Das ist richtig
spannend, ja dramatisch, was da in der Synagoge von Nazareth vor sich geht.
Am Anfang
Beifall, alle staunten, wie begnadet Jesus redet.
Am Ende geraten
alle in Wut, springen auf und treiben ihn zur Stadt hinaus.
Zunächst kommt
Jesus gut an. Seine Worte finden Zustimmung.
Aber in den
Beifall mischen sich bald kritische Töne, Widerstand regt sich. – Am Ende stehen
Empörung, blanker Hass, erbitterte Ablehnung und tödliche Wut.
Am Anfang
Begeisterung, am Schluss tumultartige Szenen und der Versuch ihren Landsmann
Jesus von Nazareth zu lynchen.
Der zunächst
begnadete Auftritt Jesu endet mit einem gnadenlosen Abgang.
„Hosanna“
und „Kreuzige ihn“ liegen ganz nah beisammen.
Wie in einer
Ouvertüre kündigt sich bereits das Schicksal Jesu an.
Doch wie kommt es
zu diesem Stimmungsumschwung, zu diesem Wettersturz der Gefühle, zu diesem Eklat
in Nazareth?
Die Wende deutet
sich in der Frage an: „Ist das nicht der Sohn Josefs?“ – Da schwingt
zunächst noch Bewunderung mit, ja Lokalpatriotismus: „Einer von uns, toll wie
der redet und die Wunder, die er in Kafarnaum gewirkt hat!“ – Aber in die
Frage mischt sich auch schon Skepsis: „Den kennen wir doch! Was will der
denn? Was bildet der sich ein? Der war doch 30 Jahre hier!
Den soll Gott
gesandt haben? Der, Gesalbter des Herrn? Ist das nicht Anmaßung? Lästert der
nicht Gott?
Und schon ist es
passiert:
Sie sind nicht
mehr offen ihm gegenüber.
Sie sind
voreingenommen. Sie verschließen sich. Empörung macht sich breit. Die Sache
eskaliert.
Und Jesus? Von
wegen sensible Gesprächsführung! Er glättet nicht die Wogen. Er macht keine gute
Miene zum bösen Spiel. Er provoziert durch zwei Sprichwörter.
Das erste legt er
seinen Landleuten in den Mund: „Arzt, heile dich selbst!“ – Was heißen
soll: „Beweis deine heilende Kraft hier und auf der Stelle! Anderswo magst du
Eindruck schinden, bei uns aber nicht!“
Das zweites
Sprichwort: „Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt!“ – Jesus spürt
die Ablehnung, die ihm entgegenschlägt.
Es bewahrheitet
sich, was der Greise Simeon vorausgesagt hat: „Er wird ein Zeichen sein, dem
widersprochen wird.“ (Lk 2, 34)
An Jesus scheiden
sich die Geister.
Und dann gießt
Jesus sozusagen noch Öl ins Feuer, indem er zwei Beispiele nennt: Er erinnert an
den Propheten Elija. Dieser hat der Witwe von Sarepta, einer Ausländerin und
Heidin, auf wunderbare Weise geholfen, obwohl es damals auch viele Witwen in
Israel gab, die Not litten. Aber in der Fremde fand er Glauben.
Das zweite
Beispiel: Der Prophet Elischa. Zu seiner Zeit gab es viele Leprakranke in
Israel, aber Elischa wurde zu dem Syrer Naaman geschickt, ebenfalls Ausländer,
ebenfalls kein Jahwegläubiger. Und er wurde von seinem Aussatz geheilt.
Nicht den Frommen
in Israel wurde Hilfe zuteil, sondern ausgerechnet Heiden, Ungläubigen, und das
heißt Sündern!
Die Nazarener
merken, dass Jesus mit diesen Beispielen ihre Erwählung in Frage stellt, ihre
exklusive Gottesbeziehung, die sie meinen zu haben. – Das geht zu weit! Das
bringt sie zur Weißglut. Wut kocht hoch, blanker Hass, nackte Feindschaft.
Sie werden
handgreiflich und wollen ihn umbringen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Evangelist
Lukas hat in dieser kleinen Episode in Nazareth
– wie mit einem
Brennglas – schon die ganze Jesusgeschichte zusammengefasst.
Erst die
programmatische Antrittsrede Jesu, die sein Wirken vorwegnimmt. Da noch Stolz
auf den Heimatsohn, Begeisterung, Applaus.
Dann das
verwunderte Staunen, Zweifel, Misstrauen („Was erlaubt der sich?“),
wachsende Ablehnung. Dann das Nicht-hören-Wollen, Sich-Verhärten,
Sich-Verschließen. Schließlich Rausschmiss, Vertreibung aus der Stadt und der
Versuch, ihn zu töten.
Aber das, worauf
es ankommt, verweigern die Nazarener: den Glauben! – „Er kam in sein
Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf!“ (Joh 1,11)
Merken Sie, liebe
Schwestern und Brüder, wie schon beim Antrittsbesuch in Nazareth, am Beginn
seines Wirkens, die ganze Heilssendung Jesu aufleuchtet? Leiden und Kreuz treten
bereits deutlich in den Blick.
Und wenn Jesus
souverän durch die Volksmenge hindurchschreitet und ungehindert weggeht, dann
blitzt sogar schon die Auferstehung auf. Die gekreuzigte Liebe ist stärker als
der Tod.
Liebe Schwestern und Brüder!
Nach dem Neuen
Testament ist die Kirche der Leib Christi.
Damit tun sich
viele heute schwer. Sie haben – wie die Bewohner von Nazareth – ganz bestimmte
Vorstellungen, Erwartungen und Wünsche, wie die Kirche heute sein müsste, um
sich darin wohl zu fühlen und sich zu engagieren, oft allerdings auch
übersteigerte Erwartungen und sehr hohe Ansprüche.
Eine perfekte
Kirche aber gibt es nicht, so wenig wie die perfekten Menschen. Auch Bischöfe
und Priester sind nicht schon durch ihre Weihe bessere Menschen. Auch
Ordenschristen, die sich Gott geweiht haben, bleiben fehlbar und sündig und
brauchen immer wieder sowohl die Barmherzigkeit Gottes als auch die Nachsicht
ihrer Mitmenschen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn wir daran
glauben, dass Gott durch den Heiligen Geist in seiner Kirche gegenwärtig ist und
wirkt, dürfen wir sicher sagen, was uns nicht gefällt und wo menschliche Schuld
das Antlitz der Kirche verdunkelt. Wir dürfen den Finger auf die wunden Stellen
legen. Wir sollten aber auch all das Gute, das Gottes Geist durch Menschen in
der Kirche wirkt, nicht übersehen und trotz vieler Schwächen, Runzeln und Fehler
die Kirche lieben.
Nicht austreten
aus der Kirche, sondern auftreten in der Kirche und sich in ihren Dienst
stellen!
Von außen Kritik
üben und nichts Gutes an ihr lassen, ist leicht. Aber mithelfen, die Kirche von
innen zu erneuern – und die Kirche braucht immer wieder die Erneuerung, sie ist
stets reformbedürftig – das verlangt etwas, das kostet etwas. Und die Erneuerung
fängt immer bei uns selber an.
Das Evangelium,
lb. Schw. u. Br., ruft zur Entscheidung.
Es lädt ein,
zwischen allem „Hosanna“ und „Kreuzige ihn“ den Weg Jesu
mitzugehen. Das ist kein Spaziergang. Das verspricht Jesus auch nicht. Im
Gegenteil. Er spricht vom Kreuztragen.
Aber Gottes Kraft
geht alle Wege mit. Sein Wort zeigt uns den Weg. Und Christus selbst ist der
Beistand, der uns nicht verlässt. |