geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Barnabas (11. Juni)

 

 

Aloisius wurde 1568 geboren. Er entstammte einem leidenschaftlichen Renaissancegeschlecht in Oberitalien und war der älteste Sohn seiner Eltern. Sein Vater war der Markgraf Gonzaga bei Mantua. Die Gonzagas hatten nur ein kleines Herrschaftsgebiet. So traten seine Mitglieder entweder in den Dienst des Kaisers und wurden rücksichtslose Haudegen, deren Weg zu Macht und Ruhm, fast könnte man sagen, mit Verbrechen gepflastert war – Alois Bruder z. B. starb als Mörder, aus der Kirche ausgeschlossen und selbst ermordet – oder sie schlugen den Weg der kirchlichen Karriere ein und gelangten oft bis ins Kardinalskollegium.

 

Was fällt ihnen, liebe Schwestern und Brüder, zu Barnabas ein?

In unseren Breiten ist es eher ein seltener Name.

„Barnabas“ heißt zu deutsch „Sohn des Trostes“ (Apg 4, 63).

Es ist der Beiname des heutigen Tagesheiligen, des heiligen Barnabas, der ursprünglich Josef hieß, zum Stamm Levi gehörte und aus Zypern stammte, sich aber in Jerusalem niedergelassen hatte.

 

Im Vergleich zu anderen Gestalten der ersten christlichen Generation ist von Barnabas viel die Rede, vor allem in der Apostelgeschichte. Er war einer der ersten Gläubigen, die nach der Auferstehung Jesu das Christentum angenommen hatten.

In der Jerusalemer Urgemeinde muss er eine bedeutende Stellung eingenommen haben. Obwohl er keiner der Zwölf war, wird er in der Apostelgeschichte „Apostel“ genannt.

 

Die Apostelgeschichte beschreibt ihn als einen „trefflichen Mann, erfüllt vom Heiligen Geist und voll des Glaubens“ (Apg 11, 23). Auch seine Hochherzigkeit wird gerühmt. Es wird nämlich von ihm berichtet, dass er einen Acker, der ihm gehörte, verkaufte und den Erlös den Aposteln für die Bedürfnisse der Kirche gab (Apg 4, 37).

 

Barnabas ist wohl vor und neben Paulus der bedeutendste Missionar der jungen Kirche. Noch vor Paulus hat er sich der Arbeit unter den Heiden zugewandt.

 

Als die Jünger Jesu aus Jerusalem vertrieben wurden, war ein Teil von ihnen nach Antiochien geflohen. So entstand in der drittgrößten Stadt des römischen Reiches eine christliche Gemeinde. Sie versteckten ihren Glauben nicht, sondern bezeugten ihn freimütig. Zahlreiche Heiden zeigten Interesse am christlichen Glauben. Sie schlossen sich der christlichen Gemeinde an, die schnell anwuchs. In Antiochien erhielten die Jesus-Gläubigen zum ersten Mal einen eigenen Namen. Sie wurden nämlich „christianoi“, das heißt „Christen“, genannt

Barnabas wurde von der Urgemeinde von Jerusalem nach Antiochien geschickt, um nach dem Rechten zu sehen.

Er sah in der Bekehrung der Heiden eine Fügung Gottes und gab den „Christen“ grünes Licht, in der eingeschlagenen Richtung weiterzumachen und weiterzugehen.

 

Als Barnabas merkte, dass es für die Gemeinde- und Missionsarbeit gut wäre, Verstärkung zu haben, suchte er Paulus in Tarsus auf, um ihn als Helfer und Mitarbeiter zu gewinnen.

Paulus hatte sich offensichtlich nach seiner Bekehrung erst noch zurückgehalten und sich in seine Heimat zurückgezogen.

 

Es ist Barnabas zu verdanken, dass Paulus in die verängstigte und dem ehemaligen Verfolger gegenüber misstrauischer Jerusalemer Gemeinde aufgenommen und von dieser als Heidenmissionar anerkannt wurde. Man tat sich nämlich zunächst schwer, den raschen Sinneswandel des bislang extremen Pharisäers und rasenden Christenhassers Saulus zum „Jünger“ und Kämpfer für das Evangelium Jesu Christi nachzuvollziehen und für wahr zu halten. – Über ein Jahr arbeiteten Barnabas und Paulus in Antiochien zusammen.

 

Barnabas und Paulus unternahmen zusammen auch die erste größere Missionsreise. Barnabas wählte seine Heimat Zypern als erstes Missionsfeld und einige Städte im südlichen Kleinasien, in denen es jüdische Diasporagemeinden gab (vgl. Apg 13 - 14).

Barnabas nahm auch seinen Vetter Markus mit. Dieser hielt allerdings nicht durch und begab sich vorzeitig wieder nach Jerusalem, was ein unliebsames „Nachspiel“ haben sollte.

Barnabas und Paulus aber konnten trotz manchen Anfeindungen, Misshandlungen, Kerkerhaft und Vertreibungen in vielen Städten kleine christliche Gemeinden gründen.

 

Nach ihrer Rückkehr von ihrer Missionsreise nach Antiochia kamen Judaisten in diese Stadt. Sie forderten, die Heidenchristen müssten sich durch Beschneidung in das Judentum eingliedern lassen (Apg 15, 1 - 6). Das brachte Unruhe, Spannungen und Konflikte in die jungen und wachsenden Gemeinden.

 

In diesen großen Auseinandersetzungen zwischen Judenchristen und Heidenchristen, standen Barnabas und Paulus von vornherein auf der Seite der „Progressiven“, die sich vehement dagegen wehrten, dass den aus dem Heidentum kommenden Christen die Gesetze der Juden aufgebürdet würden.

Beide, Barnabas und Paulus, wurden als Vertreter der Gemeinde von Antiochien zum sogenannten Apostelkonzil nach Jerusalem (um 50) geschickt, wo sie sich dafür einsetzten, dass den Heiden, die Christen werden wollen, nicht das mosaische Gesetz auferlegt wird. Und sie hatten Erfolg. Nach eingehenden Erörterungen und Aussprachen beschloss man, das Christentum vom Brauch der Beschneidung zu befreien.

 

Bald nach dem Apostelkonzil, zu Beginn der zweiten Missionsreise, kam es zu einem „bitteren Zwist“ zwischen Barnabas und Paulus. Das führte – zumindest für die nächste Zeit – zu einer Trennung der beiden Missionare (Apg 15, 36 - 41). Die Auseinandersetzung entzündete sich an Markus. Barnabas wollte seinen Vetter auf die zweite Missionsreise mitnehmen, Paulus jedoch war strikt dagegen. Er hatte dem jungen Markus noch nicht verziehen, dass er sie auf der ersten Missionsreise im Stich gelassen hatte. Es kam zum Bruch. Und so ging jeder für sich auf Missionsreise. Barnabas reiste mit Markus nach Zypern, um sich dort erneut der Missionsarbeit zu widmen.

 

Liebe Mitchristen!

Wir sehen, es kann auch unter Heiligen zu Meinungsverschiedenheiten, Auseinandersetzungen und Streitigkeiten kommen. – Ich finde das sehr tröstlich. Es zeigt, dass Heilige auch Menschen sind wie wir, Menschen mit Ecken und Kanten, Menschen mit Fehlern und Schwächen.

 

Heiligkeit besteht nicht darin, sich niemals zu irren, sich niemals verfehlt, niemals gesündigt zu haben. Heiligkeit wächst mit der Fähigkeit zur Bekehrung, zur Reue, mit der Bereitschaft, neu anzufangen und vor allem mit der Fähigkeit zur Versöhnung und zur Vergebung.

So findet sich Paulus, der sich Markus gegenüber eher streng und hart verhalten hat, am Ende wieder mit ihm zusammen.

In dem letzten Brief des heiligen Paulus an Philemon und im 2. Brief an Timotheus tauchte gerade Markus als „Mitarbeiter“ auf.

 

Später soll Barnabas auch in Griechenland und Rom missioniert haben. Ja, es gibt sogar eine Tradition, die in Barnabas den Apostel Mailands sieht und in ihm den ersten Bischof dieser Stadt.

Barnabas soll in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts in Salamis den Märtyrertod durch Steinigung erlitten haben.

Dem altkirchlichen Schriftsteller Tertullian zu Folge war Barnabas der Verfasser des Hebräerbriefes. Und seit dem 11. Jahrhundert steht sein Name im römischen Messkanon.

 

Eines ist klar, darüber gibt es keinen Zweifel: Barnabas gehört zu den großen Gestalten der ersten Stunde des jungen Christentums. Er zählt zu den herausragenden urkirchlichen Verkündern des Evangeliums Jesu Christi. Zusammen mit Paulus hat er die Weichen für die weltweite Ausbreitung des Christentums gestellt.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Auch wir sind Apostel, Gesandte Jesu. Auch wir haben eine Sendung, einen Auftrag. Es ist die Sendung, weiterzugeben, was wir selbst empfangen haben. Es ist die Sendung, heute, in unserer Zeit und in unserer Welt die Frohe Botschaft zu verkünden, Zeugen Christi zu sein in Wort und Tat, vor allem auch durch unser Leben, durch unser Beispiel. Denn Worte belehren, Beispiele reißen mit. Und nur Ergriffene ergreifen.