Mit der Taufe im Jordan beginnt für Jesus sein öffentliches
Auftreten. Und die ersten Worte, die zu ihm gesagt werden, sind Worte des
Vaters: „Das ist mein geliebter Sohn.“
Dieser Satz ist eine großartige Zusage und
Bestätigung.
Feierlich wird bestätigt, dass Jesus ganz und
unbedingt durch den Vater angenommen ist. - Diese unbedingte Annahme durch den
Vater steht über dem Leben und Wirken Jesu. Es begleitet ihn und daraus lebt er.
Und dieses Bewusstsein, der geliebte Sohn des
Vaters zu sein, ganz und unbedingt angenommen zu sein, dieses Bewusstsein ist
Jesus ganz tief zu eigen. - Es geht tiefer als alles, was er sonst erlebt. Es
geht tiefer als die Versuchungen in der Wüste, tiefer als die Ablehnung, die er
erfährt, tiefer als das Unverständnis, auf das er stößt, tiefer als aller Hass,
der ihm entgegenschlägt.
„Ich bin der geliebte Sohn. Ich bin ganz und unbedingt
angenommen“,
das geht bei Jesus so weit, dass ihn selbst die schreckliche Gottverlassenheit
am Kreuz nicht in die Verzweiflung stürzt, sondern dass er die Kraft findet,
auch seine Verlassenheit und Todesangst in die Hände des Vaters zu legen.
„Das ist mein geliebter Sohn“,
dieser Satz macht das Lebensgefühl und das Selbstbewusstsein Jesu aus.
„Ich bin angenommen. Ich bin der geliebte Sohn des Vaters“,
das wird ihm noch einmal deutlich zugesagt bei der Verklärung auf dem Berg Tabor.
Aus dieser Erfahrung hat Jesus gelebt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ist das nicht eines der wichtigsten
Grundbedürfnisse, die wir Menschen haben? Bejaht, angenommen, geliebt sein?
Nichts macht einen so froh und so frei wie dieses
Bewusstsein!
Wenn ich spüre: ich bin angenommen, dann geht es mir gut.
Ich spüre meine Kräfte. Mein Leben bekommt
Schwung. Es wird mir so schnell nichts zu viel. Dann kann ich geben, was in mir
ist. Ich kann lieben. - Wenn ich angenommen bin, ist alles gut.
Aber wehe dem, der spürt, dass er nicht
angenommen ist!
Dann kann einer Titel haben so viel er will und
eine noch so hohe Position, und ein Einkommen noch so groß. - Das hilft ihm
alles nichts.
Wenn einer nicht angenommen ist, wird er
verkrampft und hart.
Er zieht sich in sich selbst zurück. Man kann mit
ihm nur noch amtlich oder offiziell etwas anfangen. Aber was ist das schon!
Von einem Kinderarzt las ich einmal folgende
Begebenheit:
Es war bei der Untersuchung von Kindern vor der Einschulung. Um
ihnen die Scheu zu nehmen empfing er jedes Kind mit dem freundlichen Satz:
„Da kommt aber ein liebes Kind!“ - Die Kinder lächelten. Keines widersprach.
Dann kam ein kleiner Bub, der schüttelte ganz ernst den Kopf: „Nein, ich bin
kein liebes Kind!“ „Aber das sehe ich doch“, sagte der Arzt, „so wie du
vor mir stehst, bist du ein liebes Kind!“ - „Nein!“ sagte der Bub.
„Ich bin der böse Peter.“
Wie oft hatte er das zu hören bekommen, bis er es
glaubte.
Er konnte noch nicht lesen und schreiben. Aber er
konnte sich schon nicht mehr leiden.
Liebe Schwestern und Brüder!
Nun könnte jemand einwenden: Das war eben das ganz
Besondere bei Jesus, das Unvergleichliche, dass er so angenommen war vom Vater.
Das können wir auf uns nicht übertragen. Doch - das können wir!
Über jeden von uns hier und jetzt sagt Gott:
„Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter!“
Sehen Sie: Der Kern unseres Glaubens besteht nicht in
Leistungen, Geboten und Verboten, sondern darin, dass wir uns die Liebe Gottes
gefallen lassen, dass wir uns davon anrühren und ergreifen lassen. - Und dass
wir dann die Liebe, die von Gott zu uns kommt, weitergeben. Lieben als Antwort
darauf, dass wir geliebt werden.
„Wir haben an die Liebe geglaubt... Gott ist die
Liebe...!“
Das ist die Quintessenz, das
Resümee, das der Evangelist Johannes aus der Erfahrung eines langen religiösen
Lebens zieht.
Von der Kraft dieser Liebe habe ich von einem
jungen Ehepaar etwas gehört, das mich tief gerührt und beschämt hat:
Die jungen Leute freuten sich auf ihr erstes Kind. Aber es kam
behindert auf die Welt. „Wir waren zuerst sehr traurig“, sagten die
Eltern. „Aber wir lieben unser Kind sehr, und wir geben
es nicht wieder her. Es ist eine Liebe, die von Tag zu Tag wächst. Es liegt an
uns, unserem Kind jede mögliche Hilfe zu geben. Seine Zukunft soll voll
Zuversicht sein.“
Was für eine Kraft! So eine Liebe, die von Tag zu
Tag wächst!
Sie haben ihr Kind angenommen. Und jeden Tag
geben sie ihm das zu spüren.
Liebe Schwestern und Brüder!
So angenommen sind wir alle. Zu jedem von uns
sagt Gott:
„Du bist mein geliebtes Kind, an dem ich meine Freude habe.“
Auch wenn du schon ein altes Kind bist und graue Haare hast, auch
wenn du dich nicht viel um mich gekümmert hast, wenn du viele Fehler gemacht
hast - und noch machen wirst, auch wenn du meinst, du seist gar nicht
liebenswert und du dich selber nicht lieben kannst, - du bist mein geliebtes
Kind. Ich gebe dich nicht wieder her.
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Vater weiß bei der Taufe Jesu: sie werden ihn
kreuzigen...
Uns werden die Steine nicht aus dem Weg
geräumt... und viele Fragen bleiben ohne Antwort. - Aber ganz tief, tiefer als
unsere Ängste, tiefer als unsere Ungereimtheiten und Traurigkeiten - ist alles
gut.
Wie viele Menschen möchten das von Herzen
glauben, aber sie können es nicht. Schlimme Erfahrungen haben sie verschlossen
und Enttäuschungen bitter gemacht.
Welche Wohltat, wenn sie das Ja des Seindürfens,
das Alphabet des Angenommenseins, des Geliebtwerdens und Liebens an uns
buchstabieren können!
„Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir
einander lieben!“
Gottes Liebe ruft unser Liebe!
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