Mitte der 70er Jahre
war ich ein Jahr in England und habe am Franziskanischen Studienzentrum
in Canterbury Theologie studiert. In den Weihnachtsferien bin ich nicht
nach Hause gefahren, sondern bin ganz bewusst in England geblieben, um
zu erleben, wie man dort Weihnachten feiert.
Sehr gut erinnere ich mich
noch an einen Song, der öfters im Radio zu hören war und der mich stark
berührt hat. Ich fand das Lied einfach klasse. Allein schon der Titel
des Liedes hat mir sehr gut gefallen. Er lautete: „Let’s put Christ
back to Christmas!“ – Sinngemäß übersetzt: „Lasst uns Christus
wieder in die Mitte des Weihnachtsfestes stellen!“ Das Lied sang
Tammy Wynette, eine damals – zumindest in England – bekannte
Country-Sängerin. Jede Strophe des Liedes mündete in den Refrain: „Let’s
put Christ back into Christmas this year!“ „Lasst uns dem
Weihnachtsfest Christus wiedergeben in diesem Jahr!“
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn ich sehe, was auf Weihnachten hin alles getan, erledigt,
organisiert und vorbereitet wird, damit es ein schönes Fest wird, damit
dann möglichst weihnachtliche Stimmung aufkommt und alle sich
wohlfühlen, dann frag ich mich manchmal schon, wem all diese
Vorbereitungen dienen? Gelten sie auch IHM, der doch eigentlich die
Hauptsache, das Wichtigste an Weihnachten ist, der Grund und die Mitte
dieses Festes?
Worauf kommt es an, an
Weihnachten?
Was steht für mich im Vordergrund? Was ist mir wichtig? Ein paar freie
Tage? Ein schöner Tannenbaum mit Lichtern? Ein großartiges Festtagsmenü?
Oder die Geschenke, barocke Musik, gefühlvolle Weihnachtslieder?
Für ein gelingendes
Weihnachtsfest
investieren wir viel Zeit und Kraft. Das Drumrum stimmt dann meistens.
Wir haben es wieder mal geschafft. Alles ist da. Aber fehlt nicht die
Mitte? Haben nicht viele Menschen unserer Tage vergessen, worum es an
Weihnachten eigentlich geht? Ist das Wichtigste nicht verloren gegangen
oder auf der Strecke geblieben? Nämlich das Kind in der Krippe? Jesus
Christus, unser Heiland und Erlöser, der in unsere Welt gekommen ist und
einer von uns geworden ist, um zu suchen, was verloren war und zu
heilen, was verwundet ist, um uns die Liebe Gottes zu zeigen und uns
sein Erbarmen und seine Gnade zu schenken?
Mir fällt da die Geschichte ein,
die erzählt, wie in einer Christmette beim feierlichen Einzug in die
Kirche dem Kaplan auffällt, dass das Jesuskind nicht in der Krippe
liegt. Die Messnerin hatte es in Reparatur gebracht und schlichtweg
vergessen, es zurückzuholen. Kann ja vorkommen. Als Messnerin hat man
ja viel um die Ohren, gerade vor Weihnachten. Jedenfalls, der Kaplan
flüsterte dem Pfarrer zu: „Das Kind fehlt in der Krippe!“ Der
flüsterte zurück: „Pssst! Das merkt kein Mensch.“ – Und so war’s
auch: Niemandem fiel etwas auf!
Geht es vielen mit Weihnachten nicht ähnlich? Für wie viele, die
Weihnachten feiern, ist Jesus wirklich wichtig?
In einer Parabel
diskutieren die Tiere über das Wichtigste an Weihnachten. Der Fuchs
wünscht sich Gänsebraten. Der Eisbär braucht Schnee – „weiße Weihnacht“.
Das Reh will einen Tannenbaum. Die Eule will’s schummrig und gemütlich.
Der Pfau will sein neues Kleid vorführen. Und für die Elster ist Schmuck
das Wichtigste. Der Bär will Christstollen, während der Dachs einfach
nur schlafen will. Der Ochs will vor allem saufen und pennen. Das ist
für ihn Weihnachten. Doch während er das von sich gibt, bekommt er vom
Esel einen Tritt vor’s Schienbein: „Du Ochse, denkst du nicht an das
Kind?“ – Da senkt der Ochse beschämt den Kopf und sagt: „Das
Kind, ja das Kind – das Kind ist die Hauptsache.“ „Übrigens“, fragt
der Esel, „ob die Menschen das wissen?"
Ob das auch die Menschen wissen?
Ob ich das weiß? Das wichtigste ist das Kind! Ich nehme an, dass wir das
wissen. Sonst wären wir wohl kaum hier in der Kirche. – Aber wie bewusst
ist das uns? Prägt dieses Wissen unsere Weihnacht? Oder sind wir Füchse,
Pfauen, Dachse und Ochsen? – Und wie viele gibt es, die tatsächlich
nicht wissen, worum es an Weihnachten geht.
Der Ursprung von Weihnachten? Keine Ahnung. Nebensache!
Wie sehr sich Weihnachten verselbständigt hat, zeigt folgende
Begebenheit: In der Innenstadt von Leipzig hielten Christen eine
Andacht. Sie sangen auch einige Weihnachtslieder. Auf einmal ruft ein
Passant empört: „So was! Jetzt reißen sich die Christen auch noch
Weihnachten unter den Nagel!“
Liebe Schwestern und Brüder!
In der Geschichte, wo die Tiere über Weihnachten diskutieren, da
spiegelt sich das ganze Spektrum von Möglichkeiten, was Menschen sich zu
Weihnachten wünschen und wie Weihnachten sein soll. Nichts dagegen. Das
ist alles schön und gut, liebevolle Zutat. Das darf durchaus sein. Es
darf das Fest verschönern: der Tannenbaum, ein gutes Essen, Geschenke,
von mir aus auch Schnee und Schlaf nachholen. All das und anderes darf
gern dazugehören, wenn wir Christus – wie es der anfangs erwähnten Song
besingt – wieder in die Mitte des Christfestes rücken, wenn die Mitte im
Blick bleibt: das Kind, das Kind von Bethlehem und die Botschaft, die
mit diesem Kind in die Welt gekommen ist: Gottes Güte und
Menschenfreundlichkeit.
Sehen Sie, liebe Schwestern und
Brüder,
über Weihnachten stehen die Worte: „So sehr hat Gott die Welt
geliebt, dass er seinen Sohn für uns dahin gegeben hat, damit jeder, der
an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ (Joh
3, 16).
„Gott ist die Liebe“,
sagt Johannes in einem seiner Briefe. Er hat nicht nur Liebe, sein Wesen
ist Liebe. Und im Kind von Bethlehem wird das sichtbar. Da hat die Liebe
Gottes gleichsam Hand und Fuß bekommen. In IHM schenkt er uns SEIN
Licht, SEIN Erbarmen und SEINE Gnade.
Eine der schönsten und tiefsten Strophen eines Weihnachtsliedes lautet
für mich: „In deine Lieb versenken, will ich mich ganz hinab, mein
Herz will ich dir schenken und alles, was ich hab.“
Sie wissen
aus eigener Erfahrung, liebe Schwestern und Brüder:
Liebe will Antwort, Liebe will Gegenliebe. – Gottes Liebe ruft unsere
Liebe, sein Herz ruft unser Herz. – Wissen wir Menschen, die Weihnachten
feiern, das eigentlich?
„Let‘s put Christ back in Christmas!“ Das Lied bringt’s
auf den Punkt. Darauf kommt es an. Aber genauso wichtig, liebe
Mitchristen, ist: „Let’s put Christ back in our life!“ – Lasst uns
Christus wieder zurückbringen in unser Leben!“
Glaube! Vertraue! Lass IHN zur Mitte deines Lebens werden! Lass dich
erfüllen und durchdringen von seinem Wort, von seinem Geist, von seinem
Licht, von seiner Liebe! – Und dann gib weiter, was Du empfangen hast!
Großzügig! Weitherzig! Hab Geduld! Tu Gutes! Übe Liebe! Sei zum
Verzeihen bereit!
Auf einer Weihnachtskarte,
die ich bekommen habe, stand:
„Jedesmal, wo zwei Menschen
einander verzeihen, ist Weihnachten, - Jedesmal, wo wir einem Menschen
helfen, ist Weihnachten. – Jedesmal, wenn wir einander ansehen mit den
Augen des Herzens, mit einem Lächeln auf den Lippen, ist Weihnachten“
Wo aber Güte und Liebe ist, da ist Gott!
„Let’s put Christ back to Christmas!“ „Let’s put Christ back in our
life!“ |