Exerzitien mit P. Pius

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Gleiche Würde in Christus

23. Sonntag im Lesejahr C; Phil 9b – 10.12 – 17

 

Zweite Lesung

Nimm ihn auf, nicht mehr als Sklaven, sondern als geliebten Bruder

Lesung

aus dem Brief des Apostels Paulus an Philémon.

Lieber Bruder!

9bIch, Paulus, ein alter Mann, jetzt auch Gefangener Christi Jesu,

10ich bitte dich für mein Kind Onésimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin.

12Ich schicke ihn zu dir zurück, ihn, das bedeutet mein Innerstes.

13Ich wollte ihn bei mir behalten, damit er mir an deiner Stelle dient in den Fesseln des Evangeliums.

14Aber ohne deine Zustimmung wollte ich nichts tun. Deine gute Tat soll nicht erzwungen, sondern freiwillig sein.

15Denn vielleicht wurde er deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst,

16nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder. Das ist er jedenfalls für mich, um wie viel mehr dann für dich, als Mensch und auch vor dem Herrn.

17Wenn du also mit mir Gemeinschaft hast, nimm ihn auf wie mich!

 

 

 

Heute, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich einmal nicht – wie es sonst meistens bei der Predigt geschieht – auf das Evangelium eingehen, sondern auf die zweite Lesung, die wir gehört haben. – Erinnern Sie sich noch?

„Lesung aus dem Brief des Apostels Paulus an Philemon“.

 

Das Besondere an diesem Brief ist seine Kürze. Er umfasst nur 25 Verse und ist damit der kürzeste aller Briefe im Neuen Testament.

Gleichzeitig ist es ein sehr persönlicher Brief. Liebevoll, brüderlich, bittend – geschrieben um das Jahr 55.

Paulus saß im Gefängnis, vermutlich in Ephesus.

 

Der Anlass des Briefes ist ein ganz konkreter.

Dem reichen Kaufmann Philemon aus der Stadt Kolossä – ca. 60 Km von Ephesus entfernt – war ein Sklave weggelaufen, Onesimus, was übersetzt heißt „der Nützliche“.

 

Doch statt Nutzen hatte er nun Ärger und Schaden. Denn wie man zwischen den Zeilen aus dem Brief herauslesen kann, war Onesimus nicht nur abgehauen und untergetaucht, sondern hatte auch Geld oder sonstige Wertsachen mitgehen lassen.

 

Auf seiner Flucht kam Onesimus nach Ephesus zu Paulus.

Immer wieder kam es wohl zu Begegnungen und intensiven Gesprächen zwischen Paulus und Onesimus.

Onesimus wird Paulus wohl von seinem Schicksal erzählt haben und Paulus diesem von seinem Leben als Pharisäerschüler, wie er die Christen verfolgt hat, von seinem Damaskuserlebnis, seiner Taufe durch Hananias und von seinen Missionsreisen, den Gefahren und Nöten, die er um Christi willen erduldet hat.

Jedenfalls hat Paulus Onesimus für den christlichen Glauben gewonnen. Der fortgelaufene Sklave ließ sich taufen und wurde Christ.

Aus dem Brief geht auch hervor, dass sich zwischen Paulus und Onesimus eine Art geistliche „Vaterschaft“ bzw. „Sohnschaft“ entwickelt hat. Voll Zärtlichkeit nennt Paulus nämlich Onesimus „mein Kind“, ja sogar „mein eigenes Herz“. Und von sich sagt er, dass er Onesimus im Gefängnis zum „Vater“ geworden war.

 

Nun, liebe Schwestern und Brüder, Sklaven waren in damaliger Zeit Eigentum des Hausherrn. Ihr Besitzer konnte über seine Sklaven beliebig verfügen. Er konnte mit ihnen machen, was er wollte. Abhauen gab es nicht. Fliehen war strengstens verboten. Ein Sklave, der seinem Besitzer und Chef entflohen war, machte sich strafbar, bis hin zur Todesstrafe.

 

Wie man sich denken kann, kommt nun Paulus wegen des weggelaufenen Sklaven Onesimus ganz schön in die Zwickmühle.

Einerseits hat er ihn liebgewonnen. Durch die Taufe ist er sogar sein „Bruder in Christus“ geworden. Außerdem hat Onesimus seinem Namen alle Ehre gemacht. Er hat sich Paulus als sehr nützlich erwiesen. Er hat ihm, dem viel Älteren, im Gefängnis manche wertvollen Dienste geleistet. Paulus könnte ihn also weiterhin gut gebrauchen. Am liebsten würde er ihn behalten.

 

Andererseits aber ist Onesimus Sklave und damit Eigentum seines bisherigen Herrn. Ihn behalten wäre Diebstahl.

Also bleibt nichts anderes übrig als Onesimus nach Kolossä zurückzuschicken und ihn seinem Besitzer, nämlich Philemon, zurückzugeben.

 

Das Gute daran ist: Philemon, dem Onesimus gehört, ist ebenfalls Christ, und zwar ein recht aktives Gemeindemitglied.

In seinem Haus versammelten sich in Kolossä die Christen. Da trafen sie sich, um Gottesdienst zu feiern.

 

Und jetzt kommt’s, liebe Schwestern und Brüder! Passen Sie auf!

Wenn Onesimus zu Philemon, seinem Chef und Besitzer, zurückkehrt, dann ist er nicht mehr nur sein Sklave, sondern er ist durch die Taufe sein „Bruder in Christus“ geworden – eine ungeheure Wertsteigerung.

„Im Herrn“, in Jesus Christus, ist dieser Onesimus nun genauso viel wert wie sein Chef und wie Paulus selbst. Er, der Sklave war, ist in Christus frei geworden. Die bisherige Abhängigkeit ist im Kern gesprengt.

 

Gesellschaftlich besteht die Sklavenstruktur zwar noch, aber im Kern, von innen her, sind die Grenzen überwunden und alle gesellschaftlichen Schranken gelten nicht mehr.

Das ist die christliche Revolution, die in der gleichen Würde aller Getauften ihre Wurzeln und ihre Sprengkraft hat.

Der Sklave Onesimus kann als Christ seinem Chef Philemon auf Augenhöhe begegnen und braucht eigentlich keine Angst mehr vor ihm zu haben. Er darf von ihm erwarten, als Mitchrist aufgenommen, angenommen und würdevoll behandelt zu werden.

 

Das ist die Situation, liebe Mitchristen, in der Paulus den Brief an Philemon schreibt.

Darin bietet er sein ganzes rhetorisches Können auf, um Philemon die Sachlage zu schildern, die sich durch die Taufe von Onesimus gravierend verändert hat.

Paulus bittet Philemon, Onesimus nicht mehr wie einen Sklaven aufzunehmen, sondern wie einen geliebten Bruder, ja, wie ihn, Paulus, selbst.

 

Liebe Schwestern und Brüder, getauft sein, Christ sein hat Folgen.

Im Brief an die Galater schreibt Paulus: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau.“

Die Unterschiede zwischen den Menschen, die sonst gültig sind, haben in der Gemeinschaft der Glaubenden ihre Bedeutung verloren, trennende Schranken fallen, Grenzen werden überwunden.

Alle Getauften haben in Christus die gleiche Würde vor Gott.

Alle sind Söhne und Töchter Gottes. Alle sind Schwestern und Brüder im Glauben.

 

Ich mag den Philemonbrief. Er gibt uns – wie durch ein Schlüsselloch – Einblick ins Leben der Urgemeinde und lässt uns gleichzeitig die verändernde Kraft des Evangeliums erfahren.

 

Zwar rüttelte Paulus nicht am sozialen Gefüge seiner Zeit. Er war kein Sozialrevolutionär.

Aber im Ernstnehmen des Evangeliums, im Leben nach dem Wort und Beispiel Jesu vermögen Christen, damals Paulus, Philemon und Onesimus, aber auch wir heute, Verhärtungen aufzubrechen, Grenzen zu überwinden und wie Sauerteig zu wirken, der umwandelt und Veränderung schafft, in uns, zwischen uns und um uns.

 

Jede falsche Machtausübung aber, Missbrauch aller Art, jede Unterdrückung, jede Diskriminierung haben mit dem Evangelium und mit wirklichem Christsein nichts zu tun.

Solidarität, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sind keine Erfindung der französischen Revolution. Sie haben im christlichen Glauben ihren Ursprung. Es sind im Grunde genommen christliche Werte.

 

Und wir tun gut daran – so gut wir können –, sie im Alltag, in der Gemeinde und im Umgang mit anderen zu praktizieren und zu leben.

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