Es
lebte einmal ein junger Mann, der täglich über den Sinn der Welt
nachgrübelte. Um in seine Zweifel Klarheit zu bringen, suchte er
schließlich einen alten Weisen auf, der in einem weit entfernten Wald
lebte. Der Meister fragte ihn, was ihn herbeigeführt habe. Und er
berichtete, dass er nach dem Kostbarsten sucht, was ein Mensch tun
könne, um Gott nahe zu kommen.
„Was
hast du auf dem Weg hierher getan?“ fragte ihn der Meister. „Ich habe
geschwitzt“, sagte der junge Mann, „denn der Weg auf die Höhe war steil,
ich geriet außer Atem und hatte großen Durst. Aber ich habe versucht,
die Beschwerden des Weges geduldig zu ertragen.“
„Was
hast du noch getan?“ – „Ich habe meditiert, wie ich es täglich tue.“ –
„Was hast du noch getan?“ – „Ich habe einem alten Mann sein Bündel Holz
ins Dorf getragen. Es war für mich ein Umweg, aber ich sah, dass der
Alte zu schwach für die Last war.“
„Was
hast du noch getan?“ – Der junge Mann zögerte, dann sagte er: „Ich habe
eine Weile auf einem Stein gesessen und mit dieser Glaskugel gespielt.
Verzeih, dass ich mich damit aufhielt!“
„Bei
welcher Beschäftigung fühltest du dich am leichtesten?“ fragte der
Meister. – Der Jüngling sah den Alten ratlos an und sagte: „Beantworte
mir bitte meine Frage. Ich kam doch mit einem Anliegen zu dir.“ – Der
Meister wiederholte, als habe er den Einwand nicht gehört: „Bei welcher
Beschäftigung fühltest du dich am leichtesten?“ – „Beim Spiel mit der
Kugel“, sagte der junge Mann beschämt, „da war ich ganz leer und
fröhlich, ich hatte keine Gedanken und Sorgen.“ – „Das war der beste
Augenblick dieses Tages“, sagte der Meister, „als du dem Spiel
hingegeben warst. Das Spiel ist ganz leicht und zugleich ganz ernst,
darum ist es der Gottheit nah.“ (Rosemarie Habert-Bottländer)
Die
Geschichte kann uns verwundern.
Will Gott
nicht, dass wir arbeiten? Will Gott nicht, dass wir täglich beten oder
meditieren? Will Gott nicht, dass wir anderen helfen und Gutes tun? –
Selbstverständlich erwartet er das von uns.
Natürlich
ist das alles Gott wohlgefällig.
Aber
die Geschichte sagt unmissverständlich:
Gott hat auch am Spiel, am Absichtslosen und Zweckfreien sein Gefallen.
Es gefällt ihm, wenn wir, die Macher, die Gehetzten, die vielfach
Geforderten und oft Überforderten, wenn wir die Abgekämpften, die
Ermüdeten und Erschöpften, uns hinsetzen, ausruhen, uns Erholung gönnen,
wenn wir tun, was uns Freude macht, wobei wir uns wohlfühlen. Die Geschichte
sagt:
Gott hat daran sein Gefallen. Ja, dann sind wir Gott sogar sehr, sehr
nahe.
Von
dem indischen Dichter R. Tagore stammt das Wort: „Gott achtet mich, wenn ich arbeite; aber er liebt mich,
wenn ich spiele.“
„Gott achtet mich, wenn ich arbeite“,
das heißt, er will keine Faulenzer. Er will, dass wir einer Arbeit
nachgehen, schaffen, Geld verdienen. Aber Gott verlangt von uns nicht,
dass wir den ganzen Tag nur arbeiten, von morgens bis nachts, auch noch
nach Feierabend und am Wochenende, jahraus, jahrein.
Er will
uns gar nicht immer nur bei der Arbeit sehen.
Wir sind
nicht erst dann vor ihm wertvoll, wenn wir viel machen, arbeiten und
schaffen. Wir stehen nicht erst dann bei ihm gut da, wenn wir viel
leisten und viel fertig bringen.
„Gott liebt mich, wenn ich spiele“,
sagt der Dichter.
Das
heißt: Gott freut sich, wenn ich mir mal Zeit nehme für mich selbst,
Zeit für zweckfreies Tun, wo nichts dabei herauskommen muss, Zeit, um zu
mir selber zu kommen, auszuspannen, Zeit für Erholung und Muße.
„Gott
liebt mich, wenn ich spiele.“
Und
gerade dann, so sagt der alte, weise Mann dem jungen in der Geschichte,
gerade dann, wenn wir ausruhen, singen, spielen, tanzen, unbeschwert und
fröhlich sind, gerade dann sind wir Gott ganz nahe.
In
unserem Alltag sind wir meist beschäftigt, in Beschlag genommen,
eingespannt und angespannt. Da zerrt so vieles an uns. Da muss man das
noch und jenes. Die Arbeit frisst uns fast auf. Jede Minute ist
verplant. Wir fühlen uns wie in einem Hamsterrad. Manchmal rotieren und
funktionieren wir nur noch.
„Gott
liebt mich, wenn ich spiele.“
Der
Urlaub gibt uns die Chance, einmal nichts zu müssen, uns frei und
unbeschwert zu fühlen, zu tun oder zu lassen, was man selber will und
wonach einem zumute ist, zu singen und zu spielen, zu wandern und zu
baden…, ohne allen Druck.
Oder die
Natur zu genießen, Gottes gute Schöpfung.
Sie ist
wie ein aufgeschlagenes Buch. Wir können wieder staunen lernen. Die
Wolken am Himmel betrachten, der Sonne zusehen wie sie untergeht, in der
Nacht den Sternenhimmel bewundern, den Klatschmohn am Wegrand
wahrnehmen, die 200 jährige Eiche bestaunen, im Gras liegen und einfach
einmal nichts tun.
Im Urlaub
dürfen wir das Leichte, das Zweckfreie und Schöne genießen, jeden Tag
neu, und brauchen dabei kein schlechtes Gewissen haben, dass wir Zeit
vergeuden. Denn „Gott achtet uns, wenn wir arbeiten; aber er liebt
uns, wenn wir spielen.“
Übrigens,
zu der Geschichte, die wir vorhin gehört haben, passt gut eine
Begebenheit aus dem Leben Jesu.
Einmal
hat Jesus seine Jünger weggeschickt, um den Leuten von Gott zu erzählen,
Kranke zu heilen und Boten des Friedens zu sein. – Für die Jünger war es
anstrengend, als Missionare von Ort zu Ort zu ziehen, vielen Menschen zu
begegnen und ihnen die frohe Botschaft zu verkünden. Das war kein
Spaziergang. Sie waren richtig geschafft und müde, als sie alle wieder
bei Jesus zusammenkamen.
Was macht
da Jesus? Er fragt die Jünger nicht, kaum sind sie da, nach der
Erfolgsquote ihrer Bekehrungen. Er sagt auch nicht: Wir dürfen keine
Zeit verlieren. Gleich geht’s weiter! Auf, wieder ran!
Was macht
Jesus? Zunächst hört er zu. Die Jünger können berichten und erzählen,
wie es ihnen auf den Missionsreisen ergangen ist, was sie erlebt und
erfahren haben.
Dann lädt er sie ein: „Kommt mit an einen
einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!“
Und er
fährt mit ihnen im Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein.
Das
zeigt: Jesus ist nicht der ruhelose Antreiber. Er hat keinen Gefallen am
pausenlosen Betrieb.
Er gönnt
den Seinen eine Atempause, eine stressfreie Zone, eine Auszeit,
gleichsam einen Kurzurlaub. Sie sollen sich erholen, ausspannen und neue
Kraft schöpfen.
Wie viel
Menschlichkeit und Lebensklugheit spiegelt das Verhalten Jesu wieder.
„Kommt und ruht ein wenig aus!“
– Diese Worte dürfen wir auf uns hin hören und auf uns ganz persönlich
anwenden, gerade jetzt in der der Urlaubs- und Ferienzeit.
„Kommt mit und ruht ein wenig aus!“
Auch von diesen Worten gilt:
„Was er euch sagt,
das tut!“
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