gott will
uns erlösen, aber nicht ohne uns und erst recht nicht gegen uns, sondern
nur mit uns.
Der
Mensch kann das Klopfen Gottes allerdings überhören.
Er kann
bewusst weghören. Er kann sich dem Werben Gottes verschließen.
Er kann
sich verweigern. Er kann sich abwenden von Gott.
Ganz
anders Maria.
Sie
überhört das Klopfen Gottes nicht. Sie hört hin.
Sie
horcht. Sie gehorcht. Sie lässt sich ein. Sie willigt ein.
Sie sagt
ja. Sie sagt es völlig frei und ungezwungen.
Gott
gebraucht nicht die Brechstange. Er setzt nicht die Pistole auf die
Brust. Aber er klopft an, er ruft, er wirbt.
Maria
hört das Klopfen. Sie sagt „Ja“.
Ihre Antwort: „Mir geschehe nach deinem Wort!“
Maria
öffnet die Tür in voller Freiheit und mit allen Konsequenzen.
Und was
für Konsequenzen!
Dieses
„Ja“ ist nicht leichtfertig dahingesagt. Es hat Tragweite. Es hat
Gewicht.
Das sehen
wir im Blick auf die Konsequenzen im Leben Mariens.
Das sehen
wir im Blick auf die Leidgeprüfte, im Blick auf die Schmerzensreiche,
die mater dolorosa.
Von all
den Sorgen um ihren Sohn, all den Konflikten, all den Schmerzen ahnt und
weiß Maria zum Zeitpunkt der Verkündigung noch nichts, noch nicht einmal
von der Herbergsuche, der Geburt im Stall, der Flucht nach Ägypten.
Maria
setzt alles auf eine Karte, auf die Karte Gottes. „Bei Gott ist
nichts unmöglich!“
Sie lässt
alles Fragen und Sorgen. Sie vergisst die Angst und verlässt sich ganz
auf Gott.
Maria
wagt den Sprung ins Vertrauen.
An Maria können wir ablesen, was Glaube
wirklich bedeutet.
Sie hat keine Möglichkeit, die so
unerhörte Botschaft des Engels zu prüfen. Auch den Hinweis auf Elisabeth
und das, was Wunderbares an ihrer Verwandten geschehen ist, kann sie zum
Zeitpunkt der Verkündigung durch den Engel nicht nachprüfen.
Dennoch sagt sie „Ja“. Maria hört auf
Gott. Sie tut was Gott ihr sagt.
Sie tut es ohne Vorbehalt, voll Glauben
und Vertrauen.
Sehen
Sie: Der Zweifler zweifelt an allem. Das gehört zum Zweifel.
Er
zweifelt an der Schöpfung. Er zweifelt an der Jungfrauengeburt. Er
zweifelt an der Auferstehung. Er zweifelt daran, dass es überhaupt Gott
gibt.
Maria
zweifelt nicht. Im Gegenteil! Maria ist das Urbild des Glaubens.
„Für Gott ist nichts unmöglich.“
Wenn Gott Gott ist, dann ist für ihn nichts unmöglich. Gott ist der
Meister des Unmöglichen.
Maria öffnet durch ihr Ja-Wort Gott die
Tür, die Tür, die der stolze Mensch beim Sündenfall zugeschlagen hat und
die er bis heute immer wieder zuschlägt.
Der
Mensch verschließt die Tür, wo er sich absolut setzt, wo er sich wie der
Herr-Gott auf spielt, wo er sein will wie Gott.
Der
Mensch verschließt die Tür, wo er in seiner Selbstherrlichkeit nur sich
selbst kennt und in seiner Hybris nur die eigenen Maßstäbe und Ziele
gelten lässt.
Der
Mensch verschließt die Tür, wo er sagt:
„Hör
mir auf mit Gott! Ich pfeif auf sein Wort. Ich pfeif auf seine Gebote!
Wozu
Gott? Wir machen das schon. Alles im Griff! Ich brauch doch keinen
Gott!“
Maria hat
mit ihrem Ja-Wort die Tür aufgetan für das Wirken Gottes in ihrem Leben
und zum Heil der Welt.
Sie
machte damit gleichsam den Weg frei für Gott.
Durch
Maria konnte Gott beginnen, in der Welt und an der Welt seine großen
Taten zu tun, sein Werk der Erlösung zu vollbringen.
Wenn wir
in diesen Tagen des Advent beten und singen: „Macht hoch die Tür, die
Tor macht weit!“ und wenn wir versuchen, den Herrn wahrzunehmen, wie
er vor der Tür steht und wartet und anklopft, vor der Tür unseres
Herzens – wie Johannes es in der Geheimen Offenbarung (3, 20) so schön
ins Bild bringt – dann ist die Frage auch heute an uns, ob wir sein
Klopfen hören, ob wir wie Maria bereit sind, ihm zu öffnen, ob wir ihn
einlassen in unser Leben.
Von der
Herbergsuche steht nichts im Evangelium.
Aber das
gläubige Volk hat es intuitiv erkannt und eindrucksvoll ins Bild
gebracht: Gottes Anklopfen bei jedem von uns.
Damals
Herzenshärte, Egoismus, Rücksichtslosigkeit, verschlossene Türen,
verschlossene Herzen. Und heute?
Am Leben
Marias erkenne ich drei Wege, drei Möglichkeiten, wie Gott auch heute
bei uns ankommen kann.
Das erste ist die Stille.
Nur wenn
wir ruhig werden und still können wir das Anklopfen Gottes vernehmen.
Wenn wir
laut sind, dann ist Gott nicht noch lauter.
Es
braucht Stille. Stille als Voraussetzung für ein aufmerksames Hören.
Eine
geschwätzige, eine laute, eine in Klatsch und Tratsch verwickelte Maria
kann ich mir schwer vorstellen.
Wir
müssen wieder leise werden. Wir müssen das Lauschen wieder lernen, um zu
erhören, was Gott von uns will.
Zum
Advent gehört die Stille. Alles Laute widerspricht seinem Wesen. Stille,
um zu horchen und dann zu gehorchen.
Das zweite ist der Glaube.
Glaube im
Sinne von Vertrauen, wie wir es an Maria sehen.
Im
Vertrauen auf Gott lässt sie sich ein auf das, was er von ihr will und
was er mit ihr vorhat, auch wenn sie nicht weiß, wie das geschehen soll,
auch wenn die Zukunft für sie im Dunkeln liegt.
Sie
vertraut sich der Führung Gottes an. Sein Wille soll gelten.
Dieser Glaube bewährt sich gerade dort, wo auch wir angesichts mancher
Sorgen, Nöte und Schwierigkeiten fragen: „Wie
soll das geschehen?“
Glauben
ist Aufbrechen, mit Gott neu anfangen, ihn hereinlassen, auch in die
Dunkelheiten des Lebens.
Das dritte ist die Freude.
Maria
lehrt uns die Freude, eine tiefe innere Freude an Gott.
Diese
Freude lässt sie jubeln: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und
mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“
Maria
lebt aus der Freude an Gott, der Großes an ihr getan hat, dessen Name
heilig ist und der durch sie bei den Menschen ankommen und Herberge,
Wohnung und Bleibe finden will.
Es wäre
schade, wenn es bei uns so laut zuginge und wir so beschäftigt wären und
ruhelos, dass wir vor lauter Betriebsamkeit und in allem Trubel (auch
der Weihnachtsvorbereitungen) sein Anklopfen, sein leises, geduldiges
Klopfen gar nicht hören würden und gar nicht hören könnten!
Es wäre schade, wenn wir total zu wären,
voll, besetzt, so voll mit vielem, allzu vielem, dass unsere Tür
blockieren und sperren würde wegen dem Vielen, dem allzu Vielen, wegen
all dem Kruscht und Kram und dem ganzen Zeug und Plunder, der uns oft
bis zum Geht-nicht-mehr gefangen und in Beschlag nimmt.
Es wäre
schade, wenn wir nicht bereit wären, leer zu werden, auszuräumen,
aufzuräumen und Ordnung zu schaffen.
„Erschaffe uns Gott ein reines Herz! Gib uns einen neuen Sinn und einen
neuen Geist!“
Vielleicht bräuchte es dazu eine Auszeit, eine gute Zeit der Einkehr,
des Schauens bei sich selbst, der Lebensbetrachtung aus der Sicht des
Evangeliums.
Vielleicht bräuchte es dazu ein Umkehren und Umsinnen, ein wirkliches
Sich-Bereiten, um IHN mit Freude einlassen und würdig empfangen zu
können – wie Maria.
Öffnen
wir IHM! Öffnen wir die Türen dem Erlöser!
Lassen
wir IHN ein mit seiner Gnade, mit seinem Licht, mit seiner Kraft, mit
seinem Frieden!
Lassen
wir ihn ein in unser Herz, in unser Leben!
Dann wird
uns zuteil, was er selbst uns verheißt:
„Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten.
Und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“
(Offb 3, 20).
Du in
mir, ich in Dir! Welche Freude! Welches Glück!
Treuer
Immanuel, wird auch in mir nun geboren…! Wohne in mir, mache mich eins
nun mit dir, der mich zum Leben erkoren!“
Göttliches Licht, Heiliger Geist, ewige Liebe! |