Was ist die Hauptsache am
Christentum? Was unterscheidet das Christentum von anderen Religionen und
Weltanschauungen?
Sonntags in die Kirche gehen? An die richtige
Lehre glauben? Sich an eine bestimmte Moral halten? – Das alles hat seine
Bedeutung. Aber es lebt von ganz woanders her!
Die Hauptsache am Christentum ist nämlich gar
keine „Sache“, sondern die Person: Jesus Christus. ER, ist das
unterscheidend Christliche! In der Mitte unseres Glaubens steht eine lebendige
Person: JESUS
Ein Christ wird man dadurch, dass man an Jesus Christus glaubt.
Genauer gesagt: dass man zu ihm eine persönliche Beziehung
gefunden hat. – Ohne diese lebendige Mitte bleibt alles andere am
Christentum leer, tot und starr. – Von IHM her aber lebt alles. Wer auch
immer zu Jesus eine Beziehung hat und IHM begegnet (in seinem Wort und
Sakrament, im Not leidenden Nächsten usw.), der steht der Mitte des Christentums
nahe.
Und dies ist es, was wir (am Christkönigsfest) bekennen:
dass Jesus für uns die Mitte, der
„König unseres Lebens“ ist.
Ist er die Mitte, um die mein Leben kreist?
Ist er
für mich der Weg und die Wahrheit und das Leben? Ist er für mich der
Weinstock, ohne den ich keine Zukunft habe? Ist er der „König meines
Lebens? Suche ich in ihm den Sinn meines Lebens? Suche ich in ihm
mein Heil? Finde ich in ihm Frieden, Halt, Geborgenheit?
Beziehungen
sind etwas recht Geheimnisvolles und darum schwer zu beschreiben. Wenn
ein Liebespaar zusammenfindet, sagen Leute oft verwundert: „Was findet er nur
an ihr bzw., sie an ihm?“ So recht erklären kann man das nicht. Warum
nenne ich jemanden „meinen Freund“? Weil er mir persönlich wichtig
geworden ist. Das eben macht die „persönliche Beziehung“ aus.
Mir liegt etwas genau an diesem Menschen.
Ein Funke ist übergesprungen, der uns beide verbindet. Begründen kann man das
nur schwer.
Darum verzichte ich hier auf viele Erklärungen über Jesus
und über den Glauben an ihn. Statt dessen versuche ich lieber in Worte zu
fassen, „was ich an Jesus finde“. Dabei mag man besser
verstehen lernen, was das bedeuten kann: zu Jesus eine Beziehung gewinnen.
Um diese Beziehung zu jemandem zu finden, muss
man ihn selbstverständlich erst einmal kennen. Jesus kenne
ich aus den Evangelien, die über sein Leben, Wirken und Sterben berichten und
die bezeugen, dass er auferstanden ist und für immer lebt. Dort in den
Evangelien kann jeder, der es ernsthaft will, Jesus kennen lernen. Dabei
mag jener Funke überspringen, der eine Beziehung eröffnet.
So ganz reicht es aber meistens nicht, sich nur mit der
Bibel zu befassen. Jesus kann einem auch nahe kommen durch
Menschen, die eine solche Verbindung mit ihm hatten und daraus lebten und davon
Zeugnis gaben. Für mich sind da ganz wichtig geworden: der heilige Franziskus
und die heilige Klara von Assisi, aber auch Elisabeth von Thüringen, Edith Stein. Manche
Menschen auch in meiner Umgebung haben für meine Beziehung zu Jesus Christus
eine große Rolle gespielt, sie beeinflusst, gefördert und geprägt.
Bei einer Begegnung mit Chiara Lubich, der Begründerin der
christlichen Erneuerungsbewegung der „Fokolare“ – es ist schon über 30 Jahre her
– es war in Münster i. Westf., da drängte sich mir der Eindruck auf: „Diese Frau spricht von Jesus, wie ein junges Mädchen von seinem Verlobten
sprechen könnte – ähnlich vertraut und begeistert!“
Durch solche Menschen ist mir Jesus als
Lebendiger nahe gerückt. Ihr Zeugnis weckte und stärkte meinen Glauben.
Liebe Schwestern und Brüder!
Was finde ich an Jesus? Was zieht mich zu ihm
hin?
Was an ihm fasziniert mich?
Da ist zunächst die
Beobachtung, wie viel Heilendes von Jesus ausgeht. – Gab es je einen Menschen, der eine derart uneingeschränkt
positive, heilende Ausstrahlung hatte - wie Jesus?
Die Evangelien sind voll von Krankenheilungen,
die er gewirkt hat. Aber nicht nur das! Jesus weckt Vertrauen in den
Menschen. Sie drängen zu ihm, suchen ihn, wollen ihn berühren. Auch Sünder,
Außenseiter, Verachtete finden Vertrauen zu ihm. Genau dieses Vertrauen
ist wohl das Geheimnis, warum so viele sich bekehrten, gestärkt und aufgerichtet
wurden, Befreiung und Heilung erfuhren, Frieden und Versöhnung fanden, Mut und
Zuversicht schöpften.
Jesus baute Gemeinschaft um sich auf. Viele schlossen sich
ihm an, Frauen und Männer, gingen mit ihm, lebten mit ihm.
Es ist frappierend, wie Menschen in der Begegnung mit ihm
ihre inneren Blockaden, Abhängigkeiten, Besessenheiten, und Süchte los werden
und sich wandeln zu offenen, freien Menschen.
Das kann man auch heute noch erleben, wo sich
jemand Jesus öffnet, seinem Wort, seinem Geist, wo jemand sich ihm
anvertraut, wo einer ganz auf seine Kraft und Hilfe baut: befreit werden
vom Kreisen nur um sich selbst, innere Heilung, ein Ganz- und Neuwerden durch
ihn, ein neues Denken und Handeln.
Ebenso Gemeinschaft finden, Gemeinde, Brüder und
Schwestern, dazugehören und so vom Individualismus und Alleinsein befreit
werden.
„Wer glaubt, ist nicht allein“
(Benedikt XVI.)
Das wünsche ich mir. Darin möchte ich Jesus
ähnlich werden: Positives, Heilendes ausstrahlen – wie er; Vertrauen wecken in
den Menschen – wie er; Gemeinschaft stiften – wie er.
Eindrucksvoll finde ich sein Gottesverhältnis.
- Hat je ein Mensch aus einer so intimen Nähe zu Gott
gelebt wie Jesus?
„Abba = lieber Vater!“ so redet er Gott an. Ein absolutes
Vertrauen, eine totale Hingabe an Gott drückt sich darin aus, eine einzigartiger
Nähe und Verbundenheit mit Gott. Er ist wahrhaft der „Sohn Gottes“.
Das wünsche ich mir: Eine solche Nähe zu Gott, eine so
liebende Verbundenheit, ein solch absolutes Vertrauen, dieselbe Hingabe zu
gewinnen – wie Jesus und frei zu werden von jeder Angst.
Aber auch wir heißen nicht nur Kinder Gottes, sondern wir
sind es. Und tatsächlich lehrt Jesus uns beten „Vater unser“. Er
lehrt uns Gott so anzusprechen wie er selber es tut. Er nimmt uns hinein
in seine innige, ja intime Beziehung zu Gott. „Ich gehe hin zu meinem Vater
und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“, sagt der Auferstandene zu
Maria von Magdala.
Was mich an Jesus
herausfordert: seine Lebenseinstellung. Nicht Selbstverwirklichung, sondern Dasein für Gott und die
Menschen.
Wie oft wird gefragt: „Was
habe ich davon? Was bringt mir das?“
Das ist Jesus fremd. Das Hauptwort
seines Lebens ist das kleine Wörtchen „für“: Ganz für Gott und ganz für
die Menschen.
Es ist paradox: Seine
Selbstverwirklichung besteht in der totalen Hingabe, im Sich-Verschenken.
Brotbrechen und Weizenkorn werden. Proexistenz. Und doch verliert Jesus
sich nicht. Er weiß, was er will. Er ruht in sich und steht zu sich. Gerade
durch diese Hingabe - ohne jede Angst um sich selbst - wird Jesus „er selbst“.
Ist dies das wahre und echte Bild
des Menschen? Erfüllt sich hierin Menschsein? Geht so die eigentliche
Lebenserfüllung?
Sind wir modernen Menschen gründlich
auf dem Holzweg, wenn wir dauernd angstvoll und um uns selber kreisend fragen:
„Ja, und was hab‘ ich dann
vom Leben?“
Jesus sagt mir: Schiele nicht dauernd ängstlich auf dich
selbst.
„Wer sich hingibt empfängt, wer sich selbst
vergisst, der findet.“
Nur so gelingt und erfüllt sich auch dein Leben!
Muss man sich verschenken, um sich zu
verwirklichen?
Jesu Lebenshaltung stellt mich in Frage. Sie fordert mich
heraus. Und mit dieser Herausforderung bin ich noch lange nicht fertig. Jesus lebt hier jedenfalls etwas vor, was ganz anders ist als die heute
verbreitete Lebenseinstellung. Das fasziniert mich.
Kann ich ihm darin ähnlich werden? Mit Mühe tue ich immer wieder
tastende Schritte. Mit vielem stehe ich immer noch am Anfang. Wo immer es
aber gelingt, erfahre ich und bestätigt sich das Sprichwort: „Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu anderer Glück.
Freude, die wir andern geben, strahlt ins eigene Herz zurück.“
Am meisten provoziert mich Jesus mit seiner
Radikalität.
Bei ihm gibt es keine halbe Sachen. In der
Bergpredigt etwa fordert er auf zu völlig lauterem und selbstlosem Leben:
absolute Ehrlichkeit, Treue, Nächstenliebe, Versöhnungsbereitschaft (vgl. Mt 5,
20 - 48); lautere Religiosität, Gottesverehrung ohne Eigennutz, allein aus Liebe
zu Gott (vgl. Mt 6, 1 - 18); rückhaltloses Vertrauen und innere Freiheit (vgl. Mt
6, 19 - 34).
Das sind eindrucksvolle Ideale. So könnte
Menschsein aussehen - nicht so kleinkariert, abgewogen, gutbürgerlich, wie ich
selbst doch meist lebe, sondern konsequent und darum erfüllt.
Es fasziniert mich. Aber es ist eine sehr hohe
Latte. Ich merke immer wieder wie es einfach etliche Schuhnummern zu groß für
mich ist und wie ich immer wieder dahinter zurück bleibe.
Vor allem, wenn ich an Jesu Tod denke: wie er mit
überlegener Gelassenheit vor Pilatus steht, wie er im Vertrauen auf Gott ins
Dunkel schreitet... „Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben.“
Werde ich je so lieben können? Und mein Leben geben für andere? Habe ich nicht
eher Angst davor?
Da tröstet mich dann wieder Jesu grenzenlose
Barmherzigkeit.
Er kennt mich mit meinen Grenzen und Schwächen. Er weiß um meinen
„Kleinglauben“. Er verzeiht mir immer wieder neu und sagt zu mir: „Fang wieder von vorne an! Geh weiter! Ich nehme dich an der
Hand. Ich bin an deiner Seite. Ich verlasse dich nicht. Ich zeige dir den Weg.
Hab Mut! Glaube! Vertraue!“
In diesem Zusammenhang bete ich gern: „Jesus,
der in uns den Glauben vermehre! Jesus, der in uns die Liebe entzünde! Jesus,
der in uns die Hoffnung stärke!“
Liebe Schwestern und Brüder!
Wie geht der „Weg mit Jesus“ ganz praktisch?
Wie realisiere ich die Beziehung zu ihm?
Einmal, indem ich ihn immer wieder anrede, mit ihm im
Gespräch bleibe, bete. Zu Jesus beten! Mich ihm öffnen! Mich ihm
hinhalten! Ihm alles sagen und alles zu ihm hintragen. Mich selbst ihm anheim
stellen. Rufen und bitten, loben und preisen. Und immer wieder danken.
Theresa von Avila sagt: „Beten ist meiner Meinung nach
nichts anderes als das Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft und gern
zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir wissen, dass er uns liebt.“
Solches Beten ist dann kein Müssen und kein Tun
und Machen mehr, sondern ein Suchen seiner Nähe, ein Verweilen in seiner
Gegenwart. Solches Beten wird immer stiller und innerlicher. Es wird ein Hören,
ein schweigendes Lauschen.
Wie geht der „Weg mit Jesus“ ganz praktisch?
Ein zweites ist mir wichtig: „Wachse Jesus, wachse in
mir!“
Hineinwachsen in seine Gesinnung.
Versuchen, immer mehr seine Konturen anzunehmen. „Bilde mein Herz nach deinem
Herzen!“ Gestalte mich in deiner Liebe um! Eine ähnlich Lebenseinstellung
anstreben, wie Jesus sie vorlebt: frei von Selbstbezogenheit, Leidenschaft für
Gott und Leidenschaft für die Menschen, ganz im Vertrauen auf Gott, ganz in der
Liebe zu den Menschen.
Wie geht der „Weg mit Jesus“ ganz praktisch?
Ein Drittes: „Was er euch sagt, das tut!“ Sein
Stimme hören.
Auf ihn hören.
Das Evangelium als Wegweiser, als Richtschnur als Maßstab. Sein Wort gibt
Orientierung. Es ist ein Licht in der Dunkelheit. Es gibt Trost und Halt. Es
rettet und heilt. Es richtet auf und befreit.
Manchmal provoziert es mich auch. Es stellt
Fragen. Es stellt mich in Frage. Aber ich weiß, dass dies heilsam ist, dass es
mich wach rüttelt, mich zur Umkehr mahnt und mich wachsen lässt.
Wie geht der „Weg mit Jesus“ praktisch?
Ein letztes.
Für mich am wichtigsten: Vertrauen zu Jesus.
Darum nenne ich ihn „Freund“ und „Meister“ und
„Wegbegleiter“.
Vertrauen
ist mir nicht selbstverständlich. Vor allem, wenn etwas schief geht, wenn
mein Leben dunkel wird, bei Ärger, Enttäuschungen, Leiderfahrungen. Wenn etwas
quer kommt, mich aus der Bahn wirft. Dann muss ich manchmal sehr um mein
inneres Gleichgewicht kämpfen und wieder neu um Vertrauen ringen.
Doch seltsam: sobald ich es fertig bringe, mich aus
Zweifel, Schmerz oder Verwirrung heraus an Jesus zu wenden, kehrt das Vertrauen
wieder und weckt eine Gewissheit, dass ich nicht allein bin und ich fühle mich
trotz allem getragen. Dann spüre ich, dass Jesus mich tatsächlich
begleitet, dass er das Licht ist, das mich erleuchtet, die Kraft, die mich
stärkt, der Beistand, der mich nicht verlässt.
Liebe Schwestern und Brüder!
So steht Jesus hier und heute (am Christkönigsfest) auch vor
Ihnen, vor jedem einzelnen von Ihnen. Und fragt: Willst du mir nicht dein
Vertrauen schenken? Vertraue meiner Liebe! „Ich bin dein Licht und dein Heil.
Ich bin die Kraft deines Lebens“ (vgl. Ps. 27). Und er sagt: Nimm
mich als deinen „König“ – als Freund, als Meister, als Erlöser!
Du zweifelst noch? Du hast Bedenken, wohin ich
dich dann führen werde? Ich verstehe dich. Doch lass dich nicht vom Kleinglauben
blockieren! – Eigentlich ist es ganz einfach: Sag „ja“ zu mir! Werde
immer mehr eins mit mir! Hab keine Angst! Ich bin bei dir! Lass dich von mir an
der Hand nehmen. Dann zeig ich dir Schritt für Schritt den Weg. Und gebe dir die
Kraft dafür.
Du wirst mich finden im Wort meines Evangeliums
und in der Stille des Gebetes. Du wirst mir begegnen in jedem Menschen, dem Du
Liebe schenkst und beistehst. Jetzt tu den ersten Schritt! Und dann tu den
nächsten Schritt! Sage: „O Gott, komm mir zu Hilfe! Herr, eile mir zu
helfen!“ Sage: „Ich glaube, Jesus! Hilf meinem Kleinglauben!“ Sag‘ nur:
„ich glaube“, dann bin ich immer mit dir!
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