geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

John Fischer und Thomas Morus (22. Juni)

 

Wir werden heute an zwei große Männer erinnert: an John Fischer und Thomas Morus, beide Engländer.

Der eine war Doktor der Theologie und Bischof, der andere studierte in Oxford, war Humanist, befreundet mit Erasmus von Rotterdam, verheiratet und hatte drei Jahre lang das höchste Staatsamt inne. Beide starben 1535 in London auf dem Schafott.

 

Thomas Morus ist für uns heute ein besonders aktueller Heiliger.

Er war nämlich kein Ordensmann, kein Priester. Er war „nur“ Laie.

Aber gerade deshalb hat er uns heute viel zu sagen.

Er war ein vorbildlicher Christ mitten in der Welt.

Er war Vater von 4 Kindern, drei Töchter, denen er – einer Zeit vorauseilend – eine gediegene Bildung vermittelte, und ein Sohn, bei dessen Geburt die Mutter nach fünfjähriger Ehe starb.

Thomas Morus heiratete bald darauf wieder. Seine zweite Frau war Witwe und um sieben Jahre älter als er. Sie war seinen Kindern eine gute Mutter und ihm eine liebe Ehefrau.

 

Von Beruf war Thomas Morus Jurist, Rechtsanwalt. Rechtsprechung war ihm wichtig. So schrieb er einmal an seinen Schwiegersohn: „Wenn die Parteien von mir Gerechtigkeit verlangen und es stünde auf der einen Seite mein Vater und auf der anderen Seite der Teufel und dessen Sache wäre gut, so müsste der Teufel recht bekommen.“

Thomas Morus verband überragende Geistesschärfe mit tiefer Frömmigkeit und einem unerschütterlichen Humor.

1529 ernannte ihn König Heinrich VIII. zum Lordkanzler.

 

Mitten in der Welt, mitten im Getümmel von Familie und Politik, Wirtschaft und Wissenschaft nahm er sein Christsein ernst und versuchte es im Alltag umzusetzen und zu leben.

 

Ein Beispiel: Durch Unvorsichtigkeit waren alle mit Korn gefüllten Scheunen auf seinem landwirtschaftlichen Gut abgebrannt. Vom königlichen Hof aus schrieb er seiner zweite Frau Alice einen Brief. Er tröstete darin seine Frau wie ein Christ, der mitten in der Welt stehend um die Vergänglichkeit der Dinge weiß. Er tröstete seine Frau über den erlittenen Schicksalsschlag wie einer, der sein Leben ganz auf das Fundament des Ewigen gegründet hat und darum seine Frau bittet „mit allen Bewohnern des Hauses in die Kirche zu gehen und Gott für alles zu danken, was er uns gelassen hat“.

 

Thomas Morus ist auch noch aus einem weiteren Grund ein aktueller und geradezu modernen Heiliger, und zwar deswegen, weil er nicht tat, was man tut und was alle tun.

Er passte sich nicht dem Mainstream an. Er schwamm vielmehr gegen den Strom. Er ging seinen Weg.

Er blieb sich selber treu und folgte unbeirrt seinem Gewissen.

Er gehorchte Gott mehr als den Menschen, und seien es die höchsten Autoritäten, in seinem Fall der König von England. Schon 1532 legte Thomas Morus sein Amt als Lordkanzler nieder, weil er aus Gewissensgründen den Suprematseid verweigerte und damit die Oberhoheit des Königs über die Englische Kirche ablehnte.

Gerade in unserer Zeit, in der der einzelne viel Freiheit hat, sind die Gewissenstreue und das Treusein zu sich selbst so wichtig.

 

Das gleiche lässt sich von John Fischer sagen. Auch er hat sich dem König, Heinrich VIII., nicht gebeugt. Auch er hat den Eid auf ihn als Oberhaupt der Kirche von England verweigert.

Beide, John Fischer und Thomas Morus, wussten, was sie taten.

Jeder von ihnen war zum äußersten bereit aus Gehorsam gegenüber dem eigenen Gewissen und damit gegenüber Gott. Beide wurden enthauptet, John Fischer am 22. Juni 1535, Thomas Morus zwei Wochen später, am 6. Juli 1535.

Kurz zuvor waren schon die Karthäuser von London aus dem gleichen Grund hingerichtet worden.

 

Wie kam es dazu? Was war passiert?

Nun, Heinrich VIII. war anfangs ein entschiedener Gegner von Luther, weshalb ihm der Papst den Titel „Verteidiger des Glaubens“ gab. Aber es kam zu Spannungen und zum Zerwürfnis mit Rom.

Der Grund: König Heinrich verliebte sich in die Hofdame Anna Boleyn und versuchte in Rom seine langjährige Ehe mit der spanischen Prinzessin Katharina von Aragon für ungültig erklären zu lassen. Als ihm das nicht gelang, weil der Papst die Nichtigkeitserklärung nicht gab, beschloss er sich von Rom loszusagen. Er trennte sich von der katholischen Kirche und gründete die Kirche von England. Sich selbst ernannte er zum Oberhaupt der anglikanischen Kirche, machte sich also zum Papst von England.

 

Von allen Bischöfen und Großen des Landes verlangte er den Treueid. Schlussendlich fügten sich alle dem König, nur John Fischer und Thomas Morus nicht. Sie verweigerten den Treueid, worauf Todesstrafe stand. John Fischer und Thomas Morus wurden in den berüchtigten Tower von London eingekerkert und über Monate in strenger Haft gehalten und schließlich zum Tod verurteilt.

 

Auf dem Schafott bot man dem Bischof John Fischer nochmals die Verzeihung des Königs an, wenn er seine Meinung ändern und den Suprematseid doch noch schwören würde. Er blieb standhaft.

Auch Thomas Morus fragte man im Gefängnis, ob er es sich anders überlegt habe und bereit wäre, die Hoheitsakte des Königs zu unterschreiben. „Ja“ antwortete er, „ich habe es mir überlegt.“ „Gut, dann unterschreibt!“„Nein, so war es nicht gemeint. Ich wollte mir nur ursprünglich den Bart abnehmen lassen, bevor ich geköpft werde. Nun habe ich mich aber eines anderen besonnen. Ich lasse ihn jetzt doch stehen.“

 

Zum Bild von Thomas Morus gehört unbedingt sein Humor.

Noch vor seiner Hinrichtung brach sein Humor durch.

Scherzend bat er den Scharfrichter, seinen Bart vorstreichen zu dürfen, denn der hätte ja bestimmt keinen Hochverrat begangen.

Seinen Schwiegersohn bat er, dem Henker ein Goldstück zu geben. Er betete den Psalm „Miserere“ (Ps 51) und umarmte schließlich seinen Henker. Dann verband er sich selber die Augen und legte seinen Kopf auf den Richtblock. Seine letzten Worte waren: „Ich sterbe als des Königs treuer Diener, aber zuerst als Diener Gottes!“

 

Beide, John Fischer, der Bischof, und Thomas Morus, der Laie, der Theologe und der Humanist, starben als Märtyrer für die Freiheit des Gewissens, als Märtyrer für den Primat des Papstes, als Märtyrer für die Einheit der Kirche. Beide wollten lieber ihr irdisches Leben um Jesu willen verlieren, um das ewige zu gewinnen. Beide werden heute am gleichen Tag gefeiert. Als Vorbilder bleiben sie allezeit lebendig.

 

Auch unser Glaubenszeugnis hat nur dann einen Wert und Fruchtbarkeit, wenn wir – nicht nur, wenn es uns gut geht – sondern auch in den Prüfungen und Nöten des Lebens Gott die Treue halten.

 

In der Lebensbeschreibung des Thomas Morus hat mich eine Episode besonders beeindruckt:

Heinrich der VIII. heiratete Anna Boleyn. Zu ihrer Krönung war auch Thomas Morus eingeladen. Er ging nicht hin. Der König war wütend über diese Brüskierung. Thomas Morus wird an den königlichen Hof beordert. Er weiß, was auf ihn wartet: Verhöre, Versprechungen, Drohungen, Folter, Kerkerhaft, unter Umständen der Tod. Doch er besteigt gehorsam das Boot, um sich auf der Themse auf den Weg zu machen. Und versinkt in tiefes Schweigen… Doch auf einmal ruft er aus: „Ich habe gesiegt!“ – Das heißt nicht, dass für Thomas Morus nicht doch noch Prüfungen, Schmeicheleien, Lockungen und anschließend die Torturen folgten, damit er nachgibt und sich dem König fügt. Doch als er in diesem Moment, ins Gebet versunken, vor all das Schreckliche gestellt ist, das auf ihn lauert, vertraut er sich Gott an. Und er spürt wie ihm Gnade und Kraft zuteilwerden. Er fühlt sich gestärkt. Da ruft er aus: „Ich habe gesiegt!“ Seine Versuchung ist überwunden.

 

(An Stelle der Fürbitten oder als Meditation nach der Kommunion kann das wohl bekannteste Gebet von Thomas Morus vorgesprochen werden, das „Gebet um Humor“. Leider steht es nicht mehr im neuen Gotteslob, im alten Gotteslob Nr. 8,3)

 

„Schenke mir eine gute Verdauung, Herr, und auch etwas zum Verdauen.

Schenke mir Gesundheit des Leibes,

mit dem nötigen Sinn dafür, ihn möglichst gut zu erhalten.

Schenke mir eine heilige Seele, Herr, die das im Auge behält, was gut ist und rein, damit sie im Anblick der Sünde nicht erschrecke, sondern das Mittel finde, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.

Schenke mir eine Seele, der die Langeweile fremd ist,

die kein Murren kennt und kein Seufzen und Klagen.

Und lass nicht zu, dass ich mir allzuviel Sorgen mache

um dieses sich breitmachende Etwas, das sich ‚Ich‘ nennt.

Herr, schenke mir Sinn für Humor.

Gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen,

damit ich ein wenig Glück kenne im Leben

und anderen davon mitteile.“