EVANGELIUM
Heute
hat sich dieses Schriftwort erfüllt
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Aus dem
heiligen Evangelium nach Lukas
1, 1Schon
viele haben es unternommen eine Erzählung über die Ereignisse
abzufassen, die sich unter uns erfüllt haben.
2Dabei
hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von
Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren.
3Nun
habe auch ich mich entschlossen, nachdem ich allem
von Beginn an sorgfältig nachgegangen bin,
es
für dich, hochverehrter Theóphilus,
der
Reihe nach aufzuschreiben.
4So
kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen,
in der du unterwiesen wurdest.
4, 14In
jener Zeit
kehrte Jesus,
erfüllt von der Kraft des Geistes,
nach Galiläa zurück.
Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend.
15Er
lehrte in den Synagogen und wurde von allen
gepriesen.
16So
kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war,
und
ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um
vorzulesen,
17reichte
man ihm die Buchrolle des Propheten Jesája. Er öffnete sie und fand die
Stelle, wo geschrieben steht:
18Der
Geist des Herrn ruht auf mir;
denn er hat mich gesalbt.
Er
hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe
Botschaft bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und
den Blinden das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
19und
ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.
20Dann
schloss er die Buchrolle,
gab sie dem Synagogendiener und setzte sich.
Die
Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet.
21Da
begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das
Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.
„Heute hat sich
das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“
– Mit diesem Satz, der einen ungeheuren Anspruch Jesu zum Ausdruck
bringt, endet das heutige Evangelium. Die kirchliche Leseordnung erspart
uns freundlicherweise die Fortsetzung des ersten öffentlichen Auftretens
Jesu in seiner Heimatstadt. Erst am nächsten Sonntag hören und sehen
wir, wie die Landsleute Jesu auf die Predigt ihres Landsmannes
reagieren. Sie geraten nämlich in Wut und stellen sich gegen ihn. Ja,
ihre Ablehnung steigert sich bis zu dem Versuch, Jesus umzubringen.
Übersehen wird aber
leicht, wie unser Evangelium beginnt. Nach dem Vorwort (Lk 1, 1 - 4)
heißt es, dass Jesus - erfüllt von der Kraft des Geistes Gottes - aus
der Wüste in seine engere Heimat, nach Galiläa, zurückkehrt. Dort zieht
er umher und predigt in den Synagogen. Es wird betont, dass sich die
Kunde von ihm in der ganzen Gegend verbreitete und dass er von allen
gepriesen wurde.
Erst in Nazareth,
seiner Heimatstadt, dort, wo er aufgewachsen war, regt sich - nach
anfänglicher Zustimmung und Erstaunen - Widerstand und Ablehnung.
So wird es später
auch an anderen Orten und bei anderen Gelegenheiten sein. Denn was Jesus
den Menschen zu sagen hat, dann auch sein Verhalten und Handeln, ruft
zur Entscheidung und trennt die Menschen in Anhänger, Gleichgültige und
Gegner. Die einen werden von seinen Worten und seinem Tun aufgerichtet,
sie schöpfen neue Kraft und Hoffnung. Die anderen fühlen sich provoziert
und angegriffen und reagieren aggressiv.
Liebe Schwestern
und Brüder!
„Der Herr hat mich
gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den
Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit
ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn
ausrufe.“ – Diese Sätze des
Propheten Jesaja, die Jesus in der Synagoge von Nazareth vorliest und in
ihm selbst hier und heute als erfüllt sieht, diese Sätze sind fortan das
Programm Jesu. Das wird von nun an bis zu seinem Tod sein Maßstab sein.
Alles, was er sagt,
ist im Grunde nichts anderes als die immer neue Auslegung des
Jesaja-Wortes in die jeweilige Situation. Alles, was er tut, macht die
Verheißung des Propheten wahr. Egal, ob er sich den Randfiguren zuwendet
oder die Armen seligpreist; ob er Kranke heilt oder mit Zöllnern und
Sündern isst; ob er Zachäus vom Baum holt oder die Ehebrecherin in
Schutz nimmt – immer folgt er dem Programm, das er in der Synagoge von
Nazareth aufgestellt hat.
Er weiß sich gesandt
von Gottes Geist. Und er weiß, dass Gott ein parteiischer Gott ist. Gott
hält sich nicht heraus, schwebt nicht über allem und ist mehr als eine
moralische Instanz. Gott ist ein Gott für die Armen und Gefangenen, für
die Blinden und Zerschlagenen und für alle, die auf den Anbruch eines
Gnadenjahres in ihrem Leben warten.
Liebe Schwestern
und Brüder!
Die christlichen
Kirchen und Gemeinden werden sich auf Jesus nicht berufen können, ohne
zugleich sein Programm zu ihrem Programm zu machen. Und die Sätze des
Propheten werden auch Orientierung und Maßstab für alle sein, die sich
Christen nennen und es sein wollen.
Auch an ihrem
Glauben, Leben und Wirken soll spürbar und ablesbar werden, dass Arme
gute Nachrichten hören dürfen, dass Gefangene und Zerschlagene Befreiung
erfahren und dass Blinden neue Sichtweisen eröffnet werden. Jünger und
Jüngerinnen Jesu sollen das zunächst selbst erfahren dürfen. Dann aber
soll es sie auch in ihrem Umgang mit anderen prägen.
Es geht um die Praxis
der konkreten christlichen Gemeinde, auch der hier vor Ort in N. Auch
hier gibt es die Armen, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, die auf
gute Nachrichten warten. Ich denke an die Trauernden, die in letzter
Zeit einen geliebten Menschen verloren haben, die schweren Herzens
loslassen mussten und dadurch arm geworden sind. „Gute Nachrichten“ tun
hier gut, Zeichen der Aufmerksamkeit und Worte des Trostes, manchmal
vielleicht auch das schweigende Aushalten oder Mitweinen. Auch hier vor
Ort, hier bei uns, gibt es „Gefangene“, die auf Befreiung warten. Ich
denke an die Menschen, die sich einsam und verlassen fühlen oder an
Menschen, die sich in Schuld verstrickt haben. Aus diesen und ähnlichen
„Gefangenschaften“ zu befreien, wird unter Umständen viel Geduld
erfordern und den mühsamen Weg vieler kleiner Schritte der Zuwendung und
der Vertrauensbildung.
Wer aber mit den
Augen Jesu im Kopf und dem Programm des Propheten Jesaja im Hinterkopf
auf seine Umgebung schaut, wird all das entdecken können: die Armen und
die Gefangenen, die Blinden und die Zerschlagenen. Und wer sich von
Gottes Geist anrühren lässt, kann hier und heute „gute Nachrichten“
bringen, kann helfen und heilen, aufrichten, trösten und befreien.
Und dann kann hier
und heute geschehen, was in der Synagoge von Nazareth geschah, als Jesus
die Sätze des Propheten Jesaja gelesen hat: Alles, was wir gehört haben,
kann sich heute erfüllen. Heil allen, denen das Nötigste fehlt. Heil
allen, die in irgendeiner Art Gefangene sind. Heil allen, die in
irgendeiner Art blind sind. Heil allen – hier und heute durch uns – weil
auch wir „Gesalbte“ sind, Getaufte, Gefirmte, Frauen und Männer, in
denen Gott in dieser Welt gegenwärtig sein und wirken will.
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