geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Der reiche Prasser und der arme Lazarus

(26. Sonntag - Lesejahr C; Lk 16, 19 - 31)

 

Am Dornbusch sagt Gott dem Mose:

„Gesehen, gesehen habe ich das Elend meines Volkes.

Sein Schreien ist zu mir gedrungen. Ich bin gekommen, es herauszuführen aus der Knechtschaft.“

 

Im Magnifikat singt Maria:

„Er hat herabgeschaut auf seine niedrige Magd.“

 

Und von Jesus heißt es:

„Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen.“

 

 

Gott sieht. Er handelt. Er erbarmt sich.

 

Was ist das Charakteristische des reichen Prassers?

Es wird von ihm nicht gesagt, dass er sein Hausgesinde unterdrückte.

Es wird nicht gesagt, dass er seinen Besitz unrechtmäßig erworben hat.

Es steht auch nicht geschrieben, dass er den armen Lazarus von seiner Tür vertrieben hat.

Er hat ihn nicht angeschrien. Er hat nicht seine Hunde auf ihn gehetzt. Er hat ihn nicht geschlagen oder misshandelt. Er war nicht mit Fleiß grausam gegen ihn.

 

Was kennzeichnet den reichen Prasser?

Er sieht den Armen nicht! Erst als er gerichtet ist, heißt es:

„In der Unterwelt, wo er von Schmerzen gepeinigt war, blickte er auf und sah Abraham und an seiner Seite Lazarus.“

 

Das ist das Charakteristische dieses Menschen. Darin besteht sein Gegensatz zu Gott:

Gott schaut herab auf das Elend seines Volkes. Gott hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut. Jesus sah das Elend der Menschen.

 

Dieser Mensch hat überhaupt nicht gesehen, was vor sich geht.

Seine Schuld ist das Nicht-Sehen, nicht der Reichtum an sich.

Er hat dem Armen keine Beachtung geschenkt. Er hat ihn übersehen. Er war ihm schlichtweg total gleichgültig.

 

Den anderen aus dem Blick verlieren – wie schnell passiert das.

Blind werden gegenüber dem Hilfsbedürftigen.

Blind sein gegenüber der ausgestreckten Hand.

Blind sein gegenüber „Lazarus“ unmittelbar vor der Tür.

 

Sehen Sie, liebe Schwestern und Brüder, Jesus erklärt den Reichtum nicht an sich als verwerflich. Und Armut ist für ihn nicht einfachhin die Eintrittskarte zum ewigen Leben.

 

Das Verbrechen des Reichen besteht nicht schon allein darin, dass er reich ist, sondern darin, dass er die Not des anderen nicht sieht, dass er gedankenlos und gleichgültig daran vorbeigeht, dass er hartherzig ist, verschlossen, ohne Mitgefühl und Liebe.

 

Die Geschichte bringt es drastisch ins Bild:

Die Hunde sind menschlicher zu Lazarus als der Reiche.

Dieser kennt in seinem Reichtum nur sich selbst: sein Glück, sein Wohlergehen, seinen Komfort, sein Leben im Luxus.

Wie es dem anderen neben ihm geht, kümmert ihn nicht. Hauptsache mir geht es gut! Hauptsache ich komme auf meine Kosten.

Diese Haltung ist das krasse Gegenteil von Liebe.

Es ist Egoismus pur. Es ist Eigensucht und Selbstsucht.

 

Wer immer nur an sich denkt, wer immer mehr haben will und doch nie genug kriegen kann, wer hortet und häuft, giert und geizt, wer krampfhaft festhält, wem es nur um das eigene Fortkommen, die eigene Ehre, das eigene Ansehen geht, der befindet sich nicht auf dem Weg des Glücks und der Zufriedenheit, sondern – wie es häufig der Fall ist, - auf dem Weg der Selbstzerstörung. Ein Seelenzustand, in dem „die Hölle“ bereits begonnen hat.

 

Auf noch etwas möchte ich Ihre Aufmerksamkeit lenken, liebe Mitchristen: das Schicksal des Wortes Gottes.

Das eigentlich Tragische in dieser Erzählung vom reichen Prasser und dem armen Lazarus ist m. E. die Vergeblichkeit des Wortes Gottes.

Abraham sagt: „Sie haben Mose und die Propheten. Auf sie sollen sie hören.“ Hören und Ernstnehmen des Wortes Gottes, Handeln nach seiner Weisung, das wär’s!

Doch der Reiche hat nicht auf Mose und die Propheten gehört. Auch seine fünf Brüder tun es nicht. Er war verschlossen. Sie sind verschlossen. Er war taub für das Wort Gottes. Sie sind taub. Auch ein Wunder kann ihnen nicht helfen.

 

„Sie haben Mose und die Propheten. Auf sie sollen sie hören!“

In unüberbietbarer Weise hat der Prophet Micha formuliert, worauf es ankommt: „Recht tun, Güte lieben, in Demut wandeln mit deinem Gott“ (Mich 6,8). Das wär’s. Mehr braucht es nicht.

 

Doch das Wort Gottes prallt ab an den verschlossenen Ohren derer, die nur sich sehen und nur sich selbst kennen.

Es scheitert an der Hartherzigkeit derer, die ihr Herz wie mit einem Panzer umgeben.

 

Die Erzählung, liebe Mitchristen, läuft auf die fünf Brüder hinaus.

Die fünf Brüder sind wir. Wir haben zu Mose und den Propheten noch Jesus, sein Leben, seine Botschaft.

 

Hören wir, was Jesus uns sagt? Sind wir offen für sein Wort und seine Weisung? Lassen wir uns davon betreffen und berühren? Lassen wir uns davon zur Umkehr bewegen?

 

Das Wort Gottes will uns nicht das Fürchten lehren, sondern das Fühlen, das Mitfühlen, das Hinsehen und Hinschauen, Mitleid zu empfinden, Erbarmen zu haben, die Liebe zu üben.

 

Das Gleichnis, liebe Schwestern und Brüder, endet mit einem Zu-spät!

Darum: Ich darf nicht nur auf mich schauen, wenn ich nach gelingendem Leben suche. Ich muss auch den anderen im Blick haben. Und die Frage: „Wen verliere ich aus dem Blick?“ kann ich nicht auf die lange Bank schieben. Mein Hinsehen, mein Handeln sind heute gefragt. Hier und jetzt.

 

Das Evangelium lässt keinen Zweifel:

„Es gibt die totale Verfehlung gegen den Nächsten – und sie bedeutet zugleich die Verfehlung der Gemeinschaft mit Gott.

Es gibt ein Gericht; und es ist nicht egal, wie wir in diesem Leben handeln. Es gibt eine ausgleichende Gerechtigkeit; und sie bleibt für viele Menschen auf dieser Welt die einzige Hoffnung. Es gibt die Gefahr, dass Reichtum blind macht; und darum müssen wir uns immer wieder die Augen öffnen lassen.

Wer den Armen vor der eigenen Tür nicht wahrnimmt, wer auf die Propheten nicht hört, die soziale Verantwortung einfordern, dem hilft auch ein Besuch aus dem Totenreich nicht weiter. Ja, der wird auch die Botschaft dessen, der von den Toten auferstanden ist, nicht hören wollen.“ (Sabine Pemsel-Maier)

 

Zum Schluss: Wie kann der Reiche gerettet werden?

Eine Antwort gibt uns Jesus an einer anderer Stelle, und zwar im Zusammenhang mit der gescheiterten Berufung des reichen jungen Mannes. Da sagt Jesus: „Wie schwer ist es für einen, der viel besitzt, in das Reich Gottes zu gelangen.“ Und weiter: „Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in das Reich Gottes.“ Seine Jünger sind entsetzt und fragen: „Wer kann da noch gerettet werden?“ Jesu Antwort: „Für Menschen ist das unmöglich, nicht aber für Gott, denn für Gott ist alles möglich!“