Nicht
immer sind wir gut drauf; nicht immer super aufgelegt und froh gestimmt;
nicht immer ist uns nach Halleluja und Jubel zumute. – In solchen Phasen
und Stunden kommen uns auch fromme Gebete nur schwer über die Lippen,
weil es in uns ganz anders aussieht oder weil existentielle Sorgen und
Nöte uns belasten.
Wir
blicken nicht mehr durch. Wir kommen uns wie in einem Tunnel vor oder
wie in ein Loch abgerutscht. Wir fühlen uns kraftlos, elend,
unverstanden, einsam. Es kann sein, dass dann auch der Glaube wankt und
nicht mehr trägt. Und Gott scheint so fern.
Auch
große, bedeutende Leute sind von solchen Erfahrungen nicht verschont
geblieben.
Jeremia
verflucht den Tag seiner Geburt.
Elija
hat es satt. Er geht in die Wüste und hat nur einen Wunsch: zu sterben.
Hiob
hadert mit seinem Schicksal und er rechtet mit Gott.
Thomas
zweifelt und will nicht glauben. Selbst
Jesus
sind solche Erfahrungen nicht erspart geblieben. Denken wir nur an die
Stunden der Angst am Ölberg und seine Gottverlassenheit am Kreuz.
Im
„Gotteslob“, steht ein Lied, das viele solche Erfahrungen ins Wort
bringt: Fragen, Klagen, Zweifel, Nöte, Ängste …
Dieses
Lied möchte ich mit Ihnen heute anschauen, es beleuchten, es Satz für
Satz und Strophe für Strophe durchgehen und versuchen zu erspüren, was
darin und dahinter steckt und es mit unseren Erfahrungen heute und mit
unserer Lebensrealität in Verbindung bringen.
Es ist
vor Jahren neu ins „Gotteslob“ hineingekommen. Mittlerweile ist
es aber recht bekannt. Große Lebensnähe zeichnet dieses Lied aus. Da ist
nichts abgehobenes, da wird nichts fromm übertüncht. Die Glaubensnot
vieler Menschen kommt zur Sprache. All dies mag dazu beigetragen haben,
dass das Lied die Herzen der Gläubigen in den Kirchen und Gemeinden
erobert hat und ganz gern gesungen wird.
Das
Lied stammt von dem Holländer Huub Oosterhuis. Er hat es 1964 verfasst.
Bernard Huijbers hat die Melodie dazu geschaffen. Nahezu zehn Jahre
später – 1973 – hat der bekannte Frankfurter Pfarrer Lothar Zenetti das
Lied ins Deutsche übersetzt. In dieser Übersetzung hat es Eingang ins
Gotteslob gefunden.
Das
Lied ist ein Ich-Lied. In ihm kann sich jede und jeder finden.
Es ist
ein Lied mit vielen Fragen und Fragezeichen. Es ist das Gebet eines
Menschen, der um seinen Glauben ringt. Er möchte glauben, aber es fällt
ihm schwer.
Nöte
werden benannt, Zweifel ausgesprochen, Fragen gestellt. Nichts wird vor
Gott zurückgehalten, nichts kaschiert, nichts verharmlost, nichts
beschönigt. Der Beter getraut sich mit allem zu Gott zu kommen und alles
vor Gott auszusprechen.
Das
macht die Dynamik dieses Liedes aus:
die
Spannung von zweifelndem Fragen und vertrauensvollem Du-Sagen, die
Spannung von Glaubensnot und gläubigem Bekenntnis.
MIT LEEREN HÄNDEN
Am
Beginn der ersten Strophe des Liedes ist von den „leeren Händen“
die Rede.
Mit
leeren Händen dastehen. Man muss das mal nachfühlen. Was heißt das?
Nichts haben, nichts zu bieten haben, nichts vorzuweisen haben. Selbst
wenn wir irgendwo als Gast eingeladen sind, erscheinen wir nicht gern
mit leeren Händen.
Mit
leeren Händen dastehen, das tut niemand gern, das ist unangenehmen. Wir
wollen machen, gestalten, greifen, zugreifen, zupacken, herausholen, was
herauszuholen ist. Wir wollen gewinnen, haben, festhalten.
„Alles im Griff“,
lautet eine beliebte Antwort, wenn man fragt, wie es jemandem geht, was
die Familie, der Beruf, die Arbeit macht.
„Alles im Griff!“
Und doch:
Wer kennt die Erfahrung der leeren Hände nicht?
-
„Ich habe mich so bemüht“, sagt eine Mutter. Mit Güte
und Strenge hat sie es probiert. Alles vergeblich! Der Sohn hat
seine Sachen gepackt und ist einfach gegangen.
-
20 Jahre sind wir nun fast verheiratet. Es war keine
schlechte Ehe. Aus den Kindern ist etwas geworden. Und jetzt, nach
all der Zeit, hat mein Mann eine Freundin und will weg. Er will sich
scheiden lassen.
-
Ich weiß nicht, wie ich das noch schaffen soll. Ich
schufte, arbeite, rackere mich ab, mach Überstunden. Immer mehr wird
mir aufgehalst. Es wächst mir einfach alles über den Kopf. Ich bin
total am Ende. Mir reicht es. Ich kann nicht mehr.
„Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr.“
Biblisch:
-
Die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen.
-
Gesät und gesät. Ohne Wirkung. Alles für die Katz. Es hat nichts
gebracht, nichts gefruchtet.
-
Zwei Menschen erscheinen im Gebet vor Gott. Die Hände des einen sind
gefüllt mit Leistung. Die Hände des anderen sind leer.
FREMD WIE DEIN NAME SIND MIR DEINE WEGE
Gott hat seinen Namen im brennenden Dornbusch geoffenbart: „Ich bin
da“ und „Ich werde da sein, mit euch, für
euch!“
Doch
davon spürt der Beter im Moment nichts.
Wo ist
Gott, wenn das Kind vor die S-Bahn stürzt? Wo ist Gott, wenn ein Freund
beim Ausweichen auf der Straße selber vor einen Baum knallt und tödlich
verunglückt?
Es
gibt Zeiten, da ist Gottes Nähe, seine Gegenwart keine Frage. Es ist
spürbar, dass Gott da ist, Es ist erfahrbar, dass er uns nahe ist. Wir
sind von seiner Güte umfangen und in seiner Liebe geborgen. Doch es gibt
auch Zeiten, da scheint Gott weit weg zu sein und sein Name „Gott mit
uns“ klingt so unrealistisch, so wirklichkeitsfremd. Da fällt
Glauben und Beten schwer. Da ist vielleicht nur noch die Frage
„Warum“? Aber es gibt keine Antwort.
FREMD WIE DEIN NAME SIND MIR DEINE WEGE
Nicht
nur der Name, auch die Wege Gottes sind fremd, liegen im Dunkeln, sind
undurchschaubar, unverständlich und geheimnisvoll. Was soll das alles?
Was hat Gott mit mir, mit uns vor? Man blickt nicht mehr durch. Man
versteht die Welt nicht mehr und auch Gott nicht.
FREMD WIE DEIN NAME SIND MIR DEINE WEGE
Weiß
er den Weg für mich?
SEIT MENSCHEN LEBEN RUFEN SIE NACH GOTT
Da ist
die Erinnerung, dass Menschen aller Zeiten nach Gott gerufen, auch mit
Gott gehadert und gestritten, zu ihm geschrien und ihre Zuflucht zu ihm
genommen haben. Abraham, Mose, Elija, Hiob, die Psalmenbeter, Bartimäus,
die Kanaanäerin, der Schächer am Kreuz.
Da ist
die Ahnung und das Wissen, dass dieses Rufen nicht ins Leere ging, dass
das Rufen und Flehen nicht umsonst war. Da klingt die vage Hoffnung auf,
dass doch noch etwas drinsitzt für diesen ausgeplünderten Planeten, für
Afghanistan und den Sudan, für Haiti und Fukushima, aber auch für das
schwer behinderte Kind, für den krebskranken Schwager, die demente
Nachbarin – und auch für mich.
MEIN LOS IST TOD. HAST DU NICHT ANDERN SEGEN?
An
dieser Stelle ist zu erinnern, wofür das Lied ursprünglich gedacht war,
nämlich für eine Trauerfeier, eine Totenliturgie.
Menschen, denen jemand im Tod genommen wird, jemand, der ihn lieb und
teuer war, denen der Nächste, mit dem sie aufs engste verbunden waren,
wegstirbt, solche Menschen sind (wie die Emmausjünger) oft ganz unten,
am Nullpunkt der Hoffnung, am Ende, verzweifelt.
Und
doch ist der Tod die Realität unseres Lebens. Wenn etwas sicher
ist, dann der Tod. Es führt kein Weg daran vorbei. Führt einer darüber
hinaus?
HAST DU NOCH ANDERN SEGEN?
Ist der Tod das endgültige Aus? Ein Nachruf, ein Kranz und das war es
dann? Oder ist da noch etwas, Licht und Leben, Segen und Heil?
MEIN LOS IST TOD. HAST DU NICHT ANDERN SEGEN?
Als Jakob seinem Bruder Esau den Segen Isaaks, ihres Vaters wegnahm, ja
regelrecht stahl, war er ganz deprimiert und verzweifelt und fragte:
„Vater, hast du nicht auch für mich noch einen
Segen?“
HAST DU NICHT ANDERN SEGEN?
Es ist
das erste Mal, dass nach den Ist-Aussagen eine Frage kommt. Und mit der
Frage auch Hoffnung, Hoffnung, dass es doch etwas wie Segen und
Verheißung geben möge trotz und inmitten aller Grenz-, Ohnmachts- und
Todeserfahrungen.
Es
schließt sich gleich die zweite Frage an:
BIST DU DER GOTT, DER ZUKUNFT MIR VERHEISST?
Es ist
der Wunsch, dass unser Leben mehr sei als ein sinnloses Drehen im Kreis,
dass es Sinn und Ziel geben möge, dass es Aussicht, Perspektiven geben
möge, Wege, die keine Sackgassen sind, Wege, die weiterführen in eine
gute Zukunft.
BIST DU DER GOTT, DER ZUKUNFT MIR VERHEISST?
ICH MÖCHTE GLAUBEN, KOMM MIR DOCH ENTGEGEN.
Der
Beter möchte glauben. Er hat Sehnsucht glauben und vertrauen zu können.
„Herr, ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“ betet der Vater eines
kranken Kindes in der Begegnung mit Jesus.
Und
der Beter bittet, Gott möge ihm doch entgegenkommen.
Das
heißt auch: Gott möge nicht fern bleiben, auf Distanz, weit weg, sondern
ein Gott, der entgegenkommt, der dem Menschen nahe ist, ihm hilft und
beisteht. Die Psalmisten beten oft ähnlich:
„O
Gott komm mir zu Hilfe! Herr, eile mir zu helfen!“
In der
zweiten Strophe ist von Zweifeln die Rede. Sie sind so zahlreich und
heftig, dass sich der Beter davon wie übermannt fühlt. Gleichzeitig
spürt er seine Ohnmacht, sein Unvermögen, in dem er sich wie gefangen
vorkommt, wie eingesperrt.
VON ZWEIFELN IST MEIN LEBEN ÜBERMANNT.
MEIN UNVERMÖGEN HÄLT MICH GANZ GEFANGEN.
Der
Beter sieht keinen Ausweg. Die Fragen und Sorgen türmen sich auf. Die
Probleme wachsen ihm über den Kopf. Die Zweifel sind drückend, schwer,
fast unerträglich. Was ihm zusetzt, was ihm zu schaffen macht, er wird
nicht fertig damit, es macht ihn fertig. Es geht über seine Kräfte. Er
fühlt sich total überfordert.
VON ZWEIFELN IST MEIN LEBEN ÜBERMANNT.
MEIN UNVERMÖGEN HÄLT MICH GANZ GEFANGEN.
Es ist
auch das Unvermögen, all diese Dinge mit einem Gott, den man den
„lieben Gott“ nennt, in Einklang zu bringen. Dieses Gottesbild
scheint ihm angesichts der Realität, die er erlebt, mehr als fragwürdig
zu sein.
Wenn
er all das, was über ihn kommt und ihn gefangen nimmt, mit Gott in
Verbindung bringt, dann tauchen sogar eine Reihe neuer Fragen auf:
HAST DU MIT NAMEN MICH IN DEINE HAND, IN DEIN ERBARMEN FEST MICH
EINGESCHRIEBEN?
Dem
Beter kommt das biblische Bild von der „Hand Gottes“, in den
Sinn, eine Hand, von der es heißt, dass sie uns trägt und hält. Er
erinnert sich an das Wort, dass Gott jeden Menschen beim Namen ruft,
dass er uns gewollt und ins Leben gerufen hat, dass mein Name
eingeschrieben ist in seine Hand; dass er mich kennt, um mich weiß, ja
zu mir sagt, mich birgt und hält.
Aber
gerade diese Gewissheiten sind für den Beter nicht mehr gewiss. Die
Sicherheit und das feste Stehen im Glauben sind geschwunden oder
zumindest ins Wanken geraten. Da sind mehr Fragen als Gewissheiten.
HAST DU MIT NAMEN MICH IN DEINE HAND, IN DEIN ERBARMEN FEST MICH
EINGESCHRIEBEN?
Dem
Beter kommt auch das Bild vom „gelobten Land“, jene Verheißung,
die dem Volk Israel bei seinem Wüstenzug immer wieder – bei aller
Verzagtheit, bei aller Ungeduld und Skepsis – Auftrieb gegeben und
Zuversicht geschenkt hat, jenes Land jenseits der Wüste mit ihren
Entbehrungen und Strapazen.
Der
Beter denkt an die Menschen vor ihm, für die Gott keine Frage war, die
im Glauben an Gottes Verheißungen ihr Leben gemeistert haben und im
Frieden mit Gott gestorben sind.
Er hat vielleicht selbst einmal die Vertrauenslieder und Lobpsalmen
gläubig und mit Inbrunst gesungen und gebetet. Aber im Augenblick vermag
er es nicht. Das, was früher sicherer Glaube und tragender Grund war,
ist unsicher und wankend geworden, der feste Glaube ist
zusammengeschrumpft zu der bangen Frage:
„Nimmst du mich auf in dein gelobtes Land? Werd ich dich noch mit neuen
Augen sehen?“
Wer so
fragt, hofft auch und erwartet Antwort, Erfüllung seiner Sehnsucht: Komm
mir entgegen! Nimm mich auf! Nimm mich an! Lass mich dich mit neuen
Augen sehen! Nicht erst irgendwann einmal, sondern jetzt schon.
Nach
den vielen Fragen bringt die dritte Strophe die Wende.
Die
laut gewordenen Zweifel sind nicht letzte Verzweiflung. Die vielen
Fragen bedeuten nicht Unglauben, sondern sind tastendes Suchen.
SPRICH DU DAS WORT, DAS TRÖSTET UND BEFREIT UND DAS MICH FÜHRT IN DEINEN
GROSSEN FRIEDEN!
Die
Philosophen können es mir nicht geben und die Dichter auch nicht, das
Wort, auf das ich warte, und die moderne Wissenschaft noch weniger. –
Der gleiche Gott, zu dem ich klagen kann, mit dem ich hadern und
streiten kann, er ist auch der Gott, dessen Wort rettet und heilt,
tröstet und befreit.
„Sprich du das Wort, das tröstet und befreit!“
„Wohin sollen wir gehen?“
fragt Petrus den Herrn einmal. Und dann bekennt er:
„Du hast Worte ewigen Lebens.“
„Dein Wort ist Licht und Wahrheit“,
heißt es in einem
Antwortgesang bei der Vesper, „es leuchtet mir auf allen meinen
Wegen.“ Das Wort, das aufrichtet, das tröstet und befreit, wird
besonders im Sakrament der Versöhnung erfahrbar und wirkmächtig. Da
spricht Gott das Wort, das tröstet und befreit und das uns Verzeihung
und seinen Frieden schenkt.
„Sprich du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in
deinen großen Frieden.“
Dieser
Friede ist mehr als Friedhofsruhe, mehr als Waffenstillstand, mehr als
Komfort und eine gute Partie, mehr als eine schöne Wohnung und eine gute
Rente. All das ist nicht alles, auch nicht Erfolg, Prestige, Karriere,
eine gute Position. In all dem ist etwas zuwenig. Unser Hunger ist
größer. Kein irdisches Glück genügt uns.
SCHLIESS AUF DAS LAND, DAS KEINE GRENZEN KENNT UND LASS MICH UNTER
DEINEN KINDERN LEBEN!
Wir
können es nicht selbst und aus eigener Macht aufschließen, das Land, das
keine Grenzen kennt, das Land ohne Grenzen von Nationalität, Herkunft
und Stand, das Land der Geschwisterlichkeit, des Miteinanders und des
Friedens, von dem wir träumen. Gott kann es öffnen. Er hat den
Schlüssel.
Darum:
„Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt und lass
mich unter deinen Kindern leben.“
SEI DU MEIN TÄGLICH BROT, SO WAR DU LEBST!
Wir
dürfen bei dieser Bitte an das Brot in der Wüste denken, das Gott jeden
Tag aufs Neue seinem Volk schenkte. Brot zum Leben, Kraft zum
Weitergehen, war auch das Brot, das Gott durch seinen Engel dem
Propheten Elija anbot, als dieser Schluss machen wollte mit seinem
Leben: „Steh auf und iss! Du hast noch einen weiten Weg vor dir.“
Und in der Kraft dieser Speise wanderte Elija 40 Tage und 40 Nächte bis
zum Gottesberg Horeb.
„Sei du mein täglich Brot, so war du lebst.“
Hier
dürfen wir auch an die Brotrede denken, die uns der Evangelist Johannes
im 6. Kapitel seines Evangeliums überliefert hat und die in der
Selbstaussage Jesu gipfelt. „Ich bin das Brot des Lebens.“ Und:
„Wer von diesem Brot isst, der wird ewig leben.“ Er ist das Brot,
das vom Himmel gekommen ist, Brot, das lebt und Leben spendet. – Schon
die Kirchenväter haben diese Rede Jesu im Blick auf die Eucharistie
gedeutet. Er selbst kommt zu uns und gibt sich uns in einem kleinen
Stück Brot. Er selbst wird für uns zur Speise, Kraft und Nahrung und
Stärkung auf unserem Pilgerweg zu Gott.
Ich weiß von Priestern, Ordensleuten, aber auch Laien, wie wichtig ihnen
gerade dann, wenn sie sich müde fühlen, innerlich leer und ausgebrannt,
enttäuscht und resigniert, wie wichtig ihnen das Gebet vor dem
Tabernakel bzw. vor dem ausgesetzten Allerheiligsten ist. Hier können
sie zur Ruhe kommen, inneren Frieden finden, seine Gegenwart verspüren
und wie aus einer Quelle neu schöpfen. „Kommt
alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch
erquicken!“
DU BIST MEIN ATEM, WENN ICH ZU DIR BETE.
Wir
atmen, alle, jede und jeder, immerzu. Auch nachts, auch wenn wir mit
allen anderen bewussten Tätigkeiten aufhören. Auch wenn unser Körper
ganz ruhig ist.
Wir
atmen, ein und aus, still und ruhig und regelmäßig, ohne dass wir es
merken. Der Atem kommt und geht ganz von selbst, ohne dass wir etwas
dazu tun. Es atmet in uns.
Doch
dann gibt es auch die Stunden, wo wir „atemlos“ werden. Wenn wir in Eile
sind, in Hast und Unruhe, dann geraten wir außer Atem oder werden wir
kurzatmig. Wir atmen fiebrig, gehetzt. Wir schnappen nach Luft. Wir
müssen erst einmal tief durchatmen. Es gibt auch die Momente, wo wir den
Atem anhalten, weil uns angst und bang ist. Wie gut tut uns eine
Atempause, eine Verschnaufpause, eine Auszeit für Leib und Seele!
Solange wir leben atmen wir. Atem, das ist das erste Lebenszeichen
eines Neugeborenen. Atemstillstand ist Anzeichen des Todes.
Atem
ist Geist. Die Bibel kennt nur ein Wort für Geist und Atem: hebräisch
„ruach“, griechisch „pneuma“, lateinisch „spiritus“.
„Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.“
Alle
Umkehr des Menschen, aller Neubeginn, alles Aufleben ist von diesem Atem
Gottes, von Gottes Leben spendendem Geist getragen.
Vielleicht ist Gott ja gar nicht der ganz ferne, den ich weit ab suchen
muss. Vielleicht ist er mir viel näher als ich denke und meine und
spüre. So nah wie die Luft, die mich umgibt, die ich atme, von der ich
lebe. Ich bin mir seiner Gegenwart nur nicht bewusst.
Paulus sagt: „In ihm leben wir, bewegen wir uns
und sind wir.“
Wenn
das so ist, dann sind die leeren Hände gar nicht mehr so wichtig, dann
sind die Grenz- und Ohnmachtserfahrungen gar nicht mehr so entscheidend.
Dann spielen meine Zweifel und mein Unvermögen gar nicht mehr die Rolle.
Dann kommt es letztlich nicht auf das an, was ich tue, bringe und
leiste, weil ER das Entscheidende tut und in Jesus Christus schon getan
hat.
Dann
ist er – trotz allem, was dagegen spricht, trotz aller Einwände und
aller Skepsis – „der Gott, der Zukunft mir verheißt“ und der das
Wort spricht, „das tröstet und befreit“.
So endet das Lied mit einem kaum zu übertreffenden Vertrauen:
„Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.“
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