Immer wieder werden Menschen in Unglücke
verwickelt.
Nicht selten gibt es irreparable
Totalschäden an Gebäuden und Fahrzeugen.
Derartige Verluste sind noch zu
verkraften. Wenn jedoch Personen verletzt werden, wenn Menschen zu
Schaden kommen oder gar zu Tode, dann ist der Schmerz und der Jammer
groß.
Unsere Welt ist voller Schäden. Und in
jedem Leben gibt es Wunden, Risse, Scherben. Mit einem Wort: Unheil und
Leid!
Manches, was in Brüche geht, lässt sich
wieder reparieren.
Scherben lassen sich unter Umständen
wieder zusammenkitten.
Für viele Sachschäden kommt die
Versicherung auf.
Aber es gibt auch seelisches Leid.
Und durch seelisches Unglück werden mehr
Menschen geschädigt als durch Verkehrsunfälle.
Seelische Wunden heilen und vernarben oft
nicht so schnell wie körperliche. Und immer wieder können sie anfangen
zu bluten.
Unsere Welt blutet aus vielen Wunden.
Niemand wird behaupten, dass wir in einer
heilen Welt leben.
Und es gibt wohl kaum jemanden, dem nicht
dieses oder jenes zu schaffen macht.
Und selbst wenn jemand meint, sein Leben
sei auf Rosen gebettet, wird er über kurz oder lang merken, dass die
Rosen Dornen haben.
Nicht wenige sehen ihr Leben wie einen
Teufelskreis. Es kommt ihnen verkorkst vor, chaotisch. Sie sagen: da ist
der Wurm drin. Das Böse scheint mächtig am Werk zu sein. Die Narben der
Schuld, die Stigmata der Sünde sind überall sichtbar.
Die Theologie sagt:
Alle Menschen sind von der Sünde
infiziert. Es gibt einen Unheilszusammenhang, eine universale
Unheilssituation, von der niemand ausgenommen ist.
Doch die durch die Erbsünde verzeichnete
und pervertierte Welt entspricht nicht dem ursprünglichen Konzept Gottes
von der Welt und vom Menschen in ihr.
Die
Erzählung
vom Sündenfall (Gen 3, 9 - 15.20)
gehört zu den Urgeschichten der Bibel.
Sie gibt Antwort auf die Frage, woher
kommt das Böse, das Leid, die Mühsal, die Not und der Tod.
Ist das alles ein Konstruktionsfehler des
Schöpfers?
Die Bibel sagt klipp und klar: Nein!
Die Zerrissenheit der Welt, alle
Gebrochenheit des Menschen kommt nicht von Gott.
Am Anfang war alles gut.
Der Mensch war Partner Gottes.
Er hatte als Ebenbild Gottes eine
einzigartige Würde.
Er besaß alles Notwendige in Fülle. Das
Leben war paradiesisch.
„Gott sah, dass alles gut war.“
Doch der Mensch wandte sich ab von Gott.
Er sagte sich los von ihm.
Er entschied sich in seiner Freiheit
gegen Gott.
Er entschied sich für das verlockende
Sein-wie-Gott.
Verblendet und verführt, suchte er alle
Herrlichkeit und Erfüllung statt in Gott in sich selbst.
Das
ist die Ursünde.
Durch sie kommt alle Zerrissenheit und
Gebrochenheit, alle Störung und Unordnung.
Das Böse nistete sich ein in der Welt.
Und kein Mensch ist davor gefeit.
Diesen Unheilszusammenhang nennen wir
Erbsünde.
Wie kann der Mensch die
Freundschaft mit Gott, die er im Ungehorsam verlor, wieder erlangen?
Wie kann die Zerrissenheit
der Schöpfung, die der Mensch verursacht hat, wieder hergestellt werden?
Wie kann das Zerbrochene
wieder heil und ganz werden?
Die Antwort kann nur lauten:
Durch Umkehr und Gehorsam.
Der Mensch muss seine Blickrichtung
wieder ändern.
Er muss sich wieder auf seinen Ursprung
besinnen.
Er muss zu Gott, zum Leben zurückkehren.
Dann wird ihm Heil zuteil.
Das Heil wird ihm zuteil.
Es ist viel mehr Geschenk
als Leistung.
Es ist viel mehr Gnade als
Verdienst.
Der Mensch kann seine
Gebrochenheit nicht selbst heilen.
Er kann und muss
mitwirken.
Die Rettung aber kommt von
Gott.
Unser Dasein bleibt nur dann „elend“,
wenn wir uns verweigern,
wenn wir uns dem Licht und der Gnade
verschließen,
wenn wir auf die falsche Karte setzen,
wenn wir auf die Stimme des Bösen hören,
statt uns dem Guten zu zuwenden,
wenn wir eigene, selbstherrliche Wege
gehen, statt die Wege Gottes,
wenn wir nicht denken, was Gott will,
sondern was die Menschen wollen,
wenn wir uns verhärten und an uns selbst
genug haben.
Dass Gott uns heilen will in der Wurzel
unserer Existenz, das ist die Botschaft der Bibel.
Auch der sündige Mensch bleibt in der
Hand des gnädigen Gottes.
Gott hört nicht auf, dem Verlorenen
nachzugehen und dem Sünder seine Hand entgegenzustrecken.
„Gottes Gedanken“,
so heißt es in einem Psalm, „gehen von
Geschlecht zu Geschlecht, ihr Leben dem Tod zu entreißen und sie zu
nähren in ihrem Hunger.“
Wie ein Freudensignal klingt der Satz
durch die Erzählung vom Sündenfall:
„Feindschaft will ich setzen zwischen dir
und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er wird dir
den Kopf zertreten.“
Dieser Satz ist
„UREVANGELIUM“.
Er ist wirklich „Frohe
Botschaft“, ein Wort der Hoffnung. Er weist hin auf künftiges Heil.
Frohe Botschaft,
weil Gott selbst, trotz
allem Bösen und gegen alles Böse, aus der unheilvollen Situation einen
Weg zeigt, weil mitten im Strafspruch über unsere Stammeltern das
göttliche Erbarmen durchscheint, ein Morgenrot der Hoffnung.
Ein Lichtschimmer dringt
herein in das Dunkel der Sünde.
Die Situation ist nicht ausweglos. Sie
ist nicht total verfahren.
Es gibt Rettung. Der Verlust des
Paradieses ist bei Gott kein irreparabler Totalschaden.
Gott lässt den Menschen nicht fallen.
Immer wieder bietet er seinen Bund an.
Er schickt Propheten. Er lehrt durch sie,
das Heil zu erwarten.
Es ist Gott ganz viel daran gelegen, dem
Menschen neu seine Nähe und Freundschaft schenken.
Die erste Frohbotschaft der heiligen Schrift
weist hin auf den kommenden Erlöser.
Der Sieg des Bösen ist nicht endgültig.
Einer wird kommen und den Kopf der
Schlange treffen.
Er wird dem tödlichen Unsinn ein Ende
machen und den Menschen eine neue Zukunft eröffnen.
Das Wort der Hoffnung in der
Sündenfallgeschichte verheißt einen Sieger, gleichsam einen zweiten
Adam, der das Heil bringt für alle.
Gott selbst wird kommen und uns retten,
uns herausführen aus aller Not, uns befreien von Sünde und Schuld.
Wir Christen glauben:
Jesus ist der von Gott gesandte Retter
und Heilsbringer.
Er hat durch seinen Tod am Kreuz die
ursprüngliche Freundschaft zwischen Gott und Mensch wieder hergestellt
und so „der Schlange den Kopf zertreten“.
Er hat als Lamm Gottes die Schuld der
Welt getragen, alle Sünde auf sich und hinweggenommen.
Jahrtausende wartete die
Menschheit auf diesen Erlöser.
Durch das ganze Alte Testament klingt
immer wieder die Verheißung auf:
Einer wird kommen, der
stärker ist als die Schlange; einer, der die Macht besitzt, die
Menschheit aus der Umklammerung der Sünde zu befreien.
Immer heller durchstrahlt
den dunklen Advent des Alten Testaments die Hoffnung auf Rettung.
Immer deutlicher wächst
aus der Nacht die Lichtgestalt empor, die Gott als Morgenröte, als Stern
der Hoffnung über das verschlossene Tor des Paradieses setzte:
„Seht, die Jungfrau wird empfangen und
einen Sohn gebären…“
Gott holt die Menschen aus dem Kreislauf
des Bösen.
In Maria hat er
damit begonnen.
Maria war keine Stunde und
keine Sekunde in Schuld verstrickt.
Gott hat sie im Hinblick
auf seinen Sohn auf einzigartige Weise ausgezeichnet, beschenkt,
begnadet.
Maria:
ein Lob der Gnade Gottes.
Er hat sie von Anfang an
vor jeder Sünde bewahrt.
Maria:
das reinste und wenn man will „gelungenste“ Geschöpf, die Immaculata,
die neue Eva.
Der Immanuel, der „Gott mit uns“ wird
geboren von ihr,
die nicht wie Eva den Tod, sondern das
Leben gebiert,
die nicht Unheilsträgerin ist, sondern
Heilsträgerin,
nicht Mutter der Schuldbeladenen, sondern
Mutter des Erlösers und Ersterlöste von allen Erlösten.
Unheil
brachte das frevlerische Nein unserer Stammeltern gegenüber Gott.
Heil
brachte das Ja der Gottesmutter.
Unheil
brachte der Ungehorsam gegenüber Gottes Ordnung.
Heil
brachte der Gehorsam und Demutssinn Mariens, ihre radikale Orientierung
am Willen Gottes: „Siehe, ich bin die Magd des
Herrn“.
Nicht die Strafe ist das letzte Wort im
Sündenfall, sondern die Verheißung.
Das ist die erste Frohe Botschaft, die
Ur-kunde aller Verkündigung:
Gottes Liebe und sein Erbarmen
triumphiert über alle Sünde.
Seine Gnade ist größer als alle Schuld.
Mit dem Jawort der Jungfrau von Nazareth
setzte Gott einen neuen Anfang.
Es ist wie ein neuer Morgen: hell und
klar, voll Verheißung und ohne Bedrohung, voll Licht und ohne Dunkel.
Maria
ist die Morgenröte des Heils. Sie ist nicht selbst das Heil. Aber sie
hat den Heiland geboren. „Heute ist euch in der
Stadt Davids der Heiland geboren, Christus der Herr.“
Für uns ist Maria ein Zeichen des Trostes
und der Hoffnung:
Seit Ewigkeit sind wir erwählt als Kinder
Gottes zu leben.
Er will auch unsere Gebrochenheit heilen.
Er will uns befreien aus der Umklammerung
der Sünde.
Größer als alle Schuld ist seine Liebe.
Größer als die Sünde ist seine
Barmherzigkeit, seine Gnade.
Natürlich ist unsere Erde
und unsere Geschichte nicht schon wieder Paradies. Das sehen und
erfahren wir jeden Tag.
Das Böse sucht immer
wieder Fuß zu fassen in unserem Herzen, in unserem Leben, im Gefüge der
Menschheit.
Wir sind jedoch nicht
hilflos in den Teufelskreis hineingeboren.
Seine erste
Bruchstelle hat dieser bekommen als Maria in der Freiheit ihres Herzens
und mit der ganzen Hingabe ihres Wesens ihr Fiat sprach. „Mir geschehe nach deinem Wort.“
In Maria dürfen wir den
Menschen erkennen, wie Gott ihn sich gedacht hat, völlig unverdorben,
vollkommen schön, vollständig durchsichtig für Gott. Maria: die
immaculata conceptio Gottes.
Erlösung ist seitdem nicht
mehr nur Verheißung. Sie hat schon begonnen. Sie ist allerdings noch
nicht zu Ende.
Die Fleischwerdung des
Heiles Gottes geht weiter.
Im 4. Hochgebet spricht
der Priester die Bitte aus:
„Wenn die ganze Schöpfung
von der Verderbnis der Sünde und des Todes befreit ist, lass uns zusammen
mit ihr dich verherrlichen in deinem Reich.“
Die Rettung, die Maria
durch ihr Jawort ermöglichte und die Jesus uns gebracht hat, muss auch
heute in die Welt kommen, und zwar über uns.
Sagen Sie es selbst: Über
wen sonst soll Gottes Heil und Segen heute in die Welt kommen, wenn
nicht dadurch, dass wir selbst ein Segen sind, achtsam, heilvoll und
liebevoll miteinander umgehen.
„Liebe ist nicht nur
ein Wort. Liebe, das sind Worte und Taten.“
Maria ehren heißt:
nicht nur Maria loben und
preisen und Gott danken für ihre Erwählung.
Zum Lob des Mundes muss
das Lob des Lebens kommen!
Maria ehren heißt:
versuchen, wie Maria zu
leben,
sie nachzuahmen in ihrer
Gesinnung und Haltung,
offen zu werden – wie sie
– für die Pläne und Absichten Gott mit uns,
ja sagen zu dem, was Gott
mit uns vorhat,
treu der eigenen Berufung
entsprechend leben,
im Vertrauen auf Gott
leben.
Maria ehren heißt:
bestrebt sein – wie sie –
Instrument Gottes zu sein,
Diener, Dienerin des
Allerhöchsten,
Werkzeug des Friedens,
Zeuge der Wahrheit,
Bote, Botin seiner Liebe.
Maria,
du voll der Gnade,
du Rose ohne Dornen,
du Makellose,
du Ursache unserer Freude.
Mit dir preisen wir Gott und danken ihm,
der so Großes an dir getan hat.
Sein Name ist heilig und werde von uns
geheiligt.
Er bewahre uns vor Verwirrung und Sünde
und erlöse uns von allem Bösen.
Bitte für uns, heilige Gottesmutter,
bitte für uns Sünder,
auf dass wir würdig werden der
Verheißungen Christi.
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