Evangelium
Wer sich selbst
erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht
werden
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
1Jesus
kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden
Pharisäers zum Essen. Da beobachtete
man ihn genau.
7Als
er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten,
erzählte er ihnen ein Gleichnis.
Er sagte zu ihnen:
8Wenn
du von jemandem zu einer Hochzeit eingeladen bist,
nimm
nicht den Ehrenplatz ein!
Denn
es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein, der
vornehmer ist als du,
9und
dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat,
kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier
Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den
untersten Platz einnehmen.
10Vielmehr,
wenn du eingeladen bist,
geh
hin und nimm den untersten Platz ein,
damit dein Gastgeber zu dir kommt und sagt: Mein
Freund, rück weiter hinauf! Das wird
für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen.
11Denn
wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt,
und wer sich selbst erniedrigt,
wird erhöht werden.
12Dann
sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst,
lade nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche
Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich wieder ein und dir ist es
vergolten.
13Nein,
wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein.
14Du
wirst selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird
dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.
„Wer
sich selbst erhöht…“
– sagt Jesus im heutigen Evangelium.
Sie
wissen wie der Satz weitergeht, liebe Schwestern und Brüder:
„Wer
sich selbst erhöht, wird erniedrigt.“
Wissen Sie auch, dass daraus ein Sprichwort wurde? Sie kennen es alle:
„Hochmut kommt vor dem Fall.“ – Selbsterhöhung und Hochmut gehen
immer mit Herabschauen auf andere Menschen daher, mit Verachtung und
sind letztlich ein Mangel an Selbsterkenntnis.
Interessant und spannend finde ich, dass das Jesus-Wort von der
Selbsterhöhung und der darauf folgende Erniedrigung gerade heute im
Evangelium vorkommt. Heute, am 1. September, achtzig Jahre nach einer
der schrecklichsten Selbsterhöhungen, dem Beginn des 2. Weltkriegs durch
Nazideutschland. Der Hybris, dem Hochmut, folgte wenige Jahre später der
Fall, die Erniedrigung, die bedingungslose Kapitulation, nicht der
totale Sieg, sondern der totale Ruin.
Am 1.
September 1939 überfiel die deutsche Wehrmacht seinen Nachbarn: Polen.
Der Grund: Großmannssucht! Der Führer, selbst ernannter „größte
Feldherr aller Zeiten“, wollte es der Welt beweisen. Und da es
keinen Kriegsgrund gab, wurde er erfunden. Ein deutscher Überfall von
SS-Männern am Abend des 31.08.1939 auf einen deutschen Sender in
Gleiwitz – ganz nahe an der polnischen Grenze – wurde als polnischer
Überfall deklariert. Endlich konnte es losgehen. Endlich loslegen und
losschlagen.
„Seit
5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen“,
sagte Hitler am 1. September in seiner Rede vor dem deutschen Reichstag,
die vom Großdeutschen Rundfunk übertragen wurde. Selbst die Uhrzeit war
gelogen. In Wahrheit wurde das Feuer auf die polnische Garnision auf der
Westerplatte (Halbinsel bei Danzig) schon eine Stunde früher von einem
Linienschiff aus eröffnet. Und sogar noch ein wenig früher begann ein
verheerender Luftangriff auf Wielun, eine Kleinstadt bei Lodz.
Wer sich
jahrelang großredet und großtut, will seine Macht auch irgendwann zeigen
und der Welt beweisen. Und will Ruhm und Ehre, will Herrschaft und Sieg,
koste es, was es wolle.
Aber:
„Wer sich selbst erhöht…“ – Wie recht hat Jesus mit dem zweiten Teil
des Satzes: „…wird erniedrigt.“
Am 1.
September 1939 mögen viele sich auf dem Höhepunkt der Macht gewähnt
haben. 1945 befanden sie sich auf dem Tiefpunkt. Von wegen
„tausendjähriges Reich“! Der totale Zusammenbruch! Mehr als 60
Millionen Tote, zerbombte Städte, verwüstete Landschaften, Hunger, Armut
und Elend, millionenfacher Schmerz. Es spottet Hohn und aller
Beschreibung, wenn ein Politiker der AFD das alles als einen
„Fliegenschiss der Geschichte“ bezeichnet.
Was am 1.
September 1939 geschah, war ein Verbrechen und der Anfang von vielen
weiteren Verbrechen, Ungerechtigkeiten, unsäglichen Drangsalen und
schrecklichen Grausamkeiten.
Achtzig
Jahre ist das her, eine lange Zeit.
Ich kann
Menschen gut verstehen, die an all das nicht mehr erinnert werden
wollen. Vorbei ist vorbei. Stimmt! – Aber erinnern sollten wir uns
trotzdem, weil nur Erinnerung Zukunft schafft, weil Erinnerung davor
bewahren hilft, das Gleiche oder Ähnliches noch einmal zu erleben.
Wir
können aus der Geschichte lernen. Und ich denke, Deutschland hat daraus
gelernt. Dem totalen Ende, der Erniedrigung folgte der Wiederaufbau,
1989 die Einheit Deutschlands. Seit 1945 können wir in Frieden leben.
Ein großes Geschenk! Ich möchte fast sagen „Gnade“! Denn das ist
keinesfalls selbstverständlich!
Es
scheint mir wichtig, gerade heute daran zu erinnern, wo aus dem rechten
Spektrum wieder Stimmen laut werden, die Hetze und Hass schüren und
Anwendung von Gewalt propagieren.
„Wer
sich selbst erhöht, wird erniedrigt“,
sagt Jesus heute im Evangelium. Und Maria singt in ihrem Magnifikat:
„Die Mächtigen stürzt er vom Thron und erhöht die Niedrigen.“
Das
Sprichwort bringt es auf den Punkt: „Hochmut kommt vor dem Fall.“
Da ist viel Wahres dran. Und das gilt nicht nur für Kriegstreiber und
Gewaltverbrecher.
Das gilt
auch für unser alltägliches Zusammenleben in der Schule, in der
Nachbarschaft, im häuslichen Bereich, am Arbeitsplatz, in der
Pfarrgemeinde und in der Politik. Lange geht es gut, manchmal viele
Jahre lang: Man ist oben, man ist am Drücker, man hat das Sagen, andere
müssen spuren, werden ausgegrenzt, unterdrückt, schikaniert, diffamiert,
diskriminiert, deklassiert, terrorisiert, gemobbt usw.
Liebe
Mitchristen!
Nach Ruhm
und Macht, nach Ehre und Herrlichkeit zu streben, groß herauskommen
wollen, ist menschlich. Doch eines Tages ist das alles vorbei,
spätestens im Tod. „Sic transit gloria mundi“ – „So vergeht der Ruhm
der Welt“, hieß es früher bei der Papstkrönung.
Darum:
Rede und mach dich nicht groß! Blas dich nicht auf! Bleib auf dem
Teppich! Und auch wenn Du von anderen groß gemacht wirst, bilde Dir
nichts darauf ein! Nimm dich nicht so wichtig! Lass alles
Imponiergehabe! Setz dich nicht selbst in Szene! – „Was hast du, das
du nicht empfangen hättest, hast du es aber empfangen, was rühmst du
dich als hättest du es nicht empfangen?“ (1 Kor 4, 7)
Am
Schluss Deines Lebens wirst Du nicht gefragt: „Wie hast du geglänzt?
Was hast du alles besessen? Was hast du Großes gegolten?“ Auch
nicht: „ Wen hast du beherrscht, wen dir unterworfen…?“ Jesu
Frage wird lauten: „Wem hast du gedient? Wen hast du beschenkt? Wen
hast du geschätzt, wen geliebt und umarmt – um meinetwillen?“ (nach
einem neuen geistlichen Lied)
Beim
heiligen Augustinus, dessen Gedenktag wir vor kurzem gefeiert haben,
findet sich folgendes Wort: „Die Ströme Gottes fließen nicht auf die
Berge des Stolzes, sondern in die Täler der Demut“.
Ein
Schüler kommt zum Rabbi und fragt: „Früher gab es Menschen, die Gott
von Angesicht zu Angesicht gesehen haben. Warum gibt es das heute nicht
mehr?“ Der Rabbi gab zur Antwort: „Weil sich niemand mehr so tief
bücken will.“
(Die Idee zu
dieser Predigt sowie einige Gedanken und Formulierungen verdanke ich
Michael Becker in: „Die Botschaft heute“ 7/2019) |