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Das Kreuz mit dem Kreuz
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I. Das Kreuz mit dem Kreuz
Am Mittwoch, 04.11.2009 stand es in der Zeitung. Im Offenburger Tageblatt und in der Schwarzwälder Post war es auf der ersten Seite zu lesen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat ein Urteil gefällt, dem zufolge es in italienischen Schulen keine Kreuze geben darf. Begründung: Die Existenz von Kreuzen in der Schule verletzt das Recht der Schüler auf Religionsfreiheit. Damit haben die Richter einstimmig einer Frau Recht gegeben, die in den Jahren 2001/2002 verlangt hatte, in den Klassenräumen ihrer beiden Kinder die Kreuze abzuhängen. In Italien war sie mit ihrem Ansinnen bis in die höchsten richterlichen Instanzen gescheitert. In Straßburg hat sie jetzt Recht bekommen. Die Tragweite dieses Urteils ist noch gar nicht abzusehen. In Italien hat dieses Urteil zu massenhaften Protesten geführt.
Doch schon am 16. Mai 1995 hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein ähnliches Urteil gefällt. Mehrheitlich stellten die Bundesrichter damals fest, das Anbringen von Kreuzen in Schulräumen verstoße gegen die Religionsfreiheit. Seit diesem Kruzifix-Urteil ist die Diskussion um das Kreuz nicht mehr zur Ruhe gekommen.
In Miesbach, Oberbayern, beschloss die Schulleitung 2007, die herkömmlichen Kreuze mit dem Gekreuzigten in den Schulzimmern durch Bilderkreuze mit Darstellungen von Sonne, Blumen, Tieren und Kindern zu ersetzen. Begründung: Den Kindern könne der Anblick des Kreuzes nicht zugemutet werden. Das Kreuz als Zumutung!
Freilich, mit dem Skandal des Kreuzes wurde schon der Apostel Paulus bei seinen Missionsreisen konfrontiert. „Das Kreuz“, so sagt er, „ist für die Heiden eine Torheit“, absoluter Schwachsinn, der Gipfel der Sinnlosigkeit „und für die Juden ein Ärgernis“.
Und doch ist für Paulus die Verkündigung des Kreuzes die Zusammenfassung der gesamten Heilsbotschaft. Das Zeichen der Schmach wurde zum Zeichen der Erlösung. Aus dem Zeichen des Ärgernisses wurde das Zeichen des Heils, aus Fluch wurde Segen. Der Schandpfahl wurde zum Siegeszeichen des neuen Lebens.
Das Kreuz ist und bleibt das zentrale Symbol unseres Glaubens. Es bezeugt keine Droh-, sondern eine Frohbotschaft. Denn das Kreuz zeigt in einer einmaligen, unersetzlichen und nicht überbietbaren Weise die Liebe Gottes zu allen Menschen, die in Jesus Christus offenbar und sichtbar geworden ist.
Von Mahatma Gandhi wird berichtet, dass er an einem Sonntag die Marianhiller Missionare besuchte. Nach dem Mittagessen ging er mit einem Pater über den Klosterhof. Sie kamen an einem Kreuz vorbei. Gandhi blieb stehen, faltete die Hände und machte eine tiefe Verneigung. Er betete still. Dann sagte er: „Pater, dieses Zeichen verbindet uns alle: Asiaten, Afrikaner, Amerikaner und Europäer. Dieses Zeichen ist das Zeichen des Friedens.“
Das Kreuz ist ein Zeichen der Hoffnung, der Versöhnung und der Erlösung. Es sagt, dass wir in jeder Situation, im Leben wie im Sterben, von Gottes Liebe gehalten sind.
Die Kruzifixurteile von Karlsruhe und jetzt Straßburg sind ein Schlag ins Gesicht gegenüber all denen, die Christen heißen und Christen sind. Und das ist immer noch ein großer Teil der Bevölkerung. Es kann nicht sein, dass sich eine Mehrheit nach einer Minderheit richten muss. Auch darf man nicht die christlichen Wurzeln Europas vergessen. Europa hat eine christliche Tradition und Geschichte. Und es gibt so etwas wie eine christliche Kultur und christliche Identität.
Ein Europa ohne Christentum wäre nicht mehr Europa. Wer das leugnet oder dagegen arbeitet und ein Europa ohne Christentum konstruieren will, der sägt den Ast ab, auf dem er sitzt.
Außerdem: Ein Kreuz im Klassenzimmer zu einem Menschenrechtsverstoß hoch zu stilisieren, wie es jetzt geschehen ist, stellt den Menschenrechtsbegriff geradezu auf den Kopf. Solche Richtersprüche sind in hohem Maß ideologisch und intolerant. Sie sind Ausdruck einer fortschreitenden Säkularisierung, d.h. Verweltlichung, die immer aggressiver gegen alles Christliche vorgeht.
Es wird Zeit, dass wir Christen aufwachen, die Stimme erheben und Farbe bekennen. Mehr Freimut, mehr Zivilcourage und ein größeres missionarisches Bewusstsein sind von Seiten der christlichen Kirchen, der christlichen Politiker und von jedem einzelnen nötig. Wir dürfen uns nicht in den privaten Raum zurückziehen oder in eine private Sphäre zurückdrängen lassen.
Es gilt zu sehen und zu begreifen, was die Stunde geschlagen hat. Es ist wichtig, unsere christliche Verantwortung auch öffentlich wahrzunehmen und in Wort und Tat Zeugnis zu geben von unserem Glauben. Dafür sind christliche Symbole, vor allem auch das Kreuz, unverzichtbar.
Wer aber unsere moderne freiheitliche Kultur von ihren christlichen Wurzeln und von den Symbolen abschneidet, die sie repräsentieren, der wird sehr bald nur noch ein verdorrtes lebloses Pflänzchen in Händen halten.
Ohne Christentum und ohne öffentliche, christliche Symbole reißt man unserer Kultur die Seele aus dem Leib und verkehrt sie ins Gegenteil. Das haben wir im letzten Jahrhundert zwei Mal, unter dem Nationalsozialismus wie unter dem Kommunismus, bitter erleben müssen.
Ein Bekannter von mir hat in seinem Auto am Armaturenbrett ein kleines Kreuz festgemacht. Eines Tages hatte er folgendes Erlebnis: Es war auf dem Weg nach Hause. Im Auto fuhr noch ein Kollege mit. Zwischendurch musste er noch tanken. Als er wieder von der Tankstelle wegfuhr bemerkte er am Straßenrand ein Mädchen, das offensichtlich trampen wollte. Er stoppte und fragte die etwa 18 Jährige, ob sie mitfahren wolle. Das Mädchen zögerte, stieg dann aber doch ein. Als sie ein Stück gefahren waren, fragte mein Bekannter das Mädchen: „Gell, Sie hatten vor uns beiden Angst und wussten zuerst nicht, ob Sie einsteigen oder draußen bleiben sollten.“ Das Mädchen nickte und sagte: „Wissen Sie, ich steige sonst grundsätzlich nicht in Autos mit zwei Männern ein. Aber dann habe ich das Kreuz am Armaturenbrett gesehen und da habe ich mir gedacht: Wer sich ein Kreuz ins Auto tut, der kann doch kein schlechter Mensch sein.“
Wie viel Vertrauen wird auch heute noch dem Kreuz entgegengebracht. Wie viel wird von einem Menschen erwartet, der sich heute noch das Zeichen des Kreuzes anhängt oder es an einem Kettchen am Hals bzw. auf der Brust trägt. Das Kreuz soll allerdings mehr sein als ein Schmuckstück. Für das Mädchen hieß es: Einer, der sich mit dem Kreuz zeigt, versucht als Christ zu leben. Vor dem brauchst du keine Angst zu haben. Der tut dir nichts.
II. JA-SAGEN ZUM KREUZ
Das Eintreten für das Kreuz und das Sich-Bekennen zum Kreuz als dem zentralen Symbol des Christentums ist das eine. Etwas anderes ist es, das Kreuz auch selber anzunehmen, wenn es unvermeidlich in unser Leben tritt. Das Stehen zum Kreuz und das Kreuztragen hat auch eine innere Dimension, nämlich das Ja-Sagen zum Kreuz.
Christusnachfolge ist immer auch Kreuzesnachfolge. Maria, die Mutter Jesu, kann uns da Vorbild sein. Sie sagte Ja nicht nur am Morgen der Verkündigung, sondern blieb bei diesem Ja bis zum Abend unter dem Kreuz. Maria stand unter dem Kreuz.
Das Kreuz gehört auch zu unserem Leben. Es gibt kein Leben ohne Leid, ohne Kreuz. Wir brauchen das Kreuz nicht zu suchen. Wir brauchen uns kein Kreuz zu zimmern. Das Kreuz ist einfach da. Es begegnet uns in vielerlei Weise, z.B. in einer Krankheit, die zu schaffen macht, in der Erfahrung von Einsamkeit, Enttäuschung, Undankbarkeit, in den Beschwerden und Gebrechen des Älterwerdens, in zermürbenden Sorgen oder auch in den alltäglichen Ärgernissen, Missverständnissen und Konflikten.
Ja-Sagen zum Kreuz, damit ist auch alles gemeint, was unser Leben durch-kreuzt, was uns gegen den Strich geht, was quer kommt, Pläne und Hoffnungen zunichte macht, alles, worunter wir leiden und was uns manchmal so zusetzt, dass uns zum Heulen oder zum Davonlaufen zumute ist.
Standhaft sein wie Maria, Ja-Sagen zum unvermeidlich Schweren, zum Harten und Belastenden, sofern es nicht zu ändern ist. Wo das jemand fertig bringt, da hat die Not bereits ein Stück weit ihre Bitternis verloren. Wer sich jedoch gegen das Kreuz sträubt, macht es doppelt schwer. Mit dem Kreuz dem Herrn nachfolgen, das ist der Weg, der das Leid wendet und letztlich zur Freude und Seligkeit führt.
Von Kardinal Faulhaber stammt das Wort: „Nah beim Kreuz ist nah bei Gott!“
Dem Herrn nachfolgen meint aber auch, einander das Kreuz tragen helfen, es einander leichter machen, einander beistehen, einander Mut machen, für einander beten, um wieder getröstet und gestärkt, vertrauensvoller, hoffnungsvoller den Alltag mit seinen Nöten, Sorgen und Lasten annehmen und bestehen zu können. Der Apostel Paulus sagt: „Einer trage des anderen Last!“
III. ERFAHRUNGEN MIT DEM KREUZ
Ein Ehepaar erzählt: Wie sehr hatten wir uns auch auf unser zweites Kind gefreut und es herbeigesehnt. Doch als es da war, wandte sich unsere Freude in unsagbares Leid. Unser Junge hatte nämlich bei der Geburt einen organischen Hirnschaden erlitten. Eine Welt brach in uns zusammen und zunächst kannten wir nur Tränen. Obschon wir annahmen, fest im Glauben zu stehen, schwand uns der Boden unter den Füssen. Wir fragten: „Warum gerade wir? Warum lässt Gott so etwas zu? Was kann das unschuldige Kind dafür?“ – Diese große Verzweiflung dauerte ungefähr ein halbes Jahr, bis wir merkten: „So geht es nicht weiter, sonst richten wir uns und unsere gesunde Tochter zugrunde.“ Allmählich ließen wir unsere Fragen verstummen und begannen zu beten und zu flehen immer noch aus tiefster Not: „Herr, hilf uns, lass uns das Kreuz annehmen, damit wir nicht daran zerbrechen.“ – So ganz allmählich wurden wir etwas ruhiger und die Tränen etwas weniger, aber sie versiegten natürlich noch lange nicht. – Ein langwieriger Prozess mit vielen Höhen und Tiefen begann für uns. Sie im Einzelnen zu schildern würde zu weit führen. Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Unser Junge wird am Fest Kreuzerhöhung 16 Jahre alt. Heute sind wir ohne Bitterkeit, weil wir unseren Jungen so lieben wie er ist. Wir haben durch ihn so unendlich viel gelernt und möchten keine Stunde mit ihm vermissen. Wir haben erfahren: „WER SEIN KREUZ TRÄGT, DEN TRÄGT ES.“
Legende von Albert von Chamisso Gott hatte Erbarmen mit einem Menschen, der sich ständig über sein zu schweres Kreuz beklagte. – Er führte ihn in einen Raum, wo alle Kreuze der Menschen aufgestellt waren und sagte zu ihm: „Wähle!“ Der Mensch machte sich auf die Suche. Da sah er ein sehr dünnes Kreuz, das jedoch ungewöhnlich lang war. Dann entdeckte er ein ganz kleines, aber als er es aufheben wollte, war es schwer wie Blei. Darauf sah er ein Kreuz, das ihm gefiel und er legte es auf seine Schultern. Doch er merkte, dass das Kreuz an der Stelle, wo es auf der Schulter auflag, eine scharfe Spitze hatte, die ihm wie ein Dorn ins Fleisch drang. So hatte jedes Kreuz etwas Unangenehmes. Als er fast alle Kreuze durchgesehen hatte, entdeckte er noch eins, das versteckt stand. Es war nicht zu schwer, nicht zu leicht, so richtig handlich, wie geschaffen für ihn. Dieses Kreuz wollte er in Zukunft tragen. Als er näher hinschaute, merkte er, dass es sein Kreuz war, das er bisher schon immer getragen hatte.
Ein Mann träumt: Die Menschen gehen alle durch ihr Leben und jeder muss sein Kreuz tragen. Auch er müht sich mit seinem. Eines Tages ist ihm sein Kreuz einfach zu schwer und zu lang. Kurzerhand sägt er ein Stück ab. Nun geht es leichter. Bald ist er am Ziel seiner Wanderschaft. Schon sieht er die Stadt. Herrlich und schön liegt sie vor ihm. Aber da ist ein Graben und weit und breit keine Brücke. Da fällt ihm sein Kreuz ein. Er schiebt es über den Abgrund. O weh, es ist zu kurz! Es fehlt das Stück, das er abgesägt hat. Ganz verzweifelt steht er da. Da sieht er wie ein anderer kommt und sein Kreuz über den Abgrund legt. Und siehe, es passt. Da will er es auch auf diesem Kreuz probieren. Er tritt hinzu. Es kracht. Mit einem Schrei wacht er auf und ist froh, dass es nur ein Traum war.
Ein Traum nur. Aber meine Erfahrung lehrt mich, dass Leid mir nicht geschadet hat. Wenn ich etwas durchgestanden hatte, war es immer eine Brücke hinüber zu neuen Ufern der Erkenntnis und der persönlichen Reife. Wir dürfen stöhnen. Ein Kreuz ist und bleibt ein Kreuz. Aber wenn wir versuchen, es abzuschütteln oder zu verkürzen, dann kann es sein, dass uns am Ende genau dieses Stück Läuterung fehlt, um Freude und Glück zu finden, und das nicht erst im Himmel.
Bruder Konrad von Parzham, der 43 Jahre lang Pförtner des Kapuzinerklosters in Altötting war, schreibt in einem Brief: „Das Mittel, das ich gebrauche, mich in der Demut und Sanftmut zu üben, ist kein anderes als das Kreuz. Das Kreuz ist mein Buch. Ein Blick aufs Kreuz lehrt mich in jeder Gelegenheit, wie ich mich zu verhalten habe. Da lerne ich Geduld und Demut, Sammlung und Gelassenheit und jedes Kreuz zu tragen.“
Lesen wir gern und oft im Buch des Kreuzes!
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