geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Christ, der Retter ist da

zum Evangelium am 1. Weihnachtstag; Joh 1, 1 - 14

 

 

 

 

Evangelium

Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes

1Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.

2Dieses war im Anfang bei Gott.

3Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.

4In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen.

5Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.

6Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes.

7Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen.

8Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.

9Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.

10Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.

11Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

12Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben,

13die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

14Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

 

 

Haben Sie es auch gemerkt, liebe Schwestern und Brüder?

Das soeben gehörte Evangelium klingt ganz anders als das von gestern Abend bzw. von der Heiligen Nacht. Nichts von jubelnden Heerscharen, nichts von frohen Hirten, nichts von „Friede und Freud“ wie im Lukasevangelium, sondern heute – bei Johannes – da heißt es ganz einfach: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“

 

Unter uns, liebe Schwestern und Brüder! In unserer Welt!

Das Mensch gewordene Wort hat in derselben Welt gelebt, in der auch wir leben und leben müssen und die so oft alles andere als idyllisch und romantisch ist, weil hier keine Engel vom Frieden singen, sondern wo Waffenlärm vom Krieg kündet und wo die Flucht der Jesus-Familie nach Ägypten schreckliche Realität von Millionen von Menschen ist.

 

Das Wort ist Fleisch geworden, Mensch geworden und hat unter uns gewohnt – in unserer Welt, die so unmenschlich sein kann und die so erlösungsbedürftig ist.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Weihnachten heißt für viele: Wir hängen Sterne auf und Lichter. Wir verpassen unserer Welt ein paar Goldkugeln und etwas Watteschnee. Wir dekorieren um – und alles sieht ein bisschen „netter“ aus, „hübsch“, heimelig.

 

Aber Gott ist nicht Mensch geworden, um unsere Welt ein bisschen „aufzuhübschen“ und umzudekorieren für ein paar Tage, sondern er ist Mensch geworden, um die Welt zu retten. Oder sagen wir genauer: Um uns zu retten.

 

Denn ob diese Welt noch zu retten ist, weiß ich nicht.

Aber Menschen kann man noch retten. Sie und ich, wir sind doch hoffentlich noch zu retten.

 

Aber wie rettet man den Menschen? Mit Appellen und Vorschriften: Ihr müsst doch! Ihr sollt doch! Wer Christ ist, der muss doch…  Noch mehr! Noch gläubiger! Noch frömmer!? – Mit noch höheren Anforderungen und noch mehr Leistung – wenn es sein muss mit Druck? – Nun, so versuchen es vielleicht unfähige Eltern und Pädagogen, die gar keine sind – mit wenig Erfolg.

 

Und deshalb macht Gott es anders: Um den Menschen zu retten, wird er selbst Mensch. – Wie gesagt: kein „Zuchtmeister“, kein Erzieher, sondern ein Kind. Keiner, der mit eisernem Besen kehrt, sondern der Worte der Liebe hat.

 

Ein Mensch der voller Erbarmen ist. Voller Barmherzigkeit. Eine Barmherzigkeit, die aber die dunklen Stellen dieser Welt und unseres Lebens nicht einfach ein bisschen übertüncht, nach dem Motto: „Ist ja nicht so schlimm!“, sondern die sie erlösen will.

„Ich mache euch heil!“ so sagt er. Ich mache alles wieder gut, weil ihr mir am Herzen liegt, weil ihr mein Ein und Alles seid.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Dieser Gott kommt als Retter, als Heiland.

Und deshalb hat er so viel zu tun:

 

Dort, wo wir Dunkelheit sind, da will er Licht sein.

Wo wir voller Bosheit sind, da ist er voller Liebe.

Wo wir gnadenlos sind, da ist er voller Barmherzigkeit.

 

Und wo wir meinen, wir brauchen doch gar keinen Retter, da lässt er uns nicht fallen, sondern da geht und läuft er uns nach – solange, bis wir uns von ihm finden lassen.

 

Und selbst wo wir ihn ans Kreuz schlagen, da kann er immer noch sagen: Herr, rechne ihnen das nicht an! Denn sie haben mich noch nicht erkannt. Denn wenn sie mich erkannt hätten, dann würden sie mich doch lieben.

 

Ja, Gott kommt in unsere Welt hinein, mitten hinein in die Schlagzeilen von Krieg, Unmenschlichkeit und Leid – um hier Heil zu bringen, Vergebung und neue Anfänge. – Um auch uns zu neuen Menschen zu machen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Menschen, die Gott in seiner Barmherzigkeit an sich heranlassen können, die können selbst zu barmherzigen Menschen werden. – Menschen, die Vergebung erfahren haben, die können selbst auch anderen vergeben. – Und Menschen, die am eigenen Leib erfahren haben, wie gut es ist, dass es Retter gibt, diesen Retter, die können selbst zu Rettern werden – für andere.

 

Das ist das Geschenk von Weihnachten: Die Liebe und die Barmherzigkeit Gottes, die in Jesus Christus Mensch geworden ist.

 

Und dann geht Weihnachten weiter. Dann, wenn wir dieses Geschenk annehmen, wenn wir uns diese Barmherzigkeit Gottes schenken lassen und – im wahrsten Sinne des Wortes – gefallen lassen, damit auch wir barmherzig werden, Menschen, die das weiterschenken, was sie selbst als Geschenk empfangen haben – und was ihnen gutgetan hat, sie heil gemacht hat.

 

Und wenn Menschen sich verändern lassen, wenn Menschen sich retten lassen, dann verändert sich auch unsere Welt – und dann ist auch diese Welt zu retten.

 

„Christ, der Retter ist da“, so singen wir in diesen Tagen. Und das soll unser Glaubensbekenntnis sein: dass einer gekommen ist, nicht zu richten, sondern um zu retten, nicht um zu strafen, sondern um zu vergeben und uns seine Barmherzigkeit zu schenken: Jesus Christus, der Herr, im Kind von Betlehem…damit wir Menschen das Heil erfahren, Gottes Heil – und so selbst zu Ge-heiligten werden, zu Menschen seiner Gnade.