Liebe Schwestern und
Brüder!
Die letzten 14 Tage seit Weihnachten haben uns eine Reihe Feiertage und
einige Sonntage beschert. Und wahrscheinlich haben Sie auch etliche
Predigten gehört, sei es live oder auch übers Internet oder im
Fernsehen. Darum habe ich gedacht, es könnte gut sein, heute einmal –
anstelle der Predigt – eine Geschichte zu erzählen. Geschichten kann man
immer hören. Geschichten sind nicht abgehoben. Gewöhnlich sind sie nah
an der Wirklichkeit, nah am Leben. Ja, in guten Geschichten begegnet man
sich selbst.
Also: In einer Pfarrgemeinde sollte ein Krippenspiel aufgeführt werden –
wie jedes Jahr am Heiligen Abend. Diesmal war die Landjugend dran, die
Sache in die Hand zu nehmen und das Ganze durchzuführen.
Einige bastelten fleißig an der Kulisse. Frauen nähten die Kostüme. Die
Spieler probten fleißig. Man hatte das Krippenspiel sogar selber
verfasst. Und an alles gedacht, auch an Ochs und Esel, ja sogar an das
Stroh.
Bei der Generalprobe, bei der angeblich generell alles schief gehen
muss, damit die Premiere klappt, da ging tatsächlich allerhand schief.
Kaum einer hatte seinen Text im Kopf. – Und was das Schlimmste war: Die
drei Könige hatte man schlichtweg vergessen. Aus unerfindlichen Gründen
hatte man diese Rollen überhaupt nicht besetzt. Aber da war man sich
schnell einig: auf diese wollte man auf keinen Fall verzichten. Die drei
Könige gehören einfach zu einem Weihnachtsspiel. Aber was machen?
Da hatte einer eine Idee. Er schlug vor, in der Gemeinde rumzufragen,
wer spontan bereit wäre, König zu sein. Es müsste jetzt auch kein Text
mehr auswendig gelernt werden. Wer sich bereit erklärt, sollte einfach
einen Gegenstand mitbringen und an der Krippe ablegen – als Geschenk für
das Christkind. Und dabei sollte er frisch von der Leber weg sagen,
warum er gerade diesen Gegenstand mitbrächte. Das war die Lösung.
Und dann kam der Heilige Abend. Die Kirche war voll, die Leute gespannt
und die Schauspieler aufgeregt. Und das Krippenspiel begann. Und es
begann gut. Niemand blieb hängen. Alles lief reibungslos. – Und dann die
letzte Szene: Auftritt jener drei Könige, die sich „last Minute“
gemeldet hatten. Ungeprobt traten sie auf, ganz live, wie es eben ist im
Leben.
Der erste König war ein Mann Mitte vierzig, verheiratet, drei Kinder,
Angestellter bei der Stadtverwaltung. Er hatte eine Krücke dabei, die er
aber offensichtlich nicht brauchte. Alle schauten gespannt und spitzten
die Ohren, als er mit der Krücke vor zur Krippe kam.
Dann sagte er:
„Ich hatte in diesem
Jahr einen schweren Autounfall. Lange lag ich im Krankenhaus. Es war
eine schwere Zeit. Niemand konnte mir sagen, ob ich je wieder laufen
kann. Jeder noch so kleine Fortschritt machte mir Mut und Freude. Diese
Zeit im Krankenhaus hat mein Leben verändert. Ich bin aufmerksamer und
dankbarer geworden. Es gibt für mich nichts Kleines und
Selbstverständliches mehr. Am Morgen aufstehen, die Glieder bewegen und
die Sinne gebrauchen können, dabei sein, Arbeit haben, alles ist
wunderbar, alles ist Geschenk. – Diese Krücke lege ich vor die Krippe
nieder als Ausdruck für meinen Dank. Dank dafür, dass ich wieder auf die
Beine gekommen bin. Danke dem, der mich am Leben erhalten und mir die
Gesundheit wieder geschenkt hat. Danke für so viel Gutes, das mir
Menschen erwiesen haben. Danke für so viele Gnaden, das ich erfahren
durfte.“
Es war still geworden in der Kirche, als der zweite König nach vorne
trat. Es war eine Königin, Mutter von zwei Kindern. Sie sagte:
„Ich schenke dir
etwas, was man nicht sehen und nicht einpacken kann und was mir heute
doch das Wertvollste ist. Ich schenke dir mein Ja, mein Einverständnis
zu meinem Leben, wie es geworden ist, so wie du es bis heute geführt
hast, auch wenn ich zwischendurch oftmals nicht mehr glauben konnte,
dass du wirklich einen Plan für mich hast. Ich schenke dir mein Ja zu
meinem Leben und allem, was dazugehört, meine Schwächen und Stärken,
meine Ängste und meine Sehnsucht, die Menschen, die zu mir gehören, mein
Ja zu meinem Zweifel auch und zu meinem Glauben. Ich schenke dir mein Ja
zu dir, Heiland der Welt!“
Jetzt trat der dritte König vor. Ein junger Mann mit abenteuerlicher
Frisur, top gekleidet, gut gestylt, ein echter Hingucker. Alles hielt
den Atem an. Mit ziemlich lauter Stimme sagte er
„Ich bin der König
mit den leeren Händen! Ich habe nichts zu bieten. In mir ist nichts als
Unruhe und Angst. Ich seh nur so aus, als ob ich das Leben leben kann.
Hinter der Fassade ist nichts, kein Selbstvertrauen, kein Sinn, keine
Hoffnung. – Dafür aber viel Enttäuschung, viel Vergebliches, viele
Verletzungen auch.
Ich bin der König mit
den leeren Händen. Ich zweifle an so ziemlich allem, auch an dir, Kind
in der Krippe. – Meine Hände sind leer. Aber mein Herz ist voll. Voller
Sehnsucht nach Vergebung, Versöhnung, Geborgenheit und Liebe. – Ich bin
hier und halte dir meine leeren Hände hin. Und bin gespannt, was du für
mich bereit hast.“
Es war mucks-mäuschen-still. Alle waren tief beeindruckt. Mit einem
solchen König hatte niemand gerechnet. Eine merkwürdige, fast
bedrückende Sprachlosigkeit stand im Raum. – Auf einmal ging Josef zur
Krippe, nahm einen Strohhalm daraus und gab ihn dem jungen König in die
leeren Hände. Dabei sagte er: „Das Kind in der Krippe ist der
Strohhalm, an den du dich klammern kannst!“
Ringsum große Betroffenheit. Alle spürten, dass – so gesehen – jeder
mehr oder weniger ein König mit leeren Händen war. Und so kam es, dass
am Ende alle Leute in der Kirche nach vorne zur Krippe gingen und sich
einen Strohhalm nahmen. – Und da wurde auf einmal deutlich, dass es am
Heiligen Abend ganz und gar keine Schande ist, mit leeren Händen
dazustehen. Ganz im Gegenteil: Leere Hände sind geradezu Voraussetzung,
dass man etwas entgegennehmen, etwas bekommen und empfangen kann. Ob
nicht auch Gott die offenen, leeren Hände mehr liebt als die geballten,
die festhaltenden, die raffenden? „Selig die arm sind vor Gott!“
Ja, selig die Empfänglichen,
empfänglich - wie Maria - für seine Gnade, sein Erbarmen, für sein
Licht, seine Kraft und seinen Frieden.
---- S T I L L E ---
Was spricht Sie in dieser Geschichte an?
Wo finden Sie sich wieder?
---- S T I L L E ---
Wenn Sie angefragt worden wären, die Rolle eines Königs zu übernehmen:
Was hätten Sie mitgebracht? Und was hätten Sie erzählt?
Gebet
im Stehen, langsam und mit Bedacht sprechen:
Mit leeren Händen
stehe ich vor Dir, Herr
und lasse los
Besitz und Leistung,
Absicht und Verkrampfung,
Maske und Fassade
und jede trügerische Hoffnung.
Mit leeren Händen
stehe ich vor Dir, Herr.
Mit leeren Händen
stehe ich vor Dir
und bringe Dir nichts
als meine Armut und Blöße,
meine Fehler und Schwächen,
mein Zagen und Weinen
und meine kleine Hoffnung.
Mit leeren Händen
stehe ich vor Dir, Herr,
und bitte Dich
um Einsicht und Empfänglichkeit,
um Demut und Gelassenheit,
um Stille und Wärme
und um starke Hoffnung.
Mit leeren Händen
stehe ich vor Dir, Herr.
Die Geschichte
verdanke ich - mit einigen Veränderungen – einem Buch von Ludwig
Burgdörfer |