geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Abschied mit gläubiger Zuversicht

(Predigt bei einer Trauerfeier) 

 

 

Es ist nie leicht von einem Menschen Abschied zu nehmen, der einem lieb und teuer war. Und je näher man jemandem stand, je enger man verbunden war, umso schwerer fällt es. Wenn es die eigene Mutter ist, der man so viel zu verdanken hat, die Großmutter, Schwiegermutter, die leibliche Schwester oder Freundin, dann spürt man den Verlust und die Lücke ganz besonders.

 

Auch ich bin Frau N. immer wieder einmal begegnet, sei es auf einer Bank im nahen gelegenen Stadtpark oder zuletzt bei Besuchen zu Hause. Und ich muss sagen: Irgendwie habe ich sie liebgewonnen. Und so war ich selbst betroffen, als ich die Nachricht von ihrem Tod erhielt, die für mich dann doch überraschend kam.

 

Frau N. hat ein hohes Alter erreicht. Bis vor einigen Monaten war sie noch recht fit und ganz gut beieinander. Das ist nicht selbst verständlich. Es ist ein Geschenk. Zu ihrem vor kurzem gefeierten Geburtstag hat sie noch mal alle Energie mobilisiert, sich regelrecht aufgebäumt und ist noch mal aufgeblüht.

Dann haben vor allem ihre Töchter hautnah miterlebt, wie die Kräfte nachließen, wie sie immer weniger getrunken und fast gar nicht mehr gegessen hat. Und wie anscheinend eine große Unruhe sich ihrer bemächtigte, bis sie die letzten eins, zwei Tage doch ruhig wurde, sich entspannen, loslassen konnte und sanft entschlafen und hinüber – oder wie wir als gläubige Christen sagen – heimgegangen ist.

 

„Heimgegangen!“  Wenn man es so sieht, gläubig sieht, dann liegt – bei aller Trauer und bei allem Schmerz – auch Hoffnung und Zuversicht über dieser Stunde des Abschieds, Hoffnung für einen Menschen, der aus der Kraft des Glaubens gelebt hat, der in der Gemeinschaft der Kirche beheimatet war und auf ein – zwar nicht immer leichtes – aber doch erfülltes Leben für die Familie und für andere zurückblicken kann.

 

Und so dürfen wir, liebe Angehörige, vertrauen, ja gewiss sein, dass das Leben Ihrer Mutter, Schwiegermutter, Großmutter, Schwester und Verwandten bei Gott angekommen ist, dass ihr irdischer Weg sein Ziel gefunden hat im Licht und im Frieden bei Gott.

 

Dazu habe ich eine kleine Geschichte gefunden:

Ein Hirt saß bei seiner Herde am Ufer eines großen Flusses, der am Rande der Welt fließt. Wenn er Zeit hatte, schaute er über den Fluss und spielte auf seiner Flöte. Eines Abends kam der Tod über den Fluss herüber und sprach: „Ich komme und möchte dich mitnehmen. Ich möchte dich mitnehmen auf die andere Seite des Flusses. Hast du Angst?“ – „Warum Angst?“, fragte der Hirte, „ich habe immer hinübergeschaut, seit ich hier bin. Ich weiß, wie es dort ist.“ – Da legte ihm der Tod die Hand auf die Schulter, und der Hirte stand auf. Dann nahm ihn der Tod an die Hand und fuhr mit ihm über den Fluss…  Das Land am anderen Ufer war ihm nicht fremd, dem Hirten. Und die Töne seiner Flöte, die der Wind hinübergetragen hatte, waren noch da.

 

Diese Geschichte passt meines Erachtens gut zum Leben von Frau N. Denn so sehr sie auch am Leben hing – wie wir alle – so hat sich doch, meine ich, immer wieder hinübergeschaut.

 

Sie hat hinübergeschaut,

  • wenn sie die heilige Messe mitgefeiert, sich dabei in das Leben und Sterben Jesu vertieft und daraus Kraft geschöpft hat,

  • wenn eine Kommunionhelferin ihr jeden Monat am Herz-Jesu-Freitag die heilige Kommunion gebracht hat,

  • wenn sie das Glaubensbekenntnis gebetet hat und darin die Worte „Ich glaube an die Auferstehung der Toten“,

  • wenn sie bei den täglichen Gebeten am Abend und am Morgen bittend und dankend zu Gott aufgeblickt und das Herz zu ihm erhoben hat.

  • oder wenn sie als aktives Mitglied im Kirchenchor in Lied und Gesang Gott die Ehre und Lob und Preis gegeben hat.

 

Frau N. hat hinübergeschaut. Sie hat darauf vertraut und daran geglaubt, dass es das jenseitige Ufer gibt und dass sie dort erwartet wird. Wie oft mag sie in ihrem Leben gebetet oder auch gesungen haben: „Jesus, dir leb ich, Jesus, dir sterb ich, Jesus, dein bin ich im Leben und im Tode.“

Ich bin überzeugt, dass der Glaube ihr immer wieder Kraft gegeben hat und ihr Halt war – auch in schweren Stunden.

 

Frau N. hat auch über den Fluss geschaut durch ihren selbstlosen Einsatz für die Familie und durch ihr Dasein und Engagement für andere, auch durch ihr Interesse am Zeitgeschehen, durch ihre Liebe zur Natur und durch ihre Freude an allem Guten und Schönen, nicht zuletzt auch durch alles Gute, das sie getan und alle Liebe, die sie geübt hat.

 

In all dem und vielem mehr hat sie gleichsam die Melodie ihres Lebens ans jenseitige Ufer hinübergespielt. Und als Christen sind wir überzeugt, dass diese Töne da sein werden, dass die Töne ihres Lebens bei Gott angekommen sind, dass bei ihm kein Ton ihrer Lebensmelodie verlorengegangen ist, dass ihr Leben vor Gott einen guten Klang hat.

 

Vom heiligen Augustinus stammen die Worte: „Aus Gottes Hand empfing ich mein Leben. – Unter Gottes Hand gestaltete ich mein Leben. – In Gottes Hand gebe ich mein Leben zurück.“

Diese Aussage des großen Kirchenlehrers gilt meines Erachtens voll und ganz auch für die liebe Verstorbene Frau N..

 

Liebe Trauergemeinde, liebe Schwestern und Brüder!

Der Tod eines Menschen, den wir gekannt haben und der uns nahestand, kann auch uns animieren, vor lauter irdischen Mühen und Sorgen die Ewigkeitsperspektive nicht zu verlieren – wie es heute vielfach geschieht – sondern hinüberzuschauen, das Abschied-Nehmen einzuüben, das Loslassen zu lernen und uns bewusst zu machen: Das Leben ist ein Geschenk.

Von der der Bendiktinerin Kyrilla Spieker stammt das Wort:

„Greifen und Festhalten kann ich seit meiner Geburt, Teilen und Schenken musste ich lernen. Jetzt übe ich das Lassen.“

 

„Ich habe immer hinübergeschaut, seit ich hier bin.“

Wenn wir das von uns sagen können, liebe Schwestern und Brüder, dann könnte alles krampfhafte Festhalten, das Klammern und das Horten, alles Gieren und Geizen – und letztlich doch nie genug Kriegen – weniger werden. Und auch die Angst vor unserem eigenen Tod könnte geringer werden. Und beim Tod eines anderen Menschen könnten wir zu einer Haltung finden, die der Apostel Paulus als „Trauern mit Hoffnung“ bezeichnet.

 

Ja, auch wir Christen trauern beim Verlust eines lieben Menschen, aber wir trauern nicht, wie die, die keine Hoffnung haben. Denn für uns ist der Tod nicht Ende, sondern Wende, kein Schlusspunkt, sondern alles verheißender Doppelpunkt. Unser Leben endet nicht in einer Sackgasse. Am Schluss steht keine hohe unüberwindliche Mauer.

Der Tod ist für uns Christen vielmehr Tor, Durchgang, Hinübergang, Heimkehr. – Und so glauben wir, dass Frau N. ihr Leben nicht beendet, sondern vollendet hat, dass es seine Vollendung gefunden hat in der Liebe und im Leben bei Gott.

 

Frau N. hat aus diesem Glauben gelebt. In diesem Glauben ist sie gestorben. Trösten wir uns gegenseitig in dieser Hoffnung, in diesem Glauben vom größeren, vom ewigen Leben, wo es keine Tränen mehr gibt, keine Trauer, keine Klage, keinen Schmerz, wo nichts mehr schwer ist, sondern alles leicht. Und alles ist Licht und Glück und Freude. Und Geborgenheit am Herzen Gottes.