Evangelium
Haltet auch ihr euch
bereit!
+ Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit zu seinen Jüngern:
32Fürchte
dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das
Reich zu geben.
33Verkauft
euren Besitz und gebt Almosen! Macht euch Geldbeutel, die nicht alt
werden! Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, im Himmel, wo
kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst!
34Denn
wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.
35Eure
Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen!
36Seid
wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit
zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft!
37Selig
die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage
euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der
Reihe nach bedienen.
38Und
kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach
– selig sind sie.
39Bedenkt:
Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde der Dieb kommt, so
würde er verhindern, dass man in sein Haus einbricht.
40Haltet
auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in
der ihr es nicht erwartet.
41Da
sagte Petrus: Herr, sagst du dieses Gleichnis nur zu uns oder auch zu
allen?
42Der
Herr antwortete: Wer ist denn der treue und kluge Verwalter, den der
Herr über sein Gesinde einsetzen wird, damit er ihnen zur rechten Zeit
die Tagesration gibt?
43Selig
der Knecht, den der Herr damit beschäftigt findet, wenn er kommt!
44Wahrhaftig,
ich sage euch: Er wird ihn über sein ganzes Vermögen einsetzen.
45Wenn
aber der Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr verspätet sich zu
kommen! und anfängt, die Knechte und Mägde zu schlagen, auch zu essen
und zu trinken und sich zu berauschen,
46dann
wird der Herr jenes Knechtes an einem Tag kommen, an dem er es nicht
erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt; und der Herr wird ihn
in Stücke hauen und ihm seinen Platz unter den Ungläubigen zuweisen.
47Der
Knecht, der den Willen seines Herrn kennt, sich aber nicht darum kümmert
und nicht danach handelt, der wird viele Schläge bekommen.
48Wer
aber, ohne den Willen des Herrn zu kennen, etwas tut, was Schläge
verdient, der wird wenig Schläge bekommen. Wem viel gegeben wurde, von
dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat,
von dem wird man umso mehr verlangen.
Liebe Schwestern
und Brüder!
Um das Anliegen dieses Evangelien-Abschnittes richtig verstehen
zu können, muss man sich daran erinnern, dass die ersten Christen in der
sogenannten „Naherwartung“ lebten: Man war der festen
Überzeugung, dass sich die Wiederkunft des Herrn - und damit auch das
Endgericht in naher Zeit ereignen würde - so dass alle es noch
miterleben würden.
Aber das Ende kam und kam nicht! Die Zeit lief einfach weiter, Monat
um Monat, Jahr um Jahr – und nichts passierte. Keine Wiederkunft des
Herrn. Kein Endgericht.
Und dann gab es wohl die ersten „Ermüdungserscheinungen“ in den
Gemeinden: Man wartete nicht mehr auf die Wiederkunft, man wartete nicht
mehr auf den Jüngsten Tag, sondern man begann, sich in der Welt
einzurichten, das heißt, so zu leben wie die anderen auch. –
Und so musste der Evangelist, als er seine Frohe Botschaft
aufgeschrieben hat, die Gläubigen ermahnen.
Seid wachsam! Lasst Eure Lampen brennen! so sagt er. Werdet nicht müde, sondern lebt weiter „in der
Erwartung“. Lebt wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der nur mal
eben auf einer Hochzeit ist – und der jeden Moment nach Hause kommen
kann. Und vor allem: Seht zu, wie ihr lebt und was ihr tut!
Schaut genau hin, womit ihr eure Tage verbringt – damit der Herr euch
bei seiner Ankunft auch beim richtigen Tun antrifft.
Liebe Schwestern
und Brüder,
an dieser Stelle müssen wir sicher fragen: Was ist denn das
richtige Tun, wenn der Herr zurückkommt? Worüber wird der Herr sich
freuen, wenn er nach Hause kommt? Nun, unser Evangelium benennt
da etwas, woran wir vielleicht erst an zweiter Stelle gedacht hätten.
Anscheinend ist es nicht das Gebet, nicht die Feier der Gottesdienste,
sondern die Nächstenliebe, die Caritas.
Vielleicht haben Sie es noch im Ohr. Da hieß es nicht: Selig, wen der Herr
beim Beten antrifft, wenn er heimkommt, sondern: Selig, wen der Herr
dabei antrifft, dem Gesinde zur rechten Zeit die Nahrung zuzuteilen.
Das heißt auf gut
deutsch: Selig, wen der Herr dabei antrifft, zu den Menschen gut zu sein;
ihnen das zu geben, was sie zum Leben brauchen. Den wird er zum
Verwalter seines gesamten Vermögens machen. – Spannend! Der Evangelist
hat wohl keine Angst, dass zu wenig gebetet würde, sondern eher, dass
die Nächstenliebe zu kurz kommt.
Liebe Schwestern
und Brüder,
wir dürfen schon davon ausgehen, dass diese Christen fromm waren,
dass sie regelmäßig gebetet und Gottesdienste gefeiert haben. – Aber
genau das taten die Menschen um sie herum auch. Die großen Tempelanlagen
und die vielen Götterfiguren in so vielen antiken Städten geben Zeugnis
davon. Das waren alles fromme Leute. Keine Frage. – Aber bei
diesen Christen sollte es noch etwas anderes geben, etwas, was
über die „Frömmigkeit“ hinausging: einen neuen Lebensstil, der mit dem
Gottesbild dieser Christen zu tun hat. Eben die Caritas. Die Diakonie.
Ja, diese Christen unterschieden sich von anderen Religionen schon durch ihren
besonderen Umgang mit den Schwachen und Kleinen. Bei diesen Christen
zählten eben nicht nur – wie sonst überall – die Starken, die Reichen
und Großen, sondern auch die Kleinen, die Schwachen, die Kranken, Witwen
und Waisen und die Sklaven. – Keiner wurde ausgegrenzt. Denn, so wussten
sie: Gott hat sich doch auf die Seite genau dieser Kleinen, Schwachen
und Armen gestellt. Denn davon erzählt dieses Lukas-Evangelium von
Anfang an:
Dieser Gott der
Christen hat seinen hohen Himmel verlassen – und wird ein Mensch – nicht
in einem Palast, sondern in einem Stall. Er hält nicht an seiner Macht
fest, sondern wird ein schwaches Kind. Das Kind armer Leute – wie wir es
jedes Weihnachtsfest feiern.
Und an Weihnachten hören wir auch, dass die ersten, denen diese Frohe Botschaft
verkündet wird und die es mit eigenen Augen sehen dürfen, auch nicht die
Klugen, nicht die Angesehenen und die Erfolgreichen sind, sondern
Hirten. Das waren damals Menschen dritter Klasse.
Und genau zu solchen Menschen weiß sich dieses Kind von Betlehem dann als
erwachsener Mann gesandt: zu den Kranken, zu den Hilfsbedürftigen, zu
den Sündern und Ausgestoßenen.
Und wenn Gott sich in Jesus Christus so auf die Seite der Schwachen und
Geringen schlägt, dann müssen es diejenigen, die sich nach ihm
„Christen“ nennen, genauso machen. Das ist deren Auftrag. Und so
dürfen sie nicht nachlassen, den „Knechten und Mägden“, den jeweils
„Kleineren“ das zu geben, was sie brauchen, um leben zu können:
Nahrung, Zeit, Aufmerksamkeit und ein gutes Wort zur rechten Zeit.
Denn wer das tut, so sagt es unser heutiges Evangelium, der hat den
Herrn verstanden – und den wird der Herr, wenn er heimkommt, am Tisch
Platz nehmen lassen; er wird sich selbst die Schürze umbinden und ihn
bedienen.
Wohl denen
also, die der Herr
dabei antrifft, wenn er kommt! Oder wie wir auch übersetzen
können: Selig, die der Herr dabei antrifft!
Ja, liebe
Mitchristen, das ist eine Seligpreisung,
die wir da gerade gehört haben. Eine Seligpreisung – die aber
nicht irgendwelchen „Spezialisten“ gilt, sondern sie gilt allen
Menschen, allen, die anderen dienen können, – Menschen wie Martin von
Tours, Elisabeth von Thüringen, Mutter Teresa, aber auch Menschen wie
wir.
Ja, auch wir gehören zu den „Seligen“ – dann, wenn wir
anderen das geben, was sie zum Leben brauchen.
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