geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Sebastian

(Predigt zum Patrozinium der Pfarrgemeinde Neuthard / Baden)

 

SEBASTIAN

  • Wie viele Kirchen und Kapellen tragen seinen Namen?

  • Wie oft trifft man auf eine Statue oder ein Bild von ihm?

  • Wie viele heißen Sebastian oder einfach Bastian?

  • Sogar Städte und Dörfer sind nach ihm benannt.

Sebastian wurde und wird viel verehrt. Er gehört zu den volkstümlichen Heiligen, und das nicht nur hier zu Lande, sondern weltweit.

 

Liebe Pfarrgemeinde von Neuthard!

Sie haben also einen ganz populären Heiligen als Pfarrpatron, einen, der bis heute fasziniert und ausstrahlt und dessen mutiges Glaubenszeugnis bis heute nicht vergessen ist.

 

Und ich freue mich, am heutigen Tag sein Fest und das Patrozinium dieser Pfarrei mit Ihnen zusammen feiern zu dürfen.

Herzlichen Dank, Dir Rudi, lieber Landsmann, für die Einladung zur Festpredigt, die ich ohne Zögern und gern angenommen habe.

 

 

Die Frage ist jedoch, liebe Schwestern und Brüder:

  • Kann uns der hl. Sebastian heute noch etwas sagen?

  • Können wir mit einem Heiligen aus dem 3. Jahrhundert. in unserer Zeit, in unserer Gesellschaft und in der Kirche heute überhaupt noch etwas anfangen?

  • Ist das Leben des hl. Sebastian, seine Weise Christ zu sein und christlich zu leben, ist das für uns heute noch aktuell und relevant?

  • Ist seine Art, auf Gott zu hören und seinen Willen zu tun für uns heute in einer ganz anderen Zeit und unter ganz anderen Lebensumständen überhaupt noch beispielhaft und nachah­menswert?

 

Wer war dieser hl. Sebastian überhaupt?

Der Legende nach war Sebastian schon in früher Jugend Christ. Das war damals ziemlich gefährlich. Denn das Römische Reich war noch ganz aufs Heidentum und die römischen Götter einge­schworen.

Sebastian wurde Berufssoldat. Rasch stieg er die Karriereleiter empor. Bald war er Hauptmann der Prätorianergarde, der Renommiertruppe und Leibgarde des Kaisers.

In Rom war damals Korruption, Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch durchaus an der Tagesordnung, nicht jedoch bei Sebastian. Das verschaffte ihm Respekt, ja Hochachtung.

Unter Kaiser Diokletian kam es jedoch zu schlimmen Christenverfolgungen. Öffentlich Christ zu sein, war lebensgefährlich. Und dennoch nahm Sebastian an den Versammlungen der christlichen Gemeinde teil.

Ja, als Offizier hatte Sebastian freien Zutritt zu allen Gefängnissen. Er nutzte dieses Privileg, um – wie wir heute sagen würden – seinen Mitchristen Hafterleichterung zu verschaffen und ihnen in den Gefängnissen Roms beizustehen. Er sprach ihnen Mut zu und sorgte für die Bestattung der Märtyrer. Außerdem bekehrte er viele Römer, darunter auch römische Adlige. Dem Gebot, den traditionellen römischen Staatsgötter zu opfern, kam Sebastian nicht nach. So blieb es nicht aus, dass er auffiel und dass sein christlicher Glaube bekannt wurde.

Sebastian wurde – sozusagen wegen subversiver Tätigkeit gegen die Staatsgewalt – inhaftiert.

 

Da er Soldat war, wurde er vom Kaiser Diokletian zum Tod durch Erschießen verurteilt. Er wurde an einen Baum gebunden und von numidischen Bogenschützen solange mit Pfeilen beschossen, bis er blutüberströmt zu Boden fiel. Weil man ihn für tot hielt, ließ man ihn am Hinrichtungsort liegen. Er war jedoch nicht tot.

Christen, die ihn begraben wollten, stellten fest, dass er noch am Leben war. Die Witwe eines Märtyrers namens Irene nahm sich seiner an. Und es gelang ihr tatsächlich, den Schwerverletzten wieder gesund zu pflegen.

Sebastian war nicht nur nicht tot -  er war auch nicht eingeschüchtert und auch nicht mundtot gemacht.

 

Als er sich erholt hatte, so erzählen die Berichte, sei er wieder in aller Öffentlichkeit aufgetreten. Auch dem erstaunten Kaiser trat er entgegen und hielt ihm Folter, Mord und all seine bestalische Grausamkeit ganz offen und schonungslos vor.

Was passierte? Diokletian tat, was Mächtige gegenüber Kritikern zu tun pflegen, sie aus der Welt schaffen. Diesmal ließ er die Beseitigung Sebastians gründlicher regeln. In der Arena auf dem Palatin ließ er Sebastian wie einen Hund mit Knüppeln totschlagen. Sein Leichnam wurde in die cloaca maxima, die Abwasser­kanalisation geworfen. Christen fischten seinen Leichnam heraus und begruben ihn an der Via Appia.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn ich das Leben des hl. Sebastian so anschaue und auf mich wirken lasse, dann fallen wir einige ganz markante Dinge auf: 

  1. Sebastian zeichnete sich durch Unbestechlichkeit und Zuverlässigkeit aus. Korruption machte er nicht mit. Für Betrug und Fälschung war er nicht zu haben. Amtsmissbrauch gab es bei ihm nicht.

 

Merken Sie wie aktuell, wie überzeitlich dieser Heilige ist? Kann das Leben des hl. Sebastian uns in unserer Zeit, wo Schmiergelder und Betrügereien im Kleinen und im Großen an der Tagesordnung sind, nicht eine Mahnung sein, ein christlicher Maßstab und Korrektiv? Kann es uns nicht Orientierung sein, wie wir ohne Falsch, ohne Tricks und ohne Gaunereien, sondern mit sauberen Händen und mit reinem Herzen durchs Leben gehen und unseren Alltag anständig und lauter bewältigen können? Bestechung, Korruption, Betrug und Amtsmissbrauch ist heute wie damals mit einer christlichen Lebensführung nicht vereinbar.

  1. Sebastian hat die Liebe geübt. Er hat die Christen im Gefängnis besucht und ihnen geholfen. Er hat Güte gewagt und Notleidenden Barmherzigkeit erwiesen.

Für mich ist der hl. Sebastian nicht nur ein Märtyrer, sondern auch ein Heiliger der Nächstenliebe. Sebastian hat ernst gemacht mit dem Wort Jesu: „Ich war krank und ihr habt mich besucht. Ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen... Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Sehen Sie: danach werden wir einmal gefragt: nach der Liebe. Gefragt ist auch heute die Liebe, die dem Menschen als Menschen begegnet, mitfühlend, tröstend, aufrichtend, rettend und heilend. Gefragt ist die Liebe als Gegenteil von purem Egoismus, Hartherzigkeit, Gleichgültigkeit, Habgier und Geiz. Gefragt ist die Liebe des barmherzigen Samariters auch in unserer Zeit, die hilft, wo Hilfe nötig ist.

Wenn Sie mich nach dem wichtigsten Werk der Barmherzigkeit heute fragen, dann würde ich sagen: Zeithaben und Zuhören!

Merken Sie, wie zeitgemäß und auch herausfordernd Sebastian bis heute für uns ist?

  1. Sebastian versteckte seinen Glauben nicht. Er war inmitten einer heidnischen Umgebung missionarisch eingestellt. Er lebte seinen Glauben offensiv und suchte Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen. Mutig und unerschrocken trat er sogar dem Kaiser entgegen.

 

Verstecken wir unseren Glauben nicht allzu sehr im Privatbereich? Behandeln wir ihn nicht oft wie eine geheime Verschlusssache? Warum leben wir unseren Glauben nicht offensiver? Warum treten wir nicht entschiedener als Christen auf und geben Zeugnis von dem, was unsere Hoffnung ist?

Wo ist heute der Impetus, möglichst viele Menschen zum Glauben zu bringen, zu Christus zu führen? Ich finde, ein Stück des christlichen Selbstbewusstsein und damit auch missionarischen Bewusstsein, das dem hl. Sebastian zu eigen war, täte unseren Gemeinden und unserer Kirche heute inmitten des neuen Heidentums, in dem wir heute leben, gut.

Schauen wir jetzt nicht auf die Amtsträger und die Hauptberuflichen in der Kirche. So können wir uns die Herausforderung ganz schön vom Leib halten. Sebastian war auch nicht Diakon, Priester oder Bischof. Er hatte einen ganz weltlichen Beruf. Und trotzdem hat er durch sein Wort, besonders aber auch durch sein überzeugtes Christenleben andere auf den Glauben aufmerksam gemacht und zum Glauben hingeführt.

Gott sucht auch heute Menschen, die von ihm sprechen und seine gute Botschaft weitersagen. Gott sucht auch heute Menschen, die ihre Trägheit, ihre Gleichgültigkeit und Menschenfurcht überwinden und seine Zeugen werden mit ihrem ganzen Leben.

Gott braucht auch heute Menschen, die sich gesandt wissen, Zeugen der Wahrheit und Boten der Liebe zu sein, Salz der Erde und Licht der Welt.

 

  1. Auch in Lebensgefahr hat Sebastian sich geweigert, den heidnischen Gottheiten zu opfern. Er hat seinen Glauben nicht verleugnet, sondern sich mutig und tapfer dazu bekannt. Er blieb standhaft und treu bis in den Tod.

 

Wer sind die Götter heute, denen die Menschen huldigen und Opfer bringen? Geld, Karriere, Profit, Prestige? Vielleicht aber auch Hedonismus, Beliebigkeit und das eigene Ego.

 

Auch heute gilt nicht weniger wie zur Zeit des hl. Sebastian: „Der Herr allein ist Gott. Und du sollst keine fremden Götter neben ihm haben.“ Heute wie damals gilt: „Den Herrn allein sollst da anbeten und ihm allein dienen!“ Und auch heute gilt: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“

 

Das Leben des hl. Sebastian hat nichts an Aktualität eingebüßt.

  • Heute sein Fest feiern, das heißt, sich berühren und durchdringen lassen vom Geist, der diesen Mann erfüllt hat. Es ist der Geist des Evangeliums. Es ist die Begeisterung für Jesus. Es ist die Leidenschaft für Gott und sein Reich.

  • Heute das Fest des hl Sebastian feiern, das heißt, sich entzünden und anstecken lassen von der Gesinnung, die in ihm war, von der Einstellung, die ihn geprägt hat. Es ist die Gesinnung der Barmherzigkeit und der Liebe. Nicht nur reden von Solidarität, sondern tun der Solidarität!

  • Heute das Fest des hl. Sebastian feiern, das heißt, sich von der Glaubensstärke und dem Glaubensmut dieses Glaubenszeugen entflammen und anspornen zu lassen. Sich des Glaubens nicht schämen, sondern Mut haben, als Christ in der Öffentlichkeit seinen Mann und seine Frau zu stehen. Den Glauben offensiv leben, nicht aggressiv, aber offensiv! Den Glauben bezeugen in Wort und Tat!

Christlicher Glaube, liebe Schwestern und Brüder, hat sich seit den Tagen der Apostel und Märtyrer nicht ausgebreitet durch Leisetreterei, falsche Rücksichtnahme und scheue Zurückhaltung.

Christsein mit Profil, Flagge zeigen, missionarisch Kirche sein, setzt allerdings voraus, dass ich meinen Glauben nicht als „Ladenhüter“ begreife, sondern als „Schatz“ erfahre, der es wert ist, wei­tergegeben und weitergesagt zu werden.

 

Nur Ergriffene ergreifen. Nur wer selbst entzündet ist, kann an­dere anstecken. –

  • Ist in mir noch Glaubensglut oder hüte ich nur noch Asche?

  • Brennt in meinem Herzen die Leidenschaft für Gott und sein Reich?

  • Oder ist meine Frömmigkeit bloß noch Routine, Pflicht, Abhaken, äußeres Getue?

  • Oder bin ich einfach unheimlich gleichgültig, bequem und faul geworden?

  • Gefragt sind Frauen und Männer in der Kirche, denen man – wie dem hl. Sebastian – anmerkt, dass sie erfüllt sind von Gottes Geist, erfüllt von einer heiligen Leidenschaft für Gott.

  • Gefragt sind Menschen, die Zeugnis geben von der Zuversicht, die sie trägt, vom Vertrauen, das sie prägt, von der Sehnsucht, die sie bewegt, von Gott, der zu uns steht und mit uns geht.

  • Gefragt sind Menschen, die auch heute aus jenen Geist der Stärke, der Standhaftigkeit und Treue leben, den der hl. Sebastian auszeichnete.

Und so rufen wir: Sebastian, komm wieder! Komm wieder in Menschen, die gesinnt sind wie du, die handeln wie du, die leben wie du! – Komm wieder! Und wir fügen zögernd hinzu: in uns.

Sporne uns an, ermutige uns, beseele uns, ganz bewusst, ganz wach, ganz intensiv und ebenso entschieden und konsequent wie du, ebenso mutig und tapfer wie du, ebenso standhaft und treu wie du mit Jesus unseren Weg zu gehen, den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Hilf uns, nicht nur Christen zu heißen, sondern es wirklich zu sein.