Jetzt
haben wir sie wieder erlebt, die Zeit der Narren, der Hexen und Teufel,
die Zeit der Geister, der Kobolde und Clowns.
Die Aktiven der Fasnacht, der Narrenzünfte und Hexengruppen hatten in
den vergangenen Wochen Hochsaison und einen vollen Terminkalender.
Wochenende für Wochenende sind sie in ihre Häs (alemannisch) gestiegen,
in ihre Hexenkostüme oder sonstige Verkleidungen.
Und
ihr Gesicht haben sie hinter einer Maske versteckt.
Die
Maske vor dem Gesicht, habe ich mir sagen lassen, kann sehr anstrengend
sein, vor allem dann, wenn es sich um eine schwere Holzmaske handelt,
die man zudem in der Öffentlichkeit nicht abnehmen darf.
Das
stundenlange Eingezwängtsein in eine schwere Holzmaske, dazu vielleicht
noch ein schwerer Hut und ein unbequemes Kleid kann bei Umzügen und
Narrentreiben auf den Straßen und
in Lokalen äußerst beschwerlich sein.
Hinter
der Maske ist es eng und stickig. Die Sicht ist eingeengt. Man sieht
nicht rechts und links. Eigentlich sind es recht anstrengende Tage
hinter der
Maske. Der Spaßfaktor ist eher gering. Und am Fasnachtsdienstag ist man
gewöhnlich froh und erleichtert über die Demaskierung.
Doch
einen Vorteil hat die Maske. Man kann sein wahres Gesicht verbergen. Man
bleibt unerkannt und anonym. So kann man seine Späße machen und den
anderen die Meinung sagen, ohne das Gesicht zu verlieren.
Die
Idee, sein Gesicht hinter einer Maske zu verstecken, ist uralt.
Masken
gibt es nicht nur hier zu Lande an der Fasnacht.
Masken
gibt es bei allen Völkern und Kulturen.
Und es
gibt sie zu allen Zeiten.
Schon
in der Kunst und Bilderwelt der Steinzeitmenschen vor 10.000 Jahren
tauchen immer wieder Maskenträger auf, meistens in Tiergestalt.
Es
scheint ein Urbedürfnis des Menschen zu sein, sich eine Maske
aufzusetzen, sein Gesicht zu verändern, es zu verstecken, sich hinter
einem fremden Wesen zu verbergen.
Kinder
maskieren sich gern. Schon die Hände vor das Gesicht zu halten und durch
die Finger hindurch zu lauern ist eine Art, sein Gesicht zu verstecken,
sich zu maskieren.
In
Vaters Stiefel steigen oder sich in Mamas Stöckelschuhen groß zu machen,
hat eine ähnliche Bedeutung und Wirkung.
Jemand
hochnehmen, bluffen, motzen, lässig tun, sich frisieren, schminken, die
Sonnebrille (sich nicht in die Augen schauen lassen): alles kann eine
Art Maske sein.
Wer
sich maskiert, möchte gern etwas anderes sein, etwas vormachen,
Schauspielen, eine Rolle spielen, sein wirkliches Wesen verbergen bzw.
sein wahres Ich nicht zeigen.
In der
Fasnacht und beim Faschingsball macht der biedere Büromensch dann mal
gern einen gefährlichen Piraten und die Kassiererin vom Supermarkt
spielt gern eine Prinzessin.
Masken
tragen wir sehr oft, nicht nur zur Fasnacht, manchmal mehrere auf
einmal. Manchmal nehmen wir eine unserer Masken ab, aber dann kommt
darunter nur eine neue Maske zum Vorschein. Wir machen die größten
Anstrengungen, zu verbergen, was wir in Wahrheit sind.
Man
kann fragen: Wann tragen wir eigentlich keine Maske?
Und:
Können wir überhaupt ohne Maske sein?
Manchmal tragen wir die Maske aus freien Stücken,
oft
aber auch gezwungenermaßen.
Die
Verkäuferin, der Bankbeamte, die Bedienung in der Gaststätte, der
Schaffner im Zug, immer sollen oder müssen sie freundlich sein, nett,
zuvorkommend, hilfsbereit, ob sie wollen oder nicht, ob ihnen danach
zumute ist oder nicht.
Der
Kunde ist „König“.
Und
sogar ein schlechtes Benehmen des Kunden muss mit Freundlichkeit und
Höflichkeit beantwortet werden.
So
will es der Arbeitgeber.
Aber
auch im Kollegenkreis geben wir uns längst nicht immer so wie wir
sind. Auch da tragen wir Masken.
Man
darf z. B. keine Schwäche zeigen und sich keine Blöße geben. Das wird
gnadenlos ausgenutzt. Es gilt das Recht des Stärkeren.
Andererseits darf man wiederum auch nicht zu arrogant sein, kein
Kritikaster, keiner, der dauernd meckert. Das kommt auch nicht gut an.
Oft muss man auch vorsichtig sein, was man sagt, und wem man etwas sagt.
Und so
sucht man nicht nur dem Chef, sondern auch den Kollegen und Kolleginnen
zu gefallen, sich anzupassen und den Erwartungen zu entsprechen.
Nicht
nur im Berufsleben ist das Maskentragen gefordert, auch in unserem
Privatleben.
Auch
da tragen wir oft Masken und verbergen unser wahres Gesicht.
Wir
machen gute Mine zum bösen Spiel.
Nach
außen zeigen wir uns anders als wir nach innen fühlen.
Wir
pflichten z. B. bei und stimmen zu, aber in uns ist Widerstand und
Abwehr. Wir spielen den Mitleidigen, dabei sind wir schadenfroh. Oder
wir spenden Lob und Anerkennung, dabei beherrscht uns Neid und
Eifersucht. Wir heucheln Zuneigung, wo wir gar keine spüren. Die Erben
weinen, aber unter der Maske ist es ein Lachen.
Oder
wir geben uns freundlich und zeigen uns aufgeräumt, aber innen sieht es
ganz anders aus. Doch das geht niemand etwas an, das verbergen wir, das
überspielen wir.
„Wie geht’s?“
Meistens sagen wir „gut“, auch wenn’s nicht stimmt und es uns
vielleicht sogar beschissen geht.
Wir
tun so als wären wir gut drauf, alles in Ordnung, alles im Griff, alles
im grünen Bereich. Und denken: „Wenn die wüssten!“
In
Wirklichkeit erdrücken uns fast die Sorgen und Probleme.
Oder
wir geben uns heiter, aber in uns ist Unruhe und Angst.
Wir
geben uns gelassen, routiniert, selbstsicher, so als stünden wir drüber,
aber in Wirklichkeit gärt und kocht es in uns.
Wir
sind verärgert, wütend. Am liebsten würden wir den anderen würgen oder
auf den Mond schießen. Aber wir dürfen uns keine Blöße geben, müssen uns
zusammenreißen, vielleicht sogar schön tun und freundlich sein.
Wir
tun so als wüssten wir Bescheid, als bräuchten wir niemand, als ginge
uns alles leicht von der Hand. Aber auch uns gelingt nicht alles.
Manches geht schief, manches bleibt bruchstückhaft.
Doch
nach außen zeigen wir das nicht. Wir lassen es nicht merken. Wir geben
es nicht zu. Wir spielen den starken Mann, den Könner, den Tüchtigen,
den Wissenden. Und sind nach innen doch oft wie ein zittriges Kind. Wenn
wir allein und für uns sind, könnten wir losheulen, so elend ist uns
zumute.
Oft
kostet es viel Kraft, die Fassade nach außen aufrechtzuerhalten. Mit Müh
und Not gelingt es vielleicht auch eine Zeit lang, Sorgen, Ängste,
Probleme zu verbergen, so tun als sei alles in bester Ordnung, bis wir
es nicht mehr schaffen, bis uns die Luft ausgeht und das Kartenhaus, das
Lügengebäude, zusammenbricht.
Selbst
im Freundes- und nächsten Verwandtenkreis tragen wir manchmal
Masken, zeigen nicht immer unser wahres Gesicht, sagen nicht immer
alles, was wir denken, verheimlichen dieses und jenes und verbergen
Seiten an uns, die andere nicht wahrnehmen sollen.
Warum?
Wir wollen Konflikte vermeiden, unnötigen Auseinandersetzungen aus dem
Weg gehen. Wir fürchten uns vor dem Urteil der anderen. Wir haben Angst
vor Zurückeisung und Ablehnung. Wir wollen nicht, dass andere schlecht
über uns denken und reden.
Es
gibt Dinge, die wir selbst der besten Freundin, dem besten Freund nicht
anvertrauen. Selbst vor dem Ehepartner verschweigen wir manches, wo wir
denken, das muss er/sie nicht unbedingt erfahren, das braucht er/sie
nicht zu wissen.
Warum?
Weil wir Aufregung vermeiden und uns Ärger ersparen wollen. Oder weil
wir einfach nur den leichteren Weg gehen wollen. Oder weil wir denken,
unsere Ziele so besser erreichen zu können.
Oft
tragen wir auch mehrere Masken, indem wir verschiedene Rollen spielen.
Jemand
ist z.B. im Geschäft die Chefin, die hin stehen muss, Entscheidungen
treffen, sagen, was Sache ist und wo es lang geht und manchmal auch hart
durchgreifen.
Zuhause ist sie die gute Mutti, die liebe Ehefrau, die für die Ihren da
ist, treu und sorgend, dass es allen gut geht.
Am
Abend im Frauentreff ist sie die Allroundunterhalterin, die
Stimmungskanone mit viel Humor und immer ein Witz auf Lager.
Ein anderes Beispiel: „der Radfahrer“!
Im
Betrieb nach oben buckeln, zu Hause nach unten treten.
In der
Familie ein Tyrann, kaum auszuhalten. Im Verein der gute Kumpel und
anderen Leuten gegenüber immer nett und freundlich.
Jesus
nennt die Pharisäer öfter „Heuchler“, einmal auch „übertünchte
Gräber“, außen hui, innen pfui. Zwei Gesichter. Oder er sagt, dass
sie anderen schwere Lasten aufbürden, aber selbst keinen Finger rühren,
um sie zu tragen? Fasten, beten, Almosengeben tun sie nur, um von den
Leuten gesehen zu werden. Es ist nicht echt. Mehr scheinen, als sein.
„Heuchler“
kommt im Griechischen aus der Theatersprache. Gemeint ist der
Schauspieler, der anderen etwas vor macht
Warum tragen wir Masken?
Wir
wollen Konflikte vermeiden, unnötigen Auseinandersetzungen aus dem Weg
gehen. Wir fürchten uns vor dem Urteil der anderen. Wir haben Angst vor
Zurückeisung und Ablehnung. Wir wollen nicht, dass andere schlecht über
uns denken und reden. Wir wollen uns nicht schämen müssen oder uns eine
Blamage ersparen.
Haben
wir nicht alle das Bedürfnis eine Maske aufzusetzen?
Haben
Masken nicht auch etwas Gutes?
Hier kommen wir an einen entscheidenden Punkt:
Masken
verhüllen, verdecken und verbergen nicht nur.
Masken
haben auch Schutzfunktion. Sie dienen als Selbstschutz.
Masken
schützen die Stellen, wo wir verwundbar sind.
Wir
tragen Masken, weil wir Angst haben, den Blicken und Gedanken anderer
Menschen schutzlos ausgeliefert zu sein.
Wir
tragen Masken, weil wir Angst haben, verletzt zu werden, enttäuscht,
betrogen, dem Spott oder der Lächerlichkeit preisgeben. Wir wollen uns
nicht blamieren oder schämen müssen.
Und so
haben wir es gelernt, wie man es macht, Schwächen und Blößen zuzudecken,
Gefühle zu verbergen und das wahre Gesicht nicht zu zeigen. Aber sind
wir so echt?
Eine Geschichte erzählt:
Es war einmal ein Mann, der trug sieben verschiedene Masken, für jeden
Tag der Woche eine. Wenn er morgens aufstand, bedeckte er unverzüglich
sein Gesicht mit einer seiner Masken.
Sodann
kleidete er sich an und ging zur Arbeit aus dem Haus.
Er
lebte auf diese Weise, ohne jemals irgendjemandem sein wahres Gesicht zu
zeigen.
Doch
eines Nachts, während er fest schlief, stahl ihm ein Dieb seine sieben
Masken. Als er aufwachte und den Diebstahl feststellte, schrie er
völlig kopflos: „Haltet den Dieb! Haltet den Dieb!“ Dann rannte
er auf der Suche nach seinen Masken durch alle Straßen der Stadt.
Die
Leute sahen ihn wild gestikulieren, fluchen und die ganze Welt mit den
schlimmsten Schicksalsschlägen bedrohen, wenn er nicht seine Masken
wiederfinden könnte. Den ganzen Tag verbrachte er damit, nach dem Dieb
zu suchen, aber es war alles umsonst.
Verzweifelt und untröstlich brach er zusammen und weinte wie ein kleines
Kind. Die Leute versuchten ihn zu trösten, aber nichts konnte ihm aus
seinem Unglück helfen.
Da kam eine Frau vorbei und fragte ihn: „Freund, was ist mit dir los?
Warum weinst du so?“ – Er hob den Kopf und gab mit erstickter Stimme
zur Antwort: „Man hat mir meine Masken gestohlen und mit derart
unverhülltem Gesicht fühle ich mich viel zu verletzbar.“ –
„Tröste dich“, sagte sie, „schau mich an:
Ich habe von Geburt an immer mein Gesicht gezeigt.“
Er sah
sie lange an und erkannte, dass sie sehr schön war.
Die
Frau beugte sich zu ihm herab, lächelte ihm zu und trocknete ihm die
Tränen ab. – Da spürte der Mann zum ersten Mal auf seinem Gesicht, wie
wohl es tat, zärtlich berührt zu werden.
Ein
Text von Christa Weiß lautet:
Seit Jahren schon laufe ich mit einer Maske umher.
Sie
ist mein zweites Gesicht geworden.
Ich
habe gelernt, wie man es macht, seine Schwächen zu verdecken und die
Gefühle zu verbergen.
Ich
lächle verbindlich, aber mein Lächeln ist nicht echt.
Ich
lege Sicherheit an den Tag, aber in Wirklichkeit
spiele ich Theater.
Ich
tu so, als fiele mir alles in den Schoß, als irrte ich niemals,
als
hätte ich weder Sehnsucht noch Heimweh.
Warum bin ich nicht so, wie ich wirklich bin?
Wenn ich allein und für mich bin, fällt mir die Maske vom Gesicht.
Wenn dann einer käme und sagte: Du, ich mag dich trotzdem.
Ich
will dich so wie du bist, ich brauche dich…
Für Gott
sind alle Masken durchsichtig.
Der
heilige Franziskus sagt:
„Was der Mensch vor Gott ist, das ist er und nicht mehr.“
Im
Psalm 139 betet der Psalmist:
„Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich,
ob
ich sitze oder stehe, du weißt von mir.
Von
fern erkennst du meine Gedanken.
Ob
ich gehe oder ruhe, es ist dir bekannt,
du
bist vertraut mit all meinen Wegen.“
Dietrich Bonhoeffer
gibt auf die quälende und oft gestellte Frage „Wer bin ich?“
schlussendlich die befreiende Antwort:
„Wer ich auch bin, du kennst mich. Dein bin ich, o Gott.“
Zitate
-
Eine Maske erzählt mehr als ein
Gesicht. (Oscar Wilde)
-
Erstaunlich, dass der Mensch nur
hinter seiner Maske ganz er selbst ist. (Edgar
Allan Poe)
-
Wer nicht weiß, dass er eine
Maske trägt, trägt sie am vollkommensten.
(Theodor Fontane)
-
Mit der Zeit wird die Maske zum
Gesicht. (unbekannt)
-
Die Maske eines Menschen kann so
schön sein, das ich Angst vor seinem Gesicht
habe. (Alfred de Musset)
-
Geliebt werde ich dort, wo ich
ohne Maske herumlaufen kann. (unbekannt).
-
Wer sein wahres Gesicht hinter
gerade passenden Masken versteckt, verliert es
mit der Zeit aus den Augen. (E. Ferstl)
-
Wenn Eltern ständig verschiedene
Masken tragen, dürfen sie sich nicht wundern,
wenn ihre Kinder sie für Narren halten (E. Ferstl)
-
Manche Narren setzen zu Fasching
ihre Masken ab. (Stefan Schütz)
-
Nach Fasching ist dann wieder
Maskenzwang. (Manfred Heinrich)
BESINNUNGSFRAGEN
Welche
Maske oder Masken trage ich?
Was
verberge ich wem gegenüber?
Welche
Masken sind mir zur Gewohnheit geworden?
Wovor
schützen meine Masken mich? |