Erste Lesung
Herr, zürne doch nicht,
wenn ich mit dir rede
Lesung
aus dem Buch Génesis
In jenen Tagen
20sprach der Herr zu Abraham: Das Klagegeschrei über Sodom und
Gomórra, ja, das ist angeschwollen und ihre Sünde, ja, die ist schwer.
21Ich will hinabsteigen und sehen, ob ihr verderbliches Tun
wirklich dem Klagegeschrei entspricht, das zu mir gedrungen ist, oder
nicht. Ich will es wissen.
22Die Männer wandten sich ab von dort und gingen auf Sodom zu.
Abraham aber stand noch immer vor dem Herrn.
23Abraham trat näher und sagte: Willst du auch den Gerechten mit
den Ruchlosen wegraffen?
24Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst du auch
sie wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben wegen der fünfzig
Gerechten in ihrer Mitte?
25Fern sei es von dir, so etwas zu tun: den Gerechten zusammen mit
dem Frevler töten. Dann ginge es ja dem Gerechten wie dem Frevler. Das
sei fern von dir. Sollte der Richter der ganzen Erde nicht Recht üben?
26Da sprach der Herr: Wenn ich in Sodom fünfzig Gerechte in der
Stadt finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben.
27Abraham antwortete und sprach: Siehe, ich habe es unternommen,
mit meinem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin.
28Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf. Wirst du wegen
der fünf die ganze Stadt vernichten? Nein, sagte er, ich werde sie nicht
vernichten, wenn ich dort fünfundvierzig finde.
29Er fuhr fort, zu ihm zu reden: Vielleicht finden sich dort nur
vierzig. Da sprach er: Ich werde es der vierzig wegen nicht tun.
30Da sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich weiterrede.
Vielleicht finden sich dort nur dreißig. Er entgegnete: Ich werde es
nicht tun, wenn ich dort dreißig finde.
31Darauf sagte er: Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Herrn
zu reden. Vielleicht finden sich dort nur zwanzig. Er antwortete: Ich
werde sie nicht vernichten um der zwanzig willen.
32Und nochmals sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich nur noch
einmal das Wort ergreife. Vielleicht finden sich dort nur zehn. Er
sprach: Ich werde sie nicht vernichten um der zehn willen.
Evangelium
Bittet und es wird euch
gegeben
+
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
1Jesus betete einmal
an einem Ort; als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger
zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten
gelehrt hat!
2Da sagte er zu
ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
3Gib uns täglich das
Brot, das wir brauchen!
4Und erlass uns
unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist.
Und führe uns nicht in Versuchung!
5Dann sagte er zu
ihnen: Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm
geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote;
6denn einer meiner
Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen und ich habe ihm nichts
anzubieten!
7wird dann der Mann
drinnen antworten: Lass mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen und
meine Kinder schlafen bei mir; ich kann nicht aufstehen und dir etwas
geben?
8Ich sage euch: Wenn
er schon nicht deswegen aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund
ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm
geben, was er braucht.
9Darum sage ich
euch: Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden;
klopft an und es wird euch geöffnet.
10Denn wer bittet,
der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird
geöffnet.
11Oder welcher Vater
unter euch, den der Sohn um einen Fisch bittet, gibt ihm statt eines
Fisches eine Schlange
12oder einen
Skorpion, wenn er um ein Ei bittet?
13Wenn nun ihr, die
ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr
wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.
Liebe Schwestern und Brüder,
waren Sie schon mal auf einem orientalischen Bazar? Dort wo keine
Preisschilder an den Waren stehen, sondern wo man handeln und feilschen
muss? Da kann es Ihnen passieren, dass Sie ohne Ware weggeschickt
werden, wenn Sie gleich das Geld für den Preis auf den Tisch legen, den
der Verkäufer Ihnen genannt hat – denn nicht zu handeln, das heißt: Ich
habe kein Interesse an Dir; Du bist für mich kein Partner. Ich erwarte
kein Entgegenkommen von dir - und das ist schon eine Beleidigung.
Wir haben in der Lesung gehört, dass Abraham so mit Gott feilscht und
handelt. Die 50 Gerechten, die notwendig sind, um die Stadt zu retten,
handelt er auf 10 herunter. Ja, Abraham tritt mutig ein für die Menschen
in dieser Stadt. Fürbittendes Gebet ist das sozusagen.
Spannend, dass uns das Buch Genesis uns eine solche Art des Betens
schildert.
Damit will das Buch uns wohl sagen: Gott und Mensch sind Partner, wenn
es um die Dinge des Lebens geht. Da ist der Mensch diesem Gott nicht
hilflos ausgeliefert, sondern er kann mit ihm verhandeln; der Mensch
darf Gott sagen, was er von ihm erwartet. Und Gott kommt uns bestimmt
entgegen.
Und so lehrt uns dieses Buch, dass das Beten im Grunde das Gespräch mit
einem Freund ist. Hier geht es nicht um schöne Worte, die ich mir
ausdenke, sondern um das, was mir wichtig ist.
Es geht nicht um Reimverse und nicht um „Gedichtchen“, die ich vor Gott
aufsagen müsste, wenn ich bete – und je mehr, umso besser.
Nein, diesen Gott interessieren vermutlich auch keine Gedichte, sondern
den interessiert das, was mir auf dem Herzen brennt, worunter ich leide
– und das ich ihm dann auch hinhalten und vortragen kann wie einem guten
Freund – wie einem Menschen, von dem ich dann auch etwas erwarte:
nämlich Hilfe, Trost und Unterstützung.
Vielleicht werden Sie sagen: Das ist alles schön und gut – aber es
funktioniert nicht immer. Wie oft habe ich schon um etwas gebetet, wie
oft schon Gott mein Herz hingehalten – und es hat nichts genützt,
manchmal ist eher sogar das Gegenteil von dem gekommen, um was ich
gebetet habe.... Eine Erfahrung, die wir sicher alle schon oft genug
gemacht haben.
Was war da los? Haben wir dann doch nicht richtig gebetet? Nicht lange
genug? Oder hat Gott nicht hingehört?
Nun, vielleicht haben wir ja einfach nicht um „das Rechte“ gebetet.
Vielleicht war das, was ich da von Gott wollte, einfach nur sehr
egoistisch -- wo jeder gute ehrliche Freund und jede gute ehrliche
Freundin uns vielleicht auch gesagt hätte: Nein, da mache ich nicht mit.
Was du da willst, das ist nämlich nicht in Ordnung. Da denkst du nur an
dich.
Oder wo sie auch einem Freund gesagt hätten: Was du da willst, das
kannst Du eigentlich ganz gut selbst tun; da musst du mich nicht drum
bitten.
Und wo Sie vielleicht auch irgendwann mal gesagt hätten: Versuch doch
nicht dauernd deine Umwelt und deine Mitmenschen zu ändern, sondern
ändere dich doch mal selbst, damit du hinein passt in diese Welt. Und
damit die anderen nicht immer für Dich da sein müssen, sondern damit Du
auch mal für andere da sein kannst.
Denn Gott ist für alle da, aber doch nicht für alles.
Von Dietrich Bonhoeffer stammt das treffende Wort „Gott erfüllt nicht
alle unsere Wünsche, aber er erfüllt seine Verheißungen“. Und Gottes
Verheißungen sind wohl größer als unsere Vorstellungen; sie sind weiter
als unser Herz und –Gott sei Dank- viel heilbringender als unsere
Gedanken und unsere Gebete es oft sind.
Deshalb lauten wohl auch die zentralen Worte in jenem Gebet, dass
Jesus seine Jünger lehrt: Vater, Dein Reich komme – und Dein Wille
geschehe.
Und das will sagen: Es geht zwar um unsere Wünsche, um das, was wir uns
ersehnen und erbitten, aber wir sollen es Gott so anvertrauen, dass er
es auch erfüllen kann, dass es auch Seinem Willen entspricht,
seiner Liebe zu den Menschen, seiner Liebe zu dieser Welt.
Und die wird sich sicher hin und wieder sehr unterscheiden von unserer
Sicht der Dinge – denn er ist großmütig und barmherzig – und unendlich
geduldig – geduldiger und barmherziger als wir.
Vater, Dein Reich komme, so betet Jesus – und das heißt wohl: Nicht
unsere kleine enge Welt, in der wir so oft meinen, wir seien der
Mittelpunkt, ist die Erfüllung, sondern sein Reich, das Gottes Reich mit
all seiner Weite und Größe.
Dein Wille geschehe, lehrt Jesus – und nicht unser Wille, denn der ist
oft so kurzsichtig und kleinkariert, dass man sich vielleicht schon eine
Stunde nach unserem Gebet schämen muss wegen der Dinge, die wir da von
Gott gewollt haben.
Liebe Schwestern und Brüder,
diese beiden Lesungen von heute sind eine Einladung zum Lernen. Die
Einladung, noch einmal in die Schule zu gehen, in die Gebetsschule zu
gehen - bei Abraham und Jesus.
Von Abraham das mutige Eintreten für andere zu lernen – das
fürbittende Gebet, und von Jesus zu lernen, um das Rechte zu beten, so
zu beten, dass Gott es auch erfüllen kann: damit in dem, was wir wollen,
auch wirklich Sein Reich kommen – und Sein Wille geschehen kann.
Aber lernen wir auch, dass wir – selbst im Gebet – von den anderen nicht
mehr erwarten dürfen, als wir selbst zu tun bereit sind. Denn in jedem
Vaterunser geben wir ja selbst den Maßstab an, nach dem Gott an uns
handeln soll:
So wie auch wir handeln – und so wie auch wir vergeben unseren
Schuldigern.