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"Die schönste von allen ..."
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„Die Schönste von allen“, singen wir in einem Marienlied. Weiter heißt es dort: „An ihrer Gestalt all Schönheit beisammen...“ Und: „Kann Schönres nicht malen ein englische Hand...“
Generationen von Künstlern haben sie gemalt, die „Wunderschön Prächtige“, haben sie in Stein gehauen und in Bronze gegossen, sie in Lied und Dichtung besungen, „die Schönste von allen“.
Ob Maria sich je Gedanken über ihr Aussehen gemacht hat? Ob sie dem Schönheitsideal ihrer Zeit entsprach?
Über solche Fragen hätte sie wohl nur gelächelt oder sich verwundert. Ebenso über Modedesigner und die aufgemachten Schönheiten, Models und Schönheitsköniginnen unserer Tage.
Eine solche Schönheit brauchte Maria nicht. Einmal ganz davon abgesehen, dass ihr Leben alles andere als schön war, im Sinne von leicht und bequem. Das war kein Weg „über blumige Auen“, sondern ein Weg, der auch in Dunkelheiten führte und Ungewissheit und Leid kannte. Ihr Leben war ein hartes und ein geprüftes Leben, ein Leben, das – wie bei jedem von uns, so auch bei ihr – seine Spuren hinterlassen hat.
„Du Frau aus dem Volke..., kennst Arbeit und Sorge ums tägliche Brot, die Mühsal des Lebens in Armut und Not“. Das ist das eine: ein mühevoller Alltag in ganz einfachen und ärmlichen Lebensverhältnissen. Das andere: Marias Leiderfahrung. Denken wir nur an die Schmerzensreiche, die Mater Dolorosa, Maria unter dem Kreuz
Auf dem rechten Seitenaltar unserer Wallfahrtskirche ist es dargestellt: „Maria im Leid“, Maria, wie sie unter dem Kreuz ohnmächtig zusammenbricht. Was hat sie nicht alles erlitten! Wie viel hat sie mitgemacht und durchgestanden! „Angst und Jammer, Qual und Bangen, alles Leid hielt sie umfangen, das nur je ein Herz durchstach.“
Und trotzdem heißt es von Maria: „ganz schön bist du“, „tota pulchra es, Maria“. Wie ist das zu verstehen? Allerdings, Marias Schönheit ist nicht nach den Maßstäben unserer Welt und Zeit. Sie ist von anderer Art. Ihre Schönheit speist sich aus ihrer mütterlichen Liebe, aus ihrer Verbundenheit mit Gott und vor allem aus ihrem von Anfang an reinen, makellosen Leben. Vom ersten Augenblick ihres Daseins an frei von Sünde und Schuld.
Das feiern wir heute. „Immaculata conceptio“, wie es im Lateinischen kurz und bündig heißt. „Immaculata conceptio“, das kann man mit „unbefleckte Empfängnis“ übersetzen, aber auch mit „makelloses Konzept“ oder „tadelloser Entwurf“.
Was bedeutet das? Das bedeutet: In Maria dürfen wir den Menschen erkennen, wie Gott ihn sich gedacht und ihn gewollt hat: nicht zerrissen und gespalten, nicht verunstaltet und verdorben, sondern ganz, schön, heil und makellos. Maria: das reinste und wenn man will „gelungenste“ Geschöpf Gottes, die „neue Eva“.
Der selige Duns Skotus, der wesentlich zum Glaubensgeheimnis des heutigen Festes beigetragen hat, betont: „Homo mirabiliter formatus“ – der Mensch, wunderbar geschaffen – „per peccatum deformatus“ – durch die Sünde deformiert – „mirabilius reformatus“ – wunderbar erneuert, und zwar „per Dominum nostrum Jesum Christum“, durch unseren Herrn Jesus Christus.
Der Mensch: wunderbar erschaffen – durch die Sünde verunstaltet – durch Christus wunderbar erneuert.
Die Sünde war es also, die Gottes Plänen eine andere Richtung gab. Der Ungehorsam des Menschen hat die Freundschaft mit Gott gebrochen. Aber Gott hat nicht das Handtuch geworfen. Er hat sich nicht vom Menschen abgewandt, geschweige denn sich von ihm entfernt.
Der Strafspruch über Adam und Eva war nicht das letzte Wort Gottes. Nein, Gott wollte sein gefallenes Werk zu einer neuen Schöpfung umwandeln. Er wollte eine neue Perspektive der Hoffnung eröffnen. Er wollte einen neuen Anfang setzen, der Heil und Segen bringt. Und so hat er einen Retter verheißen, einen, der herausholt aus aller Verlorenheit, einen, der Licht bringt ins Dunkel, einen der wieder aufrichtet, einen, der heilt und befreit.
Über alle Untreue der Menschen hinweg hat Gott, wie wir glauben, seine Verheißung wahr gemacht. Er hat sie erfüllt in Jesus Christus, geboren aus Maria, der Jungfrau.
Und dazu hat er Maria auserwählt. Er wollte, dass sie an seinem Heilswerk mitwirkt. Er wollte ihre Bereitschaft, ihre Zustimmung. Und Maria hat ja gesagt. Sie hat eingewilligt. Sie hat sich Gott ganz und vorbehaltlos zur Verfügung gestellt. „Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach deinem Wort.“
Und der Mächtige hat Großes an ihr getan, wie Maria selbst in ihrem Lobgesang bekennt. Gott hat voll Güte auf sie geschaut und sie überreich mit Wohlwollen beschenkt. Sie ist die „voll der Gnade“, die ganz und gar Begnadete.
Maria ist die Vorausnahme und volle Verwirklichung der neuen Schöpfung, die Ersterlöste von allen Erlösten, vom ersten Augenblick ihrer Erschaffung an bewahrt von aller Verstrickung in die Macht des Bösen. Und das nicht aus eigener Kraft, nicht aus eigenem Verdienst, auch nicht um ihrer selbst willen, sondern um Jesu willen, mit Blick auf seine Menschwerdung, „um ihm“, wie es heute im Tagesgebet heißt, „eine würdige Wohnung zu bereiten.“
Liebe Schwestern und Brüder! Der Sieg über Sünde und Tod, den Jesus, der menschgewordene Sohn Gottes, am Kreuz errungen hat, dieser Sieg hat im heutigen Festgeheimnis bereits seinen Anfang.
Gott hat Maria im Blick auf seinen Sohn als Erste und Einzige herausgenommen aus der allgemeinen Verflochtenheit in Schuld, aus der Verstrickung in das Böse, dem sonst niemand entgeht. Er hat sie herausgenommen und bewahrt von allem Fallen in Sünde und Schuld, vor dem sonst niemand gefeit ist, weil es kein Leben ohne Schuld gibt. Maria, „die Gesegnete unter allen Frauen“, ist die große Ausnahme. Der Grund: ihre Erwählung zur Mutter Jesu, zur Mutter des Erlösers. Darum hat Gott sie einzigartig begnadet. Darum hat er sie in besonderer Weise geheiligt. Die Ostkirche nennt Maria daher auch die „All-Heilige“.
Für uns aber ist Maria ein Zeichen der Hoffnung. Gott zeigt nämlich an ihr, was er einmal an allen Menschen, auch an uns, und zwar an jedem und jeder von uns, vollbringen will und – wenn wir es recht bedenken – bereits in unserer Taufe und Firmung getan und vollbracht hat.
„Wir sind getauft und Gott geweiht.“ „Er, der die ewige Liebe heißt“, hat uns seinen Geist geschenkt. Er hat uns zu seinen Kindern erkoren. Wir sind in seine Hand geschrieben. Wir tragen seinen Namen. Sein sind wir ewig und sollen es bleiben. Im Grunde geschieht dieses Rettende, heilende und Befreiende auch bei jedem Kommunionempfang, besonders auch beim Empfang des Bussakramentes, dem Sakrament der Versöhnung.
Mächtiger als alle Sünde ist die Macht und Gnade Gottes. Größer als alle Schuld ist seine Barmherzigkeit. Stärker als alle Verfehlung des Menschen ist Gottes Liebe.
Auf ihn wollen wir hören – wie Maria. Auf ihn wollen wir vertrauen – wie Maria. Zu seinem Willen ja sagen – wie Maria. Ihm allezeit dankbar leben, ihm dienen und ihn lieben – wie Maria, nach ihrem Vorbild und Beispiel. |
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