geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Der wahre Stern des Lebens

 

Die Weisen aus dem Morgenland, diese großen Pilger auf der Suche nach dem Angesicht Gottes. Stehen vor uns als Wegweiser, als Pilgerführer wie auch als Bilder unseres Lebens, denn wir alle sind auf der Suche nach dem wahren Stern, sind Wandernde, die in ihrem Leben nicht im Kreis gehen, sondern den rechten Weg und das rechte Ziel finden wollen.

Die neue Bibelübersetzung nennt die Weisen „Sterndeuter“: Sie haben den wahren Stern gefunden, der sie auf den Weg des Lebens führte. Sterndeuter können und wollen wir nicht sein im Sinne der Astrologie, des immerwährenden vergeblichen Versuchs, aus dem unabänderlichen Lauf der Gestirne Orakel für den Lauf des Lebens abzulesen. Und Sterndeuter wollen wir auch nicht sein im Sinne der Astronomie, die eine möglichst genaue Karte des Weltalls zu entwerfen versucht, diese unermesslichen Kontinente aufspürt und nachzeichnet, ihre Beschaffenheit und ihren Lauf wie vielleicht auch ihre Herkunft und Zukunft kennen möchte.

Um anderes geht es: darum, die Sternbilder der Geschichte, das Sternbild unseres Lebens zu entschlüsseln. Vielfältige Sterne bieten sich dem Menschen als Wegweiser an – Stars, die ihm das geglückte Leben versinnbildlichen sollen, Hoffnungen und Angebote: Besitz, Ansehen, Einfluss. All dies ist nichts Negatives, aber den Weg des Lebens zeigt es nicht. Du hast im Aufgehen des Lebens den wahren Stern freudig entdeckt – Christus, das Licht, das uns vorangeht, Weg und Ziel zugleich.

Es ist wichtig, den Stern zu sehen und sich von ihm auf den Weg bringen zu lassen, nicht nur um ihm selber nachzugehen, sondern um anderen die Sternbilder des Lebens zu enträtseln und ihnen zu helfen, dass sie den finden, der in der Schöpfung, im Wort Gottes, im Sakrament, im Zeugnis gelebten Glaubens uns aufleuchtet, uns vorangeht und uns zum großen Aufbruch, zur Wanderschaft auf das wahre Ziel hin einlädt: das wirkliche Leben, die große Liebe, die bleibende Freundschaft, das unverlierbare Zuhause.

Wenn wir im Evangelium die Geschichte von den drei Weisen aufmerksam lesen, können wir drei Phasen ihres Weges unterscheiden. Da ist zunächst das Angerührtsein vom Stern und der große freudige Aufbruch. Aber dann kommt die Phase der Verdunkelung, das Erlöschen des Sterns, die Ratlosigkeit und die Furcht vor dem Umsonst. Die Augenblicke des Dunkelns, das Erlöschen der Sterne oder doch ihr Sich-Verbergen – das gehört in jedes Leben hinein. In den Jahren nach dem Krieg und während des Konzils war die große Freude des Aufbruchs da. Alles schien offen und voller Verheißung. Aber dann kam das Erlöschen der Sterne, und viele sind weggegangen, weil sie glaubten, der Stern könne nicht wiederkommen und ihr Weg sei ins Leere gelaufen.

Niemandem bleiben die Stunden des Dunkels erspart, der Herr schickt sie, damit unsere Sehnsucht wächst, damit wir Geduld erlernen, damit wir die Beharrlichkeit finden, die ihn nicht los-lässt: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Ich glaube, wir müssen diese Geduld des Wartens, des Aushaltens, das demütige und beharrliche Klopfen an die Tür des schweigenden Gottes ganz neu erlernen; die Bibel ist voll davon. Erst so werden wir geformt, erst dieser innere Weg wird wahre Wanderschaft, Aufstieg zu den Höhen des Ewigen.

Die dritte Phase in der Geschichte der Weisen ist das Finden. Sie finden das Kind und seine Mutter, uns sie beten es an. Dieses Finden ist kein Ende, sondern neuer Beginn. Wie anders war dieses Finden, als sie es sich in der Stunde des Aufbruchs vorgestellt hatten! Wie armselig! Lohnte es den schweren Weg? Ja. Gerade im völlig Anderen erkannten sie das wahrhaft Große, das mehr ist als der Prunk menschlichen Reichtums und menschlicher Macht. Sie erkannten das Angesicht Gottes.

Dieses Finden gerade in seiner Armseligkeit, war Umwandlung ihres Seins. Sie werden demütig, werden liebend, werden frei und neu. Sie gehen zurück, aber ihr Weg ist anders, und sie selbst sind anders geworden. So ist es mit allem Finden, das wirklich von Gott kommt. Er ist immer ganz anders als unsere Vorstellungen. Und gerade so verwandelt er uns selbst.

Das Zeichen des Wahren Findens ist die innere Freude, ist die Demut, die aufbricht, die Liebe, die nun großzügig schenken kann und nicht mehr nach sich umschaut, die Umwandlung unseres Weges uns unseres Lebens.

Das Finden ist Anbetung, Sich-Hinwerfen vor Gott und Frohwerden ob seiner großen Herrlichkeit. Die ganze Ewigkeit wir ein solches Finden sein, das immer neu und immer größer ist und uns immer tiefer in Ihn hineinsinken lässt, selbstvergessen und froh ob der Herrlichkeit Gottes.

 

Joseph Kardinal Ratzinger (Benedikt XVI.)