geistliche Impulse

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Vortrag

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Ein Herz voll Liebe - für uns Menschen

Herz Jesu - Quelle des Heils

 

Von Albert Einstein stammt das Wort: „Das Problem unserer Tage ist nicht jenes der Atomenergie, sondern das des menschlichen Herzens.“ – Ich glaube das stimmt. Da ist was Wahres dran. Das Problem unserer Zeit ist das Herz.

 

Unser technisches Zeitalter ist geprägt vom forschenden Denken, von der kalten, berechnend Vernunft. Wir sind verkopft. Intellekt und Wissen triumphieren. Wir sind auf Leistung aus. Gewinn und Erfolg zählen. Verstand und Geld regieren die Welt. Das Herz des Menschen aber verkümmert. Das Gemüt verarmt. Es fehlt an Herz und Herzlichkeit.

 

Das Herz verendet im Würgegriff von Profit, Prestige und Positionen. Es erstickt in den dicken Brieftaschen und schrumpft im Getriebe von Produzieren und Konsummieren. Es geht unter in einer Lawine von Hass- und Gewaltnachrichten, von Mord- und Skandalgeschichten. Es verrostet und versteinert im Zuviel von Luxus und Wohlstand. Es geht verloren in Wohnsilos, Supermärkten und Vergnügungszentren. – Viele Menschen frieren in unserer formalgesteuerten, anonymen und frostigen Gesellschaft. Andererseits spüren viele, dass das Funktionale, Apparative und Materielle nicht genügt und nicht sättigt. Viele hungern nach Verständnis, nach Angenommensein, nach dem Geschenk des Wohlwollens, des Vertrauens und der Liebe.

 

„Ein Herz für Kinder“. Wer kennt diesen Slogan nicht?

Aber wo finden wir noch Menschen mit Herz? Menschen, die von Herzen gut sind, herzensgut, wie wir sagen. Menschen, die von Herzen lachen können? Menschen, für die der „herzliche Gruß“ am Briefende mehr ist als eine leere Floskel?

 

Leben nicht allzu viele apathisch in eisigen Wüsten wie Ameisen in Luxuspalästen aus Glas und Beton, ohne Gesicht und ohne Herz? – Leben nicht viele wie Raubtiere in einem Dschungel, der nirgends aufhört, auf dauernder Jagd nach Geld, Besitz und Genuss, aber ohne Herz? – Leben nicht viele – angesichts einer immer komplexer werdenden Gesellschaft, immer schnellerem Miteinander und immer rasanteren Digitalisierungsschüben – gefangen in den Klauen des Mithalten- und Leistenmüssens, verfolgt vom Terminkalender, wie in einem Hamsterrad, aber ohne Herz? In den Fängen von Herrschsucht und Machtgier, eiskalt im Kalkulieren und Kontern, zäh und eisern auf den eigenen Vorteil bedacht? – Wenn nicht ohne Herz, so doch oft engherzig und hartherzig?

Jemand hat einmal gesagt: „Vieles ist faul, weil das Herz nicht mehr gesund ist.“ – Ja, Einstein hat recht: „Das Problem unserer Zeit ist das Herz!“

 

Ausgerechnet in dieser Zeit wurde ein Fest und eine Frömmigkeitsform verpönt, die das Herz Jesu feiert und die Güte, Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes zum Inhalt hat.

 

Das Herz-Jesu-Fest wird jeweils am dritten Freitag nach Pfingsten gefeiert, 10 Wochen nach dem Karfreitag, mit dem es innerlich in Verbindung steht. Darum wird auch an jedem ersten Freitag im Monat der Herz-Jesu-Freitag begangen.

Das Herz-Jesu-Fest ist sogar ein Hochfest, hat also den gleichen Rang wie z.B. Weihnachten, Ostern und Pfingsten.

 

Aber wer nimmt Notiz davon? Kaum ein kirchliches Fest ist für viele so weit weg und vergessen wie dieses. Selbst praktizierende gläubige Katholiken haben es nicht im Bewusstsein. Und die Herz-Jesu-Verehrung ist für viele fragwürdig und problematisch geworden.

 

Die einen fragen: Was sollen wir anfangen mit einem Frömmigkeit, zu der wir keinen Zugang haben, weil sie übergeschwappt ist von Kitsch und Süßigkeit, ein Frömmigkeit, die eher abstoßend wirkt als anziehend, weil sie überläuft von Rührseligkeit und Sentimentalität. Mit der Verehrung des heiligsten Herzens Jesu und einem Herz-Jesu-Fest bzw. Herz-Jesu-Freitag können sie nicht viel anfangen. Das alles sagt ihnen nichts und gibt ihnen nichts. Sie sehen darin einen alten Zopf. Und fragen sich, warum man diesen nicht schon längst abgeschnitten hat.

 

Andere meinen: Das Fest und die Frömmigkeitsform passt einfach nicht mehr in unsere heutige Landschaft. Sie halten die Herz-Jesu-Verehrung für nicht mehr zeitgemäß und überholt. Es hat ihrer Meinung nach keinen Platz in einer Zeit, wo man die Ellenbogen gebrauchen muss, in der man gehörig strampeln muss, um sich über Wasser zu halten, wo nur vorwärts kommt, wer andere hinter sich lässt und sich durchsetzt, koste es, was es wolle. – Bleibt da die Menschlichkeit nicht auf der Strecke? Was zählt da das Herz? – Wie du mir, so ich dir, lautet die Devise. Jeder muss zusehen, dass er seine eigenen Schäfchen ins Trockene bringt und nicht selber unter die Räder kommt.

 

Doch gottlob wurde das, was manche für einen alten Zopf halten, nicht radikal abgeschnitten, obwohl nach dem Konzil mancherorts mit vielen Heiligenfiguren auch zahlreiche Herz-Jesu-Statuen und Herz-Jesu- Bilder aus den Kirchen entfernt wurden und einem Kahlschlag zum Opfer fielen.

Gottlob wurde das, worauf viele meinten verzichten zu können, nicht total von der Kirche über Bord geworfen.

Gottlob steht das Fest noch immer – wenn auch weithin übersehen – im Festkalender der Kirche.

 

Gottlob, sage ich. Nicht weil ich ein ungeheures Gefallen hätte an kitschigen Herz-Jesu-Statuen oder süßen Herz-Jesu-Liedern, sondern weil ich – erstens – der Ansicht bin, dass gerade heute in unserer Zeit Herz wieder mehr Trumpf sein und eine größere Bedeutung haben müsste. Und – zweitens, weil es bei der Herz-Jesu-Verehrung um mehr geht als äußere Erscheinungsformen. Leider wurde das Äußere oft das Bestimmende. Und durch einen an sich frommen und gut gemeinten Überschwang hat die Herz-Jesu-Verehrung teilweise Formen angenommen, die es mit sich brachten, dass das Eigentliche und Entscheidende – und auch das Ursprüngliche – verdeckt wurde. Der tiefe Sinn der Herz-Jesu-Verehrung, die ihre Aufgipfelung findet im Hochfest des heiligsten Herzens-Jesu, war manchmal – vor lauter Rankenwerk – nicht mehr sichtbar.

 

Um was geht es eigentlich beim Herz-Jesu-Fest, bei der Feier der Herz-Jesu-Freitage und bei der Herz-Jesu-Verehrung?

 

Wir alle kennen das Herz als Symbol für alles, was mit Empfindung, Gefühl und Liebe zu tun hat. Es ist Sinnbild für die personale Mitte des Menschen.

 

Der tiefe Kern der Herz-Jesu-Verehrung und die zentrale Botschaft des Herz-Jesu-Festes lauten: Gott hat ein Herz für die Menschen. Ein Herz, das liebt und auf Liebe wartet, ein Herz, das unendlich größer und weiter ist als unser oft schwaches, armes, manchmal auch misstrauisches und hartes Herz.

 

Gott hat ein Herz für uns Menschen. Ein gütiges Herz, ein treues Herz, ein liebevolles Herz.

Das innerste Geheimnis echter Herz-Jesu-Verehrung ist die Herzlichkeit, die Milde und Menschenfreundlichkeit Gottes. Wir können auch sagen: seine Liebenswürdigkeit und Zärtlichkeit.

Mag auch die klassische Herz-Jesu-Frömmigkeit vergangener Jahrzehnte manchen Zeitgenossen nichts mehr geben, ihr Inhalt und ihr Auftrag sind meines Erachtens aktueller denn je: Gott hat ein Herz für die Menschen. Er liebt uns mit inniger, ewiger Liebe.

 

Aber wir sagen nicht „Herz-Gottes-Verehrung“, sondern „Herz-Jesu-Verehrung“. Warum? Weil Gottes Liebe in Jesus, seinem Sohn, Mensch geworden ist, Fleisch und Blut angenommen hat, ein menschliches Gesicht und Hand und Fuß bekommen hat.

Wir können auch sagen: Jesus ist das Mensch gewordene Herz Gottes. Oder umgekehrt: Das Herz Jesu ist der Inbegriff der Liebe Gottes. In ihm wird die Menschenliebe Gottes sichtbar und greifbar. In seinem Leben und Sterben hat er uns gezeigt, was Liebe ist, wie weit die göttliche Liebe geht und wieviel sie sich kosten lässt.

 

Jesu Herz ist ein empfindsames Herz, ein erbarmungsvolles und mit-leidendes Herz. Zugleich aber auch das Herz, „in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt“ (Kol 2,9). In Jesus schlug das Herz des lebendigen Gottes, „aus dessen Fülle wir alle empfangen“, ein Herz – wie es die Liturgie sagt: „reich für alle, die zu ihm rufen“, ein Herz, das schenken kann und schenken will. Wenn wir uns nicht verschließen, sondern öffnen, vermag seine Liebe in uns einzuströmen, uns zu durchdringen und uns zu erfüllen.

 

Wer wissen will, wie Gott ist, muss auf Jesu schauen, auf sein Herz und von ihm lernen! „Lernt alle von mir“, ruft Jesus einmal aus, „denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). In einer früheren Übersetzung hat es geheißen, „denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen“.

 

Jesus hatte alles und gab alles hin. – Er war reich und wurde unseretwegen arm. – Er forderte nicht für sich, er gab.

Er wusch anderen nicht den Kopf, sondern die Füße. – Er schlug nicht Wunden, er heilte. – Er ließ sich nicht bedienen und wollte erst recht nicht verdienen, er diente. – Das geknickte Rohr zerbrach er nicht und den glimmenden Docht löschte er nicht aus.

Er hatte ein Herz für die Menschen, gerade die Verlorenen, die Sünder, die Armen und Kranken. Im 4. Hochgebet heißt es: „Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude“

 

Wer wissen will, wie Gott ist, muss auf Jesus schauen:

Jesus hat Mit-Leid. Er hilft und heilt, wo Menschen in Not sind und geht nicht wie der Priester und der Levit im Gleichnis am Nächsten vorüber. Dem bittenden Gelähmten schenkt er die Gesundheit und der trauernden Witwe gibt er den einzigen Sohn zurück. Er weint über den Tod seines Freundes Lazarus und über die Stadt Jerusalem. Er hat Mitleid und tiefes Erbarmen erfasst ihn angesichts der vielen Menschen, die wie Schafe sind, die keinen Hirten haben. Ihn erbarmt die großen Menschenmenge, die schon tagelang – ohne etwas zu essen – bei ihm ausharrt.

 

Jesus setzt Liebe gegen Gesetz. Er durchbricht das harte Rechtsdenken der Pharisäer und Schriftgelehrten und verurteilt die Ehebrecherin nicht, sondern zeigt ihr die Möglichkeit zu einem neuen Leben. Die geöffneten Arme des barmherzigen Vaters – seinem heimkehrende Sohn entgegengehalten – sind ein Bild für die verzeihende und barmherzige Liebe Gottes, die Jesus in seinem Leben praktiziert und anschaulich gemacht hat.

 

Jesus schafft Gemeinschaft durch Vergebung. Aussätzigen, Sündern und Zöllnern öffnet Jesus den Weg in die Gemeinschaft. Er hatte ein Herz besonders für die Schuldiggewordenen.

Dem reumütigen Schächer am Kreuz verheißt er das Leben. Und seinen Vater bittet er um Vergebung für die, die ihm am Kreuz schmähen und verspotten.

 

Einmal ruft Jesus aus: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“ (F. Stier übersetzt: „ihr Mühenden und Überbürdeten“) „ich will euch erquicken.“ Das Wort „erquicken“ lässt das Bild von einer Quelle oder einem Brunnen erscheinen, deren Wasser erfrischt, belebt und stärkt. F. Stier: „Ich werde euch aufatmen lassen.“

Plagen, Lasten und Schweres kennen wir aus eigenem Erleben. Manchmal so sehr, dass wir darunter seufzen und stöhnen. Da tut es gut, mit diesem Belastenden nicht allein zu sein, nicht ganz allein alles tragen und schleppen zu müssen. Da tut es gut, die Lasten bei Jesus abladen und den schweren Lebensrucksack bei ihm abstellen zu dürfen, aufatmen zu können und bei ihm Ruhe zu finden.

 

Das Evangelium lässt uns die ganze Einzigartigkeit der suchenden Liebe Gottes begreifen. Sie treibt den Herrn bis zum Äußersten, ans Kreuz, für uns, aus Liebe.

Im Johannesevangelium heißt es: „Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung.“

 

Diese Liebe lässt seine Seite durchbohrt werden, damit wir Zugang bekommen zum Innersten, in die Mitte, ins Herz der Liebe Gottes. Es ist wirklich eine Liebe, die von Herzen kommt, die keinen ausschließt, sondern alle in die Arme schließt und umfängt.

Jesus sagt im Johannesevangelium: „Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“ (Joh 12,32).

Beim Propheten Sacharja (12,10) heißt es bereits vorausdeutend: „Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben“.

 

Das liebevolle Herz Jesu ist es wert, dass wir auf es schauen und seine Nähe suchen. Denn dieses Herz ist Urbild und Ausdruck der radikalen und endlichen Liebe Gottes, die sich ganz verströmt und restlos hingibt. Es ist wie eine Quelle, eine Quelle des Heils, aus der wir immer wieder mit Freude schöpfen und Kraft und Frieden, Zuversicht und Trost finden können.

 

Über die Verehrung des Herzens Jesu sagt Papst Pius XII. und fasst damit zusammen und bringt auf den Punkt, worum es geht. Er nennt zwei Aspekte: „Die Verehrung des Herzens Jesu ist in ihrem innersten Wesen Verehrung der Liebe, mit der uns Gott durch Jesus geliebt hat. – Zugleich ist sie aber auch Übung der Liebe, die wir Gott und den anderen Menschen entgegenbringen.“

 

Der „Wüstenheilige“ Charles de Foucauld hat sehr schön gerade den ersten Aspekt dargelegt: das Herz, das die Menschen so sehr geliebt hat, dass es sich nicht schonte, sondern sich verausgabte, sich verzehrte und sich hingab.

In seinen Tagebuchnotizen heißt es: „Die katholische Religion klärt uns auf über den Weg des Kreuzes: Sie lässt vor unseren Augen aufleuchten die anziehendste, die strahlendste, die wärmste, die wohltuendste aller Wahrheiten: die Wahrheit des Herzens Jesu.“ Dann fragt Charles de Foucauld: „Warum?“ Und gibt die Antwort: „Wir sind nicht hilflos, verlassen, vergessen auf dem Weg der Nachfolge des Herrn. Bevor wir noch waren, hat ein Herz uns geliebt mit ewiger Liebe.“ Und dann fährt er fort: „Gott liebt uns. Er hat uns gestern geliebt, er liebt uns heute, er wird uns morgen lieben. Gott liebt uns jeden Augenblick unseres Lebens. Er wird uns auch die ganze Ewigkeit hindurch lieben, wenn wir nicht seine Liebe zurückstoßen.“ Dann sagt Charles de Foucauld: „Seht, das ist die Wahrheit des Herzens Jesu, die geoffenbart wurde, um die Herzen der Menschen zu erleuchten und in Liebe zu entflammen.“

 

„Die Herzen der Menschen zu erleuchten und in Liebe zu entflammen“. Hier spricht Charles de Foucauld den zweiten Aspekt an, um den es bei der Verehrung des Herzens Jesu geht: Liebe will Liebe. Liebe will Erwiderung. Gottes Liebe ruft unsere Liebe. Jesu Herz ruft unser Herz.

 

Wie hat Papst Pius XII. es formuliert? „Die Verehrung des Herzens Jesu ist zugleich auch Übung der Liebe, die wir Gott und den anderen Menschen entgegenbringen.“

 

Viele werden an das gute Herz Jesu erst dann glauben, wenn sie bei uns, die wir uns Christen nennen, ein Menschenherz nicht vergeblich suchen. Sie werden erst dann glauben, dass Gott für sie ein Herz hat, wenn sie sehen, dass wir ein Herz für sie haben.

„Wenn Gott uns so geliebt hat“, heißt es in der zweiten Lesung vom Herz-Jesu-Fest (Lesejahr A), „dann müssen auch wir einander lieben.“

 

Die Antwort bzw. das Echo auf die die Liebe Gottes in Jesus Christus hat also zwei Richtungen, eine vertikale und eine horizontale: Erstens: zu Gott hin! Und zweitens: zum Mitmenschen hin, zum Bruder zur Schwester im Glauben.

 

Die erste, vertikale Richtung kommt meines Erachtens gut in einer Strophe eines gern gesungenen Weihnachtsliedes zum Ausdruck: „In deine Lieb versenken will ich mich ganz hinab, mein Herz will ich dir schenken und alles, was ich hab.“

Ist das nicht – ohne jede Sentimentalität – eine sehr passende und gute Antwort? Dass wir – über alle Gleichgültigkeit hinweg – es wieder wagen, unserem Herrn und Heiland zu sagen, dass seine Menschwerdung und sein Tod am Kreuz, dass seine Liebe uns nicht kalt lässt, nein, dass sie uns etwas, dass sie uns viel, ganz viel, dass sie uns alles bedeutet.

Vergessen wir aber nicht, dass es Liebe zu Gott ist, wenn wir die Schwester, den Bruder lieben. „Seht, wie sie einander lieben“ haben die Zeitgenossen von den ersten Christen gesagt.

 

Und das ist die zweite, die horizontale Richtung der Antwort unserer Liebe auf die Liebe Gottes: Liebe zum Nächsten!

Wenn es wirklich so ist, dass unsere Welt weithin kalt, herzlos, und damit erbarmungslos und gnadenlos geworden ist, wenn es in unserer Gesellschaft an Herz und Herzlichkeit fehlt, ist es dann nicht an uns, die wir Christi Namen tragen, der Liebe Gottes auch in dieser Richtung Antwort zu geben: durch unsere Zuwendung und Liebe zum Nächsten in Zeichen, Worten und Taten? Konkret: durch Solidarität und Hilfsbereitschaft, durch Geschwisterlichkeit und Güte, durch herzliches Erbarmen, Verzeihen und Geduld.

 

Gelegenheit dazu gibt es täglich. Wir sollten gerade – und es sind unzählige – ein Herz haben für die, die einsam sind, die keinen haben, der sich ihrer annimmt, keinen, bei dem sie mit dem Herzen zu Hause sein können.

 

Vielleicht fällt uns jetzt jemand ein, ein Name, ein Gesicht von einem Menschen, der auf ein liebendes Herz wartet, einen Besuch, einen Telefonanruf, auf ein Zeichen der Güte, auf eine selbstlose Geste, einen freundlichen Gruß, ein Wort der Anerkennung, einen Wink der Verbundenheit und Freundschaft. Mit einem Wort: auf ein liebe-volles, gutes Herz.

 

In diesem Sinne sind wir immer wieder neu eingeladen und aufgerufen, die Liebe Christi in unserem Leben, in unserer Umgebung transparent werden und durchscheinen zu lassen.

 

Ein Gebet aus der Liturgie der Kirche, das mir gut gefällt und das ich gern bete, fasst die vertikale und horizontale Richtung der von Herzen kommenden Liebe sehr schön zusammen:

„Herr, du Feuer ewiger Liebe, entzünde unser Herz mit deiner Glut, damit wir dich über alles lieben und aus Liebe zu dir auch unsere Schwestern und Brüder.“

 

Herz-Jesu-Verehrung – recht verstanden – sollte nicht Inbegriff von religiösem Kitsch oder peinlicher Sentimentalität sein. Eigentlich und wirklich ist das Herz Jesu der Inbegriff der Liebe Gottes. Verehrung des Herzens Jesu ist Verehrung des Herzens Gottes. Jenes Gottes, der uns in Jesus, seinem Sohn, nahegekommen ist, sich den Menschen voll Liebe zugewandt und sich als der Barm-herz-ige  erwiesen hat, als ein Mensch mit Herz.

In Jesus Christus begegnet uns Gottes Herzlichkeit, seine Herzensgüte und Herzensweite auf menschlich unfassliche und unfasslich menschliche Weise. Im Schauen auf ihn, auf sein Herz, im Hören auf sein Wort, im Gehen seines Weges, im Tun dessen, was er uns sagt, können wir selbst zu menschlicher Herzlichkeit und herzlicher Menschlichkeit angeregt und bewegt werden.

Herz-Jesu-Verehrung – so gesehen – wäre dann nicht überholt und gestrig, sondern hochaktuell und überaus bedeutsam.

 

Zum Schluss möchte ich noch auf einen Bittruf der Herz-Jesu-Frömmigkeit zu sprechen kommen, den ich von klein auf als Stoßgebet gelernt habe und der mich seit meiner Kindheit begleitet. Er ist an Jesus gerichtet und lautet: „Bilde unser Herz nach deinem Herzen!“ – Ein Jesus-Gebet! Damit kann ich sehr viel anfangen. In meinen Augen ist das eine ganz wesentliche und entscheidende Bitte. Es geht dabei um Umformung und Umgestaltung in Christus. Es geht darum, ihm immer ähnlicher und gleichförmiger zu werden.

 

„Bilde mein Herz nach deinem Herzen!“

Das ist christliche Herzensbildung per excellence!!!

 

Gebet

 

Jesus Christus,

bilde und forme mein Herz nach deinem göttlichen Herzen!

 

Schaffe du darin Raum für dich und deine barmherzige Liebe und für die Menschen mit allem, was sie auf dem Herzen haben und mir anvertrauen.

 

Weite du mein Herz, damit es deine Größe erahnt, deine Geduld widerspiegelt, deine Güte verschenkt, deinen Segen und deine Gnade ausstrahlt.

 

Vertiefe du mein Herz, damit es in dir verwurzelt und verankert bleibt in den Mühsalen, Anfechtungen und Stürmen des täglichen Lebens.

 

Läutere du mein Herz, damit es aufrecht und tapfer, wahrhaftig und wohlwollend, glaubwürdig und liebenswürdig dir und den Menschen dient.

 

Einige schöne und viel sagende Zitate, über die nachzudenken und die zu be-herz-igen, sich lohnt: 

  • „Gott legt das Maßband nicht um den Kopf, sondern um das Herz“ (irischer Segenspruch)

  • „Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt“ (Blaise Pascal)

  • „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ (A. d. Saint-Exupery)

  • „Man muss dem Herzen schenken, nicht nur der Hand.“ (R. M. Rilke)